Verführt. Kaum eine Schulung findet heute noch in drögen Seminarräumen statt, seit es in Mode gekommen ist, Manager im skandinavischen Hochwald auszusetzen, wo sie bei der kollektiven Schnitzeljagd ums Überleben kämpfen.
Was aber die beiden Trainer Axel Schäfer und Jochen Stelter aus Schönaich ausgebrütet haben, geht eindeutig unter die Gürtellinie. »Casanova-Prinzip« heißt ihr geschütztes Schulungskonzept und wird als neues Trainingsspiel für aktive Verkäufer angepriesen. »Was hat Casanovas Erfolg mit erfolgreichem Verkaufen zu tun?«, fragen die beiden Kapazitäten, denen beim Studium der erotischen Abenteuer ihres Namengebers offensichtlich so einiges zu Kopf gestiegen ist. »Nichts«, möchte man ihnen freundlich zurufen.
Denn der Frauenheld und Knastbruder Giacomo Casanova würde sich in seinem böhmischen Grab umdrehen, wüsste er, dass seine amourösen Qualitäten heute zum Coaching-Prinzip verwurstet werden und ausgerechnet Verkäuferseelen beflügeln sollen. In einem 3 mal 3 Meter großen Spielfeld lernen Verkäufer »Beziehungen herzustellen, sie zu pflegen und zu entwickeln«, heißt es im Prospekt. Mit anderen Worten: Nach allen Regeln der Casanova-Kunst Kunden am Point of Sales zu verführen.
Lassen wir einmal unseren Verkäufer Herrn Husch das gelernte Casanova-Wissen an der nichts ahnenden Klientel anwenden: Anstatt grauem Zweireiher und Schlips steht Husch also am nächsten Morgen mit Fasanenfeder geschmücktem Hut und scharlachfarbenem Wams hinter dem Ladentisch und begrüßt die erstbeste Kundin mit einem lasziv gehauchten »Ciao, Bella«, so dass ihr gleich das Handy aus der Hand fällt. Aufmerksamkeit erregen klappt also auf Anhieb. Und erst recht, als Herr Husch im Beratungsgespräch jede Menge Augenzwinkern verteilt, was zwar dazu führt, dass er wie ein Mondkalb bestaunt wird. Doch Schäfer & Stelter haben ihm nun einmal eingetrichtert, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Sache! Und weil die beiden Gurus fordern, die bisherigen Verkaufsmethoden zu überprüfen und zu optimieren, hat Husch denn auch gleich einem zaudernden Kunden zärtlich in den Hals gebissen. Der hat zwar daraufhin das Notebook nicht gekauft, revanchierte sich aber mit einem kräftigen Tritt in Huschs Hinterteil.