Staatsverschuldung: E-Procurement hilft sparen. Durch elektronische Beschaffungssysteme können die Abwicklungskosten um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Die öffentliche Hand verfügt demnach über ein jährliches Einsparvolumen von 37,5 Milliarden Euro.
Die Staatsschulden steigen seit Januar 2004 um 2186 Euro pro Sekunde, so die Angaben des Bundes der Steuerzahler. Ende dieses Jahres werden sie eine neue Rekordhöhe von rund 1,4 Billionen Euro erreicht haben. Eine Möglichkeit, die Kosten im öffentlichen Sektor deutlich zu senken, bietet das so genannte E-Procurement. Damit werden Preiskonditionen verbessert, Arbeitsabläufe beschleunigt und Transparenz geschaffen, die Qualität der Beschaffung erhöht und insgesamt die Organisation verschlankt.
Mit einem Gesamtauftragsvolumen von fast 250 Milliarden Euro ist die öffentliche Hand der größte Auftraggeber in Deutschland. Besonders groß ist ihr Anteil in der Bauwirtschaft, im Transport- und im Gesundheitswesen. Das Einsparpotenzial durch den Einsatz elektronischer Beschaffungssysteme ist immens - doch noch weitgehend ungenutzt. Die Mummert Consulting AG ermittelte, dass bei jeder Bestellung bis zu 30 Prozent der Abwicklungskosten eingespart werden können. Die Voraussetzung dafür ist der konsequente Einsatz von E-Procurement.
E-Procurement-Systeme lassen sich in die vorhandene ERP (Enterprise Ressource Planning) integrieren.
Quelle: Mummert
Das elektronische Beschaffungssystem unterstützt den gesamten Beschaffungsprozess: Zunächst stehen in elektronischen Katalogen die Lieferanten- und Produktinformationen zur digitalen Informationsrecherche. So lässt sich schon vorab ein Überblick über die besten und günstigsten Angebote finden. Die Ausschreibung und Vergabe von Aufträgen kann durch das so genannte "E-Tendering" erfolgen. E-Tendering-Anwendungen unterstützen den Ablauf von Ausschreibungen von Beginn bis hin zur Bewertung der eingereichten Angebote.
Der Bestellvorgang kann mittels "Catalog Buying", das heißt mit Hilfe von elektronischen Katalogen, vereinfacht werden. Hiermit lässt sich der gewünschte Artikel über einen Online-Katalog direkt vom Arbeitsplatz aus bestellen. Diese Bestellform eignet sich besonders für Dinge des täglichen Gebrauchs wie Computerzubehör und Büroartikel. Bislang kostet jede Bestellung von Bund, Ländern und Gemeinden, inklusive Verwaltungsaufwand durchschnittlich 180 Euro. Allein das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Inneren führt jährlich bis zu 2200 Bestellungen aus: vom einfachen Stempel, über Atemschutzgeräte bis zur schlüsselfertigen Klinik. Die Abwicklung einer einfachen Büromaterialbestellung aus dem Katalog schlägt schon mit etwa 130 Euro zu Buche. Für größere, nicht katalogisierbare Güter kostet die Veröffentlichung und Ausschreibung im Schnitt sogar 244 Euro. Und die potenzielle Einkaufsliste der öffentlichen Hand an Waren und Dienstleistungen ist lang. Sie umfasst rund 190 Produktgruppen, von A wie Alarmtechnik, bis Z wie Zivilschutzausstattung. Mehr als die Hälfte der Güter könnten die Behörden und Verwaltungen mit E-Procure-ment-Systemen beschaffen, ergab eine Untersuchung von Mummert Consulting. Das ergibt ein potenzielles Einsparvolumen von etwa 37,5 Milliarden Euro.
E-Procurement fasst den gesamten Beschaffungsvorgang in einem System zusammen.
Quelle: Mummert
Außerdem können die öffentlichen Einrichtungen durch das Bündeln der Aufträge Synergien erzielen und Mengenrabatte nutzen. Durch dieses so genannte "E-Pooling" lassen sich zusätzliche Einsparmöglichkeiten realisieren. Darüber hinaus stärkt die Zusammenlegung der Bedarfe die Verhandlungsposition der öffentlichen Hand gegenüber den Zulieferern. So können die Einkaufpreise um bis zu sechs Prozent gesenkt werden. Zudem vermeiden die Behörden Redundanzen in der Lagerhaltung und bei Prozessabläufen.
Doch nicht nur die Einkaufskosten lassen sich durch E-Procurement reduzieren. Behörden und Verwaltungsstellen, die das elektronische Beschaffungssystem einsetzen, sind mit diesem System in der Lage, Arbeitsabläufe rationeller zu gestalten und somit erheblich Zeit einzusparen. Die Arbeitsgänge können dank Katalogbestellungen um gut zwei Drittel der Zeit verkürzt werden. Während der traditionelle Vorgang mit Papierformularen etwa 105 Minuten dauert, lässt sich die Bearbeitungszeit durch E-Procurement auf lediglich 36 Minuten verringern. Beispielsweise kann das Genehmigungsverfahren stark verkürzt werden. Andere Arbeitsschritte, wie die Bestellverfolgung, können sogar ersatzlos wegfallen. Das führt zu einer Kostenreduktion durch verringerten Zeitaufwand von 130 Euro auf 45 Euro.
Ein weiterer Vorteil der elektronischen Beschaffung ist die Übersichtlichkeit der Auftragsabwicklung. Besonders bei der elektronischen Auftragsvergabe hilft die Transparenz, Kosten und Nutzen einzelner Produkte gegenüberzustellen, um das wirtschaftlichste auszuwählen. Von der Bedarfsanforderung bis zur Auftragserfüllung sind alle Schritte nachvollziehbar und übersichtlich. Zudem können Abläufe standardisiert werden, sodass die Bearbeitung von Aufträgen einfacher und somit schneller wird. Nachdem der gewünschte Artikel gesichtet und bestellt wurde, ist es sinnvoll, eine Rückmeldung des Zulieferers zu erhalten, ob und wann der Artikel geliefert werden kann.
Der elektronische Bestellkatalog muss daher mit dem System der Zulieferer verknüpft sein. Nur so lassen sich Angaben über den Lieferstatus und den Liefertermin für den Besteller machen.
Die deutschen Krankenhäuser bieten ein gutes Beispiel, um die Einsparmöglichkeiten zu demonstrieren. Häufig haben die Krankenhäuser keinen Überblick über ihre Bestellungen. Der Grund: Jede Station bestellt ihre eigenen Materialien, ein zentraler Produktkatalog ist meist nicht vorhanden. Dadurch können weder die Bestellungen gebündelt noch Konditionen mit Leitlieferanten ausgehandelt werden. Um Einsparungen durch E-Procurement durchzusetzen, muss deshalb zuerst das gesamte benötigte Artikelsortiment eines Krankenhauses zentral erfasst werden. So können gleiche Produkte verschiedener Hersteller aussortiert und das Sortiment entsprechend optimiert werden. Auch bildet ein entsprechend überarbeiteter Artikelkatalog die Grundlage für eine elektronische Anbindung von Lieferanten. Jede Bestellung im Krankenhaus erzeugt rund 100 Euro an Abwicklungskosten, beispielsweise durch Personaleinsatz, Inventarisierung und Lagerung. Mit der Einführung von elektronischen Beschaffungssystemen lassen sich rund 30 Prozent dieser Kosten einsparen. Doch bisher nutzen nur rund fünf Prozent der Krankenhäuser das Internet zum elektronischen Einkauf. Zur Reduktion der Kosten tragen unterschiedliche Aspekte der elektronischen Beschaffung bei: Durch ein standardisiertes und einheitliches Artikelsortiment werden die Kosten für zeitaufwendiges Suchen reduziert.
Bei Bestellungen geschehen weniger Fehler, da der Computer die Eingaben ohne zusätzlichen Aufwand auf Plausibilität prüft. Auch das Stationspersonal wird entlastet, da die Bestellung schnell und einfach am Bildschirm erfolgt - ohne lästigen Papierkram. Darüber hinaus können Bestellungen einfach und übersichtlich gebündelt werden, Mengenrabatte sind möglich.
Bisher nutzen nur fünf Prozent der
Krankenhäuser das Potenzial zur Kostenreduktion.
Die öffentliche Hand kann ihr gesamtes Beschaffungswesen weiter optimieren, indem sie die elektronische Beschaffung in ihr EPR-System (Enterprise Resource Planning) einbindet (siehe Grafik Seite 14). Das Ziel ist ein einheitlicher Prozess: angefangen bei der Bedarfsanforderung über Ausschreibung und Bestellung bis zur Bestandsaufnahme der gelieferten Waren und Dienstleistungen. Nur so können alle Vorteile des elektronischen Einkaufs voll ausgeschöpft werden. Denn E-Procurement funktioniert nur dann erfolgreich, wenn Organisation und Struktur, Technologie und Abläufe aufeinander abgestimmt werden.
Mit E-Procurement werden große Teile der Einkaufsabteilung direkt auf den Besteller verlagert. Daher ist es wichtig, die Erfahrungen der Mitarbeiter in die technische Planung mit einzubeziehen. Je einfacher ein System zu bedienen ist, desto größer wird die Akzeptanz der Lösung im Unternehmen sein. Komplizierte Systeme, die langwierige Schulungen der Mitarbeiter bedürfen, werden sich längerfristig kaum durchsetzen. Die Benutzeroberfläche von elektronischen Beschaffungssystemen sollte daher einfach zu bedienen und leicht erlernbar sein. Im Idealfall sollte sie sich an bereits bekannten Programmen orientieren.
Auch sollten nicht alle potenziellen Besteller über dasselbe Angebot im Katalog verfügen. Bestimmte Artikel sollten nur für bestimmte Benutzer oder Gruppen recherchierbar und auswählbar sein. So lassen sich beispielsweise die Zugriffsrechte der Mitarbeiter auch regional begrenzen, um unnötig teure Versandkosten oder lange Lieferzeiten durch unnötig lange Lieferwege zu vermeiden.
Je umfangreicher das Warenangebot, desto bedeutsamer sind selbst in einem personalisierten Katalog leistungsstarke Suchsysteme. Zeitraubende Recherchen schrecken die Benutzer von Beschaffungssystemen ab. Denn Zeit will man ja gerade sparen. Mit ganzheitlichen E-Procurement-Systemen ist die öffentliche Hand diesem Ziel schon ein ganzes Stück näher gekommen.
* Thomas Esser ist Partner der Mummert Consulting AG