Übersetzt

27. Januar 2005, 0:00 Uhr |

Übersetzt. Das alte Europa staunte, vor allem das südliche: George Walker Bush steckte bei der Vereidigung zu seiner zweiten Amtszeit der versammelten Prominenz und Weltpresse die Faust mit hochgerecktem Daumen und kleinem Finger entgegen. Was in den USA als Anfeuerung für das zweitklassige Football-Team, der »University of Texas Longhorns«, gilt, ist hierzulande ein Satanisten-Gruß, in Italien und Spanien gar eine beleidigende Geste: Sie signalisiert dem Gegenüber, dass ihm Hörner aufgesetzt wurden.

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Die Globalisierung hat um Sprache, Gesten Sitten und Gebräuche einen großen Bogen geschlagen. Noch immer reibt sich der Europäer verwundert Augen und Nase, wenn sich sein asiatischer Geschäftspartner nach einem leckeren Essen hörbar Erleichterung verschafft, während der sich am Tisch ins Taschentuch schnäuzende Europäer östlich des Urals als extrem unhöflich, ja widerlich gilt.

An Universitäten und Sprachschulen wird jetzt neben der Sprache auch die Übersetzung von Gesten, Sitten, Gebräuchen und Geschmack gelehrt. Erste Absolventen des Studiengangs »Kultur-Translator« bieten auf der Cebit erstmals ihren Service an: Bei der Übersetzung werden nicht nur die ausländischen Eigenheiten berücksichtigt, sondern auch gleich politisch korrekt in einen für Europäer verständlichen Kontext gebracht. Die so geschulten Übersetzer interpretieren demnach simultan die Geste des US-Präsidenten als »Vorwärts Longhorns« und den Rülpser des koreanischen Geschäftspartners mit »Es hat hervorragend geschmeckt«. Viele Missverständnisse werden deshalb bei Geschäftsverhandlungen gar nicht mehr entstehen: Denn wenn der japanische Brother-Manager Yoshihiro Yasui davon spricht, er wolle die Nummer eins im Druckermarkt werden und dabei gewinnend lächelt, übersetzt das der Kultur-Translator korrekt mit »Ich würde auch gerne mal im Lotto gewinnen, deshalb erwäge ich, mal mit dem Spielen anzufangen«. Und die Aussage von HP-IPG-Chef Vyomesch Joshi, der verspricht, »durch die Fusion der Geschäftsbereiche IPG und PSG Synergie-Effekte zu nutzen«, kann sich sicher sein, dass seine Botschaft richtig adaptiert ankommt als: »Endlich haben wir die ganzen Compaq-Manager aus ihren Ämtern gedrängt. Jetzt müssen die PC-Leute den Drucker-Managern Platz machen.« Und die Übersetzung funktioniert auch in die andere Richtung: Das offensichtliche Unbehagen eines deutschen Einkäufers angesichts einer Tastatur in schrillem Pink mit lila Tasten wird so übersetzt, dass der asiatische Keyboard-Manager sein Gesicht wahren kann: »Interessantes Produkt, für das der deutsche Markt aber noch nicht reif ist.«


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