VoIP-Hindernisse


Viele Unternehmen reagieren weiterhin zögerlich auf VoIP. Sie sehen viele Hindernisse auf dem Weg hin zu einem konvergenten System. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Stolpersteine für eine umfassende Implementierung dieser Technologie.
Obwohl VoIP noch nicht ausreichende Anreize bietet, ist von einem starken Wachstum des Marktes auszugehen.
Dr. Behrooz Moayeri, Comconsult Beratung und Planung
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass in den letzten Monaten ein sehr starker Anstieg der Zahl der Unternehmen festzustellen war, die sich zumindest mit der Konzipierung und der Planung des Einsatzes von VoIP befassen. Wir rechnen für den deutschen Markt in den nächsten Monaten mit einem entsprechend starken Wachstum, wenn auch nur ein Bruchteil der ausgearbeiteten Konzepte und Planungen umgesetzt wird.
Trotzdem sind bisher die Hoffnungen einiger VoIP-Hersteller hinsichtlich des Wachstums des VoIP-Marktes in Deutschland nicht in Erfüllung gegangen. Dafür gibt es diverse Gründe: Mehrere Jahre nach der Verfügbarkeit von VoIP-Lösungen waren diese in den Beschaffungskosten in den meisten Fällen nicht günstiger als konventionelle Telefonanlagen. In Deutschland hat sich seit der Einführung von ISDN und digitalen TK-Anlagen die Nutzung einer breiten Palette von Leistungsmerkmalen wie Chef-Sekretär-Funktionen etabliert, die bis vor kurzer Zeit in den meisten VoIP-Lösungen vermisst wurden. Viele Unternehmen fordern eine sanfte Migration in dem Sinne, dass für eine längere Zeit die bestehende TK-Umgebung und die neue VoIP-Lösung nebeneinander betrieben und zwischen den beiden Umgebungen viele der bisher genutzten Leistungsmerkmale unterstützt werden. Dies war lange Zeit gar nicht möglich und bis heute auch nur dann möglich, wenn man sich für die VoIP-Lösung des Herstellers der bisher genutzten Telefonanlage entscheidet. Dies bedeutet eine Abhängigkeit von einem Hersteller und zugleich ein Hemmschuh für einen Technologiewandel. Zudem ist für viele Unternehmen VoIP noch nicht von Bedeutung. Ein mit VoIP in Verbindung gebrachter Vorteil, nämlich die Einsparung von Verbindungsentgelten bei unternehmensinternen, jedoch standortübergreifenden Gesprächen ist angesichts des Rückgangs der Festnetztelefonie zugunsten von Mobilfunk und des massiven Preisverfalls der Verbindungsentgelte im öffentlichen Netz in den meisten Szenarien nicht mehr gültig.
Trotzdem sind wir davon überzeugt, dass der Trend VoIP an keinem Unternehmen vorbei gehen wird.
Voice-over-IP kommt in jedem Fall, in den meisten Unternehmen allerdings durch die Hintertür.
Thorsten Vogel, Sen. Consultant, Thales Information Systems, Siegburg
VoIP hat in vielen Unternehmen bereits Einzug gehalten, ohne dass die herkömmliche Telefonie abgelöst wurde. Häufig ist sich der Kunde dabei gar nicht bewusst, dass er VoIP-Technologie einsetzt, zumindest nicht der Anwender. In Bereichen die einen konkreten Nutzen vermitteln, wie bei Sprachportalen, ist VoIP-Technologie längst Standard. VoIP-Gateways werden dabei als Schnittstelle zwischen herkömmlicher Telefonie und der Sprachapplikation gestellt. Da Sprachportale eine der derzeit am meisten beachteten und auch umgesetzten Anwendungstechnologien sind, erhält VoIP entsprechend Einzug beim Kunden. Andere Beispiele sind CTI-Anwendungen und Konferenzlösungen.
Bei diesen Anwendungsbeispielen sind Aspekte wie Sicherheit und Zuverlässigkeit genauso wichtig, wie im Bereich der reinen Telefonie. Auch Quality-of-Service ist insbesondere bei Sprachportalen ein sehr kritischer Aspekt. Häufig angemeldete Bedenken bezüglich dieser Funktionen greifen allerdings nicht. Auch beim Einsatz von Voice-over-IP als zentrale Telefonieplattform sind diese Bedenken haltlos, da die entsprechenden VoIP-Lösungen absolut marktreif sind.
Da von den genannten Gründen keiner wirklich für einen Beibehalt der herkömmlichen Telefonie spricht, kann die zögerliche Reaktion von Unternehmen bei derer Ablösung nur mit einem Mangel an ermittelbarem Nutzen zusammenhängen. Die Gründe für eine Ablösung der bewährten Technologie sind offensichtlich nur schwer zu übermitteln. Es ist ja nicht der Fall, dass die alten Telefonsysteme nicht mehr funktionieren. Außerdem bestehen in vielen Fällen immer noch Wartungsverträge für die bestehenden TK-Anlagen. Dringender Bedarf besteht in der Regel also noch nicht. In Zeiten, in denen Investitionen genau überdacht werden, ist entsprechend häufig kein Platz für VoIP. Es sei denn durch die Hintertür, mit Lösungen die einen konkreten Nutzen vermitteln, nämlich nachweisbare Einsparungspotenziale. Selbstverständlich bietet auch die IP-Telefonie konkreten Nutzen. Dieser konnte aber in der Vergangenheit offensichtlich nicht vernünftig vermittelt werden.
VoIP ist kein Selbstläufer, es bestehen noch zu viele Ungereimtheiten und notwendige Investitionen.
Hadi Stiel, Berater und freier Fachjournalist in Bad Camberg
Nach vielen Jahren der versuchten Marktpräsenz scheint Voice-over-IP (VoIP) langsam in die Pötte zu kommen. Das verheißen zumindest Analysten wie IDC und Frost & Sullivan. Dass sich VoIP im Markt bisher schwer tat und wohl auch künftig kein Selbstläufer sein wird, hat viele Gründe. Eine hochverfügbare IP-Telefonie gleich der über ISDN lässt sich nur über erhebliche Investitionen in zusätzliche Redundanz innerhalb der IP-Infrastruktur erreichen. Auf der Netzwerkseite warten weiterhin teure IP-Telefone auf, die zudem proprietär ausgelegt sind. Und das, obwohl die Netzwerkhersteller diese Herstellerbindung bei den TK-Anlagen-Anbietern immer heftigst moniert hatten. Weiterhin wenig Entgegenkommen zeigen zudem beide Seiten, die TK-Anlagen- wie die Netzwerkhersteller, bei ihren IP-Telefonie-Offerten. Die eine Seite gibt für eine komfortable Telefonie wichtige Leistungsmerkmale über den QSIG-Standard nicht frei. Die andere Seite nutzt in der Regel nicht einmal die wenigen QSIG-Leistungsmerkmale, um ihre IP-Telefonie auf den Klassiker abzustimmen. Diese verbleibende Sollbruchstelle zwischen beiden Welten tut den Anwender um so weher, zumal fast alle VoIP-Projekte Migrationsprojekte sind. Dort, wo für die Unternehmen vor allem der Nutzen von VoIP stecken könnte, bei den sprach-/datenfähigen Diensten und Applikationen wie CTI (Computer-Telephony-Integration), Instant-Messaging und Communication-Center, ziehen beide Anbietergruppen zum Leidwesen der Anwender ihre Haltepolitik weiter durch. Selbst Standardschnittstellen wie TAPI werden so angepasst, dass nur die eigenen oder wenige, ausgesuchte Anwendungen darauf laufen. Das Resultat: die Unternehmen fühlen sich in der so genannten freien VoIP-Welt genauso gefangen wie unter dem Klammergriff der TK-Anlagen-Hersteller. Zumal diese Klammerpolitik von beiden Gruppen auch drahtlos verfochten wird. TK-Anlagen-Hersteller favorisieren weiterhin ihre eigene DECT/ISDN-Lösung. Netzwerkhersteller halten mit ihrer wenig standardkonformen WLAN-Telefonie dagegen.