Telefongesellschaften setzen auf Direktvermarkter: Carrier am Drücker

1. Juli 2004, 0:00 Uhr | Markus Reuter

Telefongesellschaften setzen auf Direktvermarkter: Carrier am Drücker. Die Telefongesellschaft Arcor gerät massiv in die Kritik, weil sie Preselection-Verträge über eine Drücker-Kolonne vermarktet. Jetzt setzt auch die Deutsche Telekom auf die Dienste der Ranger GmbH ? der gleichen Firma, der sich auch Konkurrent Arcor bedient. Die Telekom-Partner fühlen sich brüskiert.

Telefongesellschaften setzen auf Direktvermarkter: Carrier am Drücker

Autor: Folker.Lueck
Der City-Carrier Kielnet hat derzeit mit einer harten Konkurrenz zu kämpfen. Eine Drückerkolonne zieht seit Wochen durch die beschauliche Stadt in Schleswig-Holstein und jagt dem Unternehmen die Kunden direkt an der Haustür ab. »Drücker haben sich mit gefälschten Ausweisen als Kielnet-Mitarbeiter ausgegeben und unseren Kunden dann Arcor-Preselection-Verträge angedreht. Durch diese unsauberen Methoden haben wir 30 bis 40 Kunden pro Monat verloren«, empört sich Christoph Bechtel, Marketingleiter von Kielnet.

Der Ärger von Bechtel ist durchaus verständlich, denn die lokale Telefongesellschaft lehnt Haustür-Geschäfte ab. Die Vorgehensweise der Werber ist immer die gleiche: Nachdem sie sich mit dem gefälschten Ausweis Zutritt verschafft haben, nehmen sie eine angebliche Tarifoptimierung vor. Der Kielnet-Tarif kann allerdings nicht verbessert werden, zufällig haben sie aber einen Arcor-Preselection-Vertrag in der Tasche. »Mit diesem Verhalten schädigen die Werber nicht nur die Marke Arcor, sondern auch das Image der gesamten Telekommunikations-Branche«, fürchtet Bechtel.

Als Beispiel führt der Marketing-Leiter an, dass Kielnet keine Kundenveranstaltungen mehr in Einkaufszentren der Region veranstalten könne. Die Leiter der Zentren hätten dort mit den Aktionen der Drücker derart schlechte Erfahrungen gemacht, dass sie jetzt grundsätzlich mit Telefongesellschaften keine Geschäfte mehr machten.

Bei der verantwortlichen Drückerfirma handelt es sich um die Ranger Marketing und Vertriebs GmbH aus Erkrath-Unterfeldhaus. Das Unternehmen ist in der Branche eine bekannte Größe. Es handelte bereits vor Jahren im Auftrag des Carriers Otelo, der mittlerweile in Arcor aufgegangen ist. Wahrscheinlich bedienten sich die Eschborner dieses Kontaktes. Arcor ist sich der Problematik dieses Vertriebswegs durchaus bewusst: »Wir kennen die Schwierigkeiten, die das Direktmarketing mit sich bringen kann. Daher haben wir diverse Sicherheitsmechanismen eingeführt, um Beschwerden möglichst zu vermeiden«, relativiert ein Arcor-Firmensprecher gegenüber CRN. Zu diesen Absicherungen zählt der Carrier beispielsweise, dass der geworbene Kunde noch einmal angerufen wird, bevor er freigeschaltet wird. Auch müsse sich der Werber an der Haustür schriftlich bestätigen lassen, dass er im Auftrag von Arcor handele ? und eben nicht als Mitarbeiter von Kielnet oder eines anderen Mitbewerbers. Dass aber Werber an der Haustür dem Image eines etablierten Unternehmens abträglich sein können, nimmt die Telefongesellschaft in Kauf. Einen Großteil der 2,5 Millionen Preselection-Kunden hat das Unternehmen über die Direktvermarkter gewonnen. Es sei ein hartes Geschäft, der Telekom Marktanteile abzutrotzen, dabei müsse man sich »jedes erdenklichen Vertriebsweges bedienen«.

Telekom vermarktet DSL über Haustür-Werber

Neuerdings setzt sogar Branchenprimus Telekom auf die Dienste der Ranger. »T-Com, die Festnetzsparte der Deutschen Telekom, entscheidet sich nach einer ausführlichen Testphase für eine Kooperation mit Ranger Marketing«, verkündet die Direktmarketing-Firma unter www.ranger-marketing.de. Dabei sollen DSL-Anschlüsse, Spezialtarife sowie Dienste von T-Online an den deutschen Haustüren vermittelt werden. Laut Informationen von Ranger übernimmt die Telekom selbst die Schulung der Drücker.

Die Partner des Bonner Konzerns reagieren auf die Pläne mit Entsetzen: »Das ist ein Angriff auf den Fachhandel und wird uns in Verruf bringen«, empört sich TK-Bereichsleiter Holger Berndt von der Sahl GmbH. Das Augsburger Systemhaus gehört zu den großen Business-Partnern der Deutschen Telekom. Auch der VATM, der Verband alternativer Telekommunikationsanbieter, kritisiert die Praktiken der Carrier: »Wir lehnen unseriöse Haustürgeschäfte ausdrücklich ab«, kommentiert VATM-Sprecherin Dr. Eva-Maria Ritter.

Dessen ungeachtet gehört diese Form des Direktvertriebs zu den üblichen Geschäftspraktiken einiger Mitgliedsunternehmen des VATM. »Über diese Form der Kundenakquise sind wir erbost«, sagt Frank Kettwig, Vorsitzender des Bundesverbandes für den Telekommunikations-Einzelhandel e.V., im Gespräch mit CRN. Mit welchen Versprechen der Einzelhandel von Drückern ausgehebelt wird, weiß Kettwig von Mitgliedsunternehmen des Verbandes: »Beispielsweise wurde potenziellen Kunden versichert, dass man günstigere Preise biete als der Fachhändler nebenan.« Neben Drückerkolonnen arbeiteten auch einige von Carriern beauftragte Call-Center mit fragwürdigen Methoden. Warum T-Com jetzt mit Hilfe von Drückern die Kundenzahlen steigern will, liegt auf der Hand: »Denen steht das Wasser bis zum Hals«, berichtet ein Händler aus dem Hamburger Raum. Im Großraum der Hansestadt habe die Telekom massiv Kunden verloren. Auch in anderen Regionen Deutschlands könnten Citycarrier zunehmend gegen T-Com punkten. »Hier fehlt den Entscheidern bei T-Com nach wie vor die Fachhandelsnähe«, resümiert Kettwig.

Die Telekom selbst rechtfertigt die Zusammenarbeit ähnlich wie Konkurrent Arcor: »Wir können die Außendienstler steuern. Wir übernehmen selbst die Schulungen der Mitarbeiter, die auch Verhaltensmaßregeln von uns erhalten. Darüber hinaus recherchieren wir jeden Auftrag nach«, kommentiert ein T-Com-Firmensprecher gegenüber CRN.

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Kommentar

»Provider setzen auf Drücker«, lautete die Schlagzeile der Computer Reseller News vom 20.Juli 2000. Damals berichteten wir über die Vertriebsaktivitäten von D2, die Mobilfunk-Verträge über eine hauseigene Drückerkolonne namens »Direkt GmbH« vermittelte. Seitdem hat sich scheinbar im Hause Mannesmann, beziehungsweise jetzt Vodafone, wenig geändert. Heute steht die Festnetz-Sparte Arcor in der Kritik.

Die Telefongesellschaft begründet den Verkauf über Drücker mit einem engen Markt, in dem man der Telekom Anteile streitig machen müsse. Ein Argument, das immerhin etwas stichhaltig ist. Dass sich aber jetzt der Branchenprimus Telekom dem Instrument Direkt-Marketing bedient, ist nicht nachzuvollziehen. Der rosa Riese hält im DSL-Geschäft einen Marktanteil von 98 Prozent ? besitzt also fast ein Monopol. Es gibt also praktisch keinen Konkurrenzdruck, Neukunden könnten relativ entspannt gewonnen werden. Die Fachhandels-Partner reagieren zu Recht empört ? ein Bekenntnis zum Channel sieht anders aus.

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INFO

Ranger Marketing und Vertriebs GmbH
Heinrich-Hertz-Straße 26a
D-40699 Erkrath-Unterfeldhaus
Tel. 0211 2000-8100, Fax 0211 2000-8101


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