UMTS: Mobiler Datenturbo oder Rohrkrepierer?

4. März 2004, 0:00 Uhr |

UMTS: Mobiler Datenturbo oder Rohrkrepierer?. Die UMTS-Netze sind endlich einsatzbereit, aber von einer Revolution des Mobilfunks spricht keiner mehr. Stattdessen loben die Netzbetreiber bessere Sprachqualität und schnellere Datenübertragung.

UMTS: Mobiler Datenturbo oder Rohrkrepierer?

Die dritte Generation des Mobilfunks begann unspektakulär: Statt futuristischer Bildtelefone präsentierte Vodafone als erster UMTS-Anbieter eine schlichte UMTS-Datenkarte fürs Notebook. Vier Jahre nach der milliardenschweren Versteigerung der UMTS-Lizenzen ist von der Aufbruchstimmung nicht mehr viel übrig. Zwei der sechs Lizenzinhaber in Deutschland sind nach dem finanziellen Aderlass auf der Strecke geblieben. Während Mobilcom Ende des vergangenen Jahres seine Lizenz zurückgegeben hat, kämpft die ehemalige Telefonica-Sonera-Tochter Quam noch um das teuer erkaufte Stück Papier. Exotische Gerätestudien und Anwendungsszenarien sowie ARPU-Träume von monatlichen Kundenrechnungen über 50 Euro sind kein Thema mehr. Nach technischen Problemen und mehrfachen Verschiebungen des UMTS-Starttermins ist bei den Netzbetreibern die Neue Bescheidenheit ausgebrochen. Statt mit einem Paukenschlag ins neue Mobilfunkzeitalter zu starten, haben die verbliebenen UMTS-Betreiber in aller Stille die Weichen für UMTS gestellt. Die Minimalanforderungen der Lizenzbestimmungen, bis Ende 2003 ein Viertel der deutschen Bevölkerung mit UMTS zu versorgen, haben die vier Netzbetreiber erfüllt. Seit dem Jahreswechsel funktionieren ihre UMTS-Netze zumindest in den Ballungszentren.

Turbo für den Laptop

T-Mobile hat weitgehend unbemerkt Mitte Januar die SIM-Karten seiner Kunden für UMTS frei geschaltet. Das sei aber nicht der offizielle Start für die kommerzielle UMTS-Nutzung, versicherte die Telekom-Tochter. Da das Netz derzeit nur in den Ballungszentren funktioniert und die erhältlichen UMTS-Handys von Motorola, Siemens und Nokia nur in kleinen Stückzahlen verkauft wurden, werden derzeit wohl noch recht wenig D1-Kunden UMTS-Telefonate führen.

Vodafone hatte noch Ende 2003 angefangen, Businesskunden mit UMTS-Datenkarten für die Testphase auszurüsten. Mitte Februar legte der zweitgrößte Mobilfunkanbieter in Deutschland als erster kommerzielle UMTS-Tarife vor. Vorerst wird es bei D2 UMTS nur per Datenkarte geben. UMTS-Handys will Vodafone erst im weiteren Verlauf des Jahres schrittweise ins Programm nehmen. Die entscheidende Voraussetzung sei eine ausreichende Stückzahl und Qualität der Geräte. Der Massenmarkt für UMTS-Handys sei wohl nicht vor Herbst 2004 zu erwarten, erklärte Vodafone-Firmensprecher Heiko Witzke.

Mit der Vodafone PC-Karte können mobile Nutzer derzeit in über 200 Städten mit bis zu 384 KBit/s unterwegs Daten übertragen. Die Dual-Mode-Card funktioniert sowohl im UMTS-Netz als auch im GSM-Netz. Steht kein 3G-Netz zur Verfügung, nutzt die Funkmodem-Karte GSM beziehungsweise GPRS. Zusammen mit dem »Vodafone-Time-« und »Vodafone-Volume-Datentarifen« ist die UMTS-Karte derzeit bei Vodafone und im Fachhandel für 359 Euro erhältlich. Ohne Vertrag kostet die Karte 999 Euro. Für eine monatliche Grundgebühr von 69,90 Euro gibt es bis zu 30 Online-Stunden oder 150 MByte Datenvolumen.

Auch der Münchner Netzbetreiber O2 hat bereits angekündigt, zum UMTS-Start zunächst ein Mobilfunkmodem in Form einer PC-Card anzubieten. Inzwischen haben auch die ersten Service Provider UMTS im Angebot. Mobilcom vermarktet zeitgleich mit Vodafone das UMTS-Datenangebot des Netzbetreibers. Seit Mitte Februar ist die Mobile Connect Card UMTS in allen Mobilcom Shops und bei den Cellway-Handelspartnern erhältlich. Auch Drillisch bietet seinen Business-Kunden die D2-Datentarife und die Mobile Connect Card UMTS an.

Anwendung verzweifelt gesucht

Während das 3G-Angebot jetzt zumindest in den Ballungszentren verfügbar ist, liegt der UMTS-Massenmarkt noch in weiter Ferne. Bis durchschnittliche Mobilfunk-Kunden bundesweit mit Highspeed mobil im Internet surfen können, werden nach Einschätzung von Branchenkennern noch Jahre vergehen. Vor allem attraktive Mobilfunkgeräte und innovative Dienste sind derzeit nicht in Sicht. Bei den Anbietern herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass UMTS vor allem zu einer Beschleunigung der verfügbaren Anwendungen führen wird. »Für mich ist UMTS zunächst einmal eine logische Weiterentwicklung, wie beim Übergang vom ISDN zu DSL«, erklärt Norbert Hölzle, Senior Vice President Marketing & Sales Business bei O2. Das bedeutet: größere Bandbreiten und höhere Geschwindigkeit bei der Nutzung vorhandener Anwendungen. Seiner Meinung nach werden zunächst vor allem Business-Kunden und »Early Adopters« UMTS nutzen. Auch Sven Mohaupt, Leiter Produktmanagement Komsa, vergleicht UMTS mit DSL. »Der Anwender wird kaum bewusst wahrnehmen, wann er tatsächlich UMTS nutzt. Die Endgeräte, die ja alle zu Beginn als »Dual Mode«-Geräte ausgelegt sind, werden je nach Verfügbarkeit und gewünschtem Dienst entscheiden, ob UMTS oder GSM genutzt wird.« Auch für Mobilcom-Vorstand Michael Grodd steht bei 3G die Verbesserung der Netzqualität zunächst im Vordergrund. UMTS bringe eine deutliche Verbesserung der Übertragungsqualität für die Sprachtelefonie, bessere Sprachqualität und weniger Abbrüche, so Grodd. Wichtige Faktoren, um den Anteil mobiler Telefonate gegenüber dem Festnetz weiter zu erhöhen.

Dabei soll die dritte Mobilfunk-Generation Anwendungen wie Videoübertragung, Bildtelefonie und mobile Videokonferenzen möglich machen. Damit solche Dienste für den Massenmarkt verfügbar und interessant werden, gilt es aber noch eine ganze Reihe technischer Probleme zu lösen sowie für eine möglichst bundesweite UMTS-Abdeckung, eine Auswahl geeigneter Endgeräte, und transparente Tarife zu sorgen.

Auf der Cebit Mitte März wollen die Netzbetreiber mit innovativen Anwendungen auch bei Consumern punkten. Auch von den Handyherstellern sind UMTS-Neuheiten zu erwarten. So soll sich auf dem Cebit-Stand von E-Plus alles um das Multimedia-Erlebnis bewegter Bilder auf dem Handy drehen. Der Netzbetreiber will in Hannover auf Basis von UMTS Video-Messaging, Videostreaming und Videotelefonie ? live und in Farbe ? präsentieren. Neu angekündigte und verfügbare Services zeigen bereits, wo es im Consumerbereich hingehen soll: Handys werden zu mobilen Multimediamaschinen, die Fotos schießen und verschicken, Musikstücke speichern und als Walkman genutzt werden können. Die nächsten Gerätegenerationen werden auch Videos und Filme downloaden und abspielen, Bildtelefonie oder TV-Empfang bieten. Eine Reihe von Handys kann bereits kurze Videos aufzeichnen. Sharp hat in Japan bereits ein Handy auf dem Markt, das eine Digitalkamera mit zwei Megapixel integriert hat. Auf der Cebit wird Vodafone das Sharp-Cameraphone GX-30 präsentieren, das immerhin mit einer Ein-Megapixel-Kamera bestückt ist.

Mangel an Geräten bremst das Geschäft

Dieses Jahr heißt die Herausforderung aber erst einmal, ausreichend UMTS-fähige Geräte auf den Markt zu bringen. Derzeit sind in Deutschland gerade mal vier Modelle verfügbar: die beiden Motorola-Geräte A830 und A835, das in Kooperation mit Motorola entstandene Siemens U15 und seit Januar auch das Nokia 7600. Nicht nur Design und Größe der Geräte lassen dabei eher an einen Rückschritt denken. Branchenkenner bemängeln, dass die Mobiltelefone auch beim Funktionsumfang hinter eingeführten Smartphones wie dem Siemens SX1 oder dem Sony Ericsson P900 herhinken.

Nicht umsonst starten die Netzbetreiber zunächst nur mit UMTS-Datenkarten. Mit dem Notebook lassen sich die Vorteile von UMTS derzeit noch am besten nutzen. Insider berichten von noch nicht gelösten technischen Problemen. Immerhin müssen die Geräte nicht nur im UMTS- sondern auch im GSM-Netz funktionieren. Neben zu kurzen Akkulaufzeiten, scheint vor allem die Übergabe zwischen den alten GSM-Netzen und der neuen UMTS-Technik Probleme zu bereiten. Die Netzbetreiber erwarten frühestens ab Herbst dieses Jahres größere Modellvielfalt und höhere Stückzahlen an verfügbaren UMTS-Handys. Nick Hunn, Managing Director von TDK Systems, hält sogar diese Prognose für zu optimistisch: »Auch wenn UMTS dieses Jahr tatsächlich überall in Europa an den Start geht, werden UMTS-Geräte wohl nicht vor 2005 in großen Mengen verfügbar sein.«

Chancen und Risiken

Chancen und Risiken von UMTS können die Protagonisten derzeit bei den 3G-Vorreitern studieren. So hat der Telekomkonzern Hutchison Whampoa mit seinen 3G-Diensten in Großbritannien und Italien trotz hoher Subventionen und niedriger Minutenpreise seine Ziele voll verfehlt. Der Hongkonger Mutterkonzern musste deshalb bereits eine milliardenschwere Anleihe aufnehmen und denkt über den Verkauf seiner Festnetz-Sparte nach, um die 3G-Verluste auszugleichen.

Dagegen kann der weltweit erste 3G-Anbieter NTT Docomo inzwischen Positives melden. Von den rund 45,4 Millionen Kunden des japanischen Mobilfunkbetreibers nutzten Ende 2003 rund 1,9 Millionen auch die 3G-Dienste des so genannten FOMA-Netzes. Eine auf den ersten Blick geringe Teilnehmerzahl, sie macht aber den kaufkräftigsten Teil des Kundenstammes aus. Mit einem durchschnittlichen Umsatz pro Kunden (ARPU) von 97,4 Dollar fiel die monatliche Rechnung der FOMA-Nutzer dreimal so hoch aus wie die der 2G-Nutzer.

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INFO

E-Plus Mobilfunk GmbH
www.eplus.de

Komsa Kommunikation Sachsen AG
www.komsa.de

Mobilcom AG
www.mobilcom.de

O2
www.o2.com/de

T-Mobile
www.t-mobil.de

Vodafone
www.d2vodafone.de


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