Verbundgruppen auf der Suche nach der Zukunft: Gleich aussehen ist nicht gleich sein. Die Unterschiede der Kooperationen beginnen zu verschwimmen. Grund: Deren Händler suchen nach neuen Produkten, treffen sich. Einig sind sie in der Notwendigkeit eines Verbundes als Gegenkraft zum Onlinehandel, zu Discountern und Versandhandel.
Für nahezu jeden Handelszweig gibt es Kooperationen oder Verbundgruppen. Laut Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen (ZVG) existieren in rund 30 Branchen um die 300 Verbundgruppen. Sie werden von etwa 150.000 Händlern und Handwerkern getragen, die insgesamt einen jährlichen Umsatz von locker 90 Milliarden Euro erwirtschaften.
Diese Kooperationen, die bis zu mehreren tausend Getreue unter ihrem Dach vereinen, verfolgen meist ein Ziel: Wirtschaftskraft bündeln, mit diversen Leistungen die Mitglieder unterstützen. Das wissen Hersteller und Importeure, Distributoren und Grossisten gleichermaßen. Während sie sich in einigen Branchen längst an die Macht der Verbünde gewöhnt und auch die Vorteile einer wirtschaftlich starken Gruppe erkannt haben, knirschen vor allem die IT-Distributoren beim Stichwort Fachhandelskooperation häufig ziemlich laut mit den Zähnen. Sie sehen mit jeder Gruppe einen Teil ihrer Marge verschwinden. Gleichwohl wissen sie aber auch, dass beispielsweise die Zentralregulierung der Kooperationen als sichere Bank bei der Rechnungsstellung zu betrachten ist ? sofern die Gruppe auf fester wirtschaftlicher Basis steht. Bis auf wenige Ausnahmen haben die Gruppen bei Ratingagenturen und Finanzdienstleistern einen recht guten Ruf. Immerhin bescheinigt eine Studie der Universität Münster, dass Verbundgruppen-Mitglieder weniger insolvenzgefährdet sind (CRN 26/04) und bei Banken einen besseren Stand haben.
Trotzdem stehen vor allem die IT-Kooperationen ? und da haben wir in Deutschland insbesondere Actebis Network, Akcent Computerpartner, Bemi, Computer Compass, Comteam, Emendo, I-Team und Microtrend ? in der Gunst der Händlerschaft nicht sonderlich hoch. Individualismus und zu geringes Wissen um die Kooperationen führten dazu, dass von insgesamt 18.000 bis 30.000 Fachhändlern in Deutschland (die Zahl ist von der Definition eines Resellers abhängig) nur zwischen zehn und maximal 15 Prozent einem Verbund angehören, bei weitgehend stagnierenden Zahlen.
Dagegen nimmt sich der PBS-Fachhandel (Papier, Büroartikel und Schreibwaren und zusätzlich Bürotechnik), wie ein Hort der Verbund-Süchtigen aus. Obwohl die Gesamtzahl der Händler in den vergangenen zehn Jahren von 9.000 auf etwa 6.500 geschrumpft ist (weitere minus zehn Prozent pro Jahr), sind diese Reseller zu gut 50 Prozent kooperiert ? beispielsweise bei Branion, Büro Forum 2000 oder Büroring. Interessant ist dabei der wachsende Produktanteil an IT-Zubehör und Supplies.
Ebenso sind die Braune- und Weiße-Ware-Händler deutlich kooperationswilliger als ihre IT-Kollegen. Gleichzeitig bewegt sich der Elektrogerätehandel immer mehr im ITK-Umfeld, besonders bei digitaler Consumer Electronic. Auch in dieser Branche, zu der mitgliederstarke Verbundgruppen wie Electronic Partner, Euronics, Expert, und Neuer Planet gehören, ist die Verbundzugehörigkeit fast schon Tradition.
Ein Umstand, der auch für den Fachhandel für Telefonanlagen und Netzwerke zutrifft. Diese TK-Kooperationen, zum Teil schon viele Jahre alt, stehen durchaus hoch in der Gunst des Handels und sprechen von respektablen Mitgliederzuwächsen. Das trifft beispielsweise für Aetka, GFT, Telering oder auch Teleround gleichermaßen zu. Und nicht zuletzt mischen im gesamten IT-, TK- und CE-Umfeld noch die Fotofachhändler mit. Vor allem über ihre Gruppen Europafoto und Ringfoto sind sie als Kooperationen präsent.
Mögen auf den ersten Blick alle Kooperationen und Verbundgruppen wie ein Zebra dem anderen gleichen, zeigen sich bei näherer Betrachtung doch grundlegende Unterschiede. Da gibt es Gruppen, die fast wie ein Familienunternehmen geführt werden, zum Beispiel Electronic Partner mit der Familie Haubrich als Motor des Verbundes oder auch Familien-Aktiengesellschaften wie Akcent oder Büro Forum. Dann wieder gibt es Genossenschaften wie Euronics, GFT oder auch Büroring. Und darüber hinaus Modelle wie bei Computer Compass, wo alle Mitglieder gleichberechtigte Gesellschafter der Gruppe sind.
So verschieden die Rechtsformen, so einheitlich sind die Verbünde in dem Wissen um die Mitsprache ihrer Mitglieder. Beiräte, Gesellschafter und Aufsichtsräte sollen den Lenkern der jeweiligen Gruppe auf die Finger sehen, über die Leistungspakete des jeweiligen Verbundes mitentscheiden und die restlichen Mitglieder bei Laune halten. Das klappt mal besser, mal weniger gut. Es gibt Gruppen, da rumort es regelmäßig, in anderen hingegen ist Grabesstille. Beides ist wenig konstruktiv, aber dort, wo die Gremien hart mit der Koop-Führung zusammenarbeiten, sind vorzeigbare Ergebnisse zu verbuchen.
Unabhängig von Leistungsunterschieden und Gesellschaftsformen sind sich die Kooperationen einig in der Notwendigkeit solcher Gruppen. »Wenn in einer Verbundgruppe die harten Faktoren stimmen wie Warenversorgung, wie Finanzierung der Gruppe und der Mitglieder, wie Service und Marketingunterstützung, dann hat ein Verbund wie EP exzellente Zukunftschancen«, versichert Oliver Haubrich, Geschäftsführer Electronic Partner. Wer hingegen nicht alles perfekt mache, müsse bald vom Markt verschwinden.
Überzeugt ist Klaus Kemper, Vorstandssprecher der Büroring eG, dass Kooperationen künftig mehr Zulauf haben werden. »Wir sind zeitgemäß, nehmen den Unternehmern viel Arbeit ab, wie bei Marketingunterstützung und betriebswirtschaftlicher Beratung.« Zudem müsse eine solche Gruppe als starke Interessenvertretung auftreten, wie Ralph Warmbold, Direktor und Leiter Partnerbetreuung bei Akcent Computerpartner, betont. »Gerade in der heutigen Zeit ist es unabdingbar, dass man gegenüber Herstellern und Distributoren Einzelinteressen durchsetzen kann. Hier sei nur auf die Bearbeitung und zeitgerechte Abwicklung von RMA-Fällen hingewiesen«, führt er aus. Uwe Bauer wiederum, Vorstand der Aetka, mahnt die »vielen Einzelkämpfer am Markt, … jetzt die Unterstützung der Kooperation zu nutzen, bevor es ein verschärfter Markt zwangsweise erfordert«.
Denn anders sei es künftig kleineren Unternehmen kaum mehr möglich, ihre Selbständigkeit aufrecht zu erhalten, meint dazu Frank Roebers, Vorstandssprecher PC-Spezialist AG und damit auch zuständig für die Kooperationen Microtrend sowie den Neuerwerb I-Team. Er sieht eine der wesentlichen Aufgaben der Gruppen darin, »in Zukunft einen hohen Beitrag zur Umsatzfinanzierung ihrer Partner zu leisten, um so den Rückzug der Banken zu kompensieren«. Dem kann und will Mitbewerber Jan Riedlbauer, Geschäftsführer Comteam Systemhaus, nicht widersprechen: »Wir machen mit Projektfinanzierungen unsere Mitglieder unabhängig von den Entscheidungen irgendwelcher Kreditversicherer oder Banken, die sich in unserer Branche nicht so gut auskennen.«
Zweifel hegt Werner Winkelmann, Vorstandssprecher Euronics Deutschland, dass Kooperationen mit dem Entstehen des Internet-Handels und der aggressiven Preispolitik der Discounter nicht mehr zeitgemäß seien. Im Gegenteil, die Verbundgruppen würden den Fachhandel in die Lage versetzen, Paroli bieten zu können. »Durch Top-Konditionen im Einkauf stärken wir die Wettbewerbssituation unserer Mitglieder ebenso, wie durch unsere vielfältigen Serivceleistungen.« Ähnlich sieht dies auch EP-Chef Haubrich, der mit dem Netshop seiner Händler selbst Media Markt abschießen könne. »Wer nicht blöd ist, kauft über Netshop«, wirbt er.
Weniger offensiv baut Axel Grellhorst, Vorstandsvorsitzender der NT plus AG und damit auch für Teleprofi zuständig, auf den Faktor Mensch im Projektgeschäft. So sei die persönliche und qualifizierte Beratung nach wie vor ein wesentliches Verkaufsargument. In Zukunft müssten Kooperationen verstärkt »neue Geschäftsfelder aufzeigen und die Möglichkeiten, in neuen Märkten zu wachsen«. Und Rudolf H. Saken, Vorstandssprecher GFT Gemeinschaft Fernmelde-Technik, sieht die Aufgaben unter anderem darin, »eine Vermittlerrolle zu übernehmen, immer für die Mitglieder da zu sein«. Ähnlich versteht auch Andreas Costales, Leiter VAD-Einkauf und Marketing, die Aufgaben für den Verbund Actebis Network. »Die Partner brauchen gezielte Unterstützung bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder.«
Erfahrungsaustausch, Rahmenverträge, Bündelung einer Vielzahl von Aufgaben ? all das unterstützt die Unternehmer in ihrer täglichen Arbeit. Darum auch hegt Reinhard Weitz, Geschäftsführer Computer Compass Gruppe, keinen Zweifel an der Beständigkeit des Verbundes: »Alle Mitglieder sind als mittelständische Unternehmer zugleich auch Gesellschafter der Gruppe, wodurch sich eine hervorragende Plattform zur Diskussion ergibt.«
Veränderungen im Produktangebot sind besonders auffällig im PBS- und Bürotechnik-Fachhandel. Immer mehr Händler nehmen IT-Zubehör ins Angebot. Dem kommen auch die Kooperationen entgegen. So beispielsweise Armin Lutz, Vorstand Büro Forum 2000, der den Umsatz seiner Mitglieder mit IT-Zubehör und Supplies mit etwa 50 Prozent beziffert. Trotzdem sieht er den Bürofachhandel, wie auch Büroring-Vorstand Klaus Kemper, »im zunehmenden Wettbewerb mit dem Versandhandel, den Großmärkten und verschiedensten Discountern«. Deshalb müssten sich die Händler »mehr bewegen und mit ihren Marketingaktivitäten auf die Kunden zugehen«.
So gesehen blicken die Bürohandels-Kooperationen recht optimistisch in die Zukunft. Womit sie sich wenig von den Verbundgruppen des Fotofachhandels unterscheiden. Auch da sieht man die Notwendigkeit für den Fachhandel, sich einer Kooperation anzuschließen, fast schon als existenzielle Frage an. Voraussetzung sei allerdings, wie Robby Kreft, Geschäftsführer Europafoto, betont, dass sich die Kooperationen europäisch ausrichten würden. »Die Industrie richtet sich tendenziell immer europäischer aus, darauf müssen auch wir reagieren.« Mithin eine Erfahrung, die auch die Verbundgruppen für IT, TK und vor allem auch CE machen.