Von der Analyse zur Aktion

11. März 2004, 0:00 Uhr | Werner Fritsch

Von der Analyse zur Aktion. Beim Business Performance Management werden geschäftliche Ziele und Ergebnisse gekoppelt. Die hiesigen Unternehmen haben hier wie bei anderen Business-Intelligence-Techniken Nachholbedarf.

Von der Analyse zur Aktion

Datenanalyse ist kein Selbstzweck, sondern sie muss Nutzen bringen. Das gilt auch für das Business Performance Management, das für Wolfgang Martin den nächsten Schritt in der Entwicklung von Business Intelligence darstellt. "Business Performance Management ist durchaus schon Wirklichkeit. Lücken gibt es noch beim analytischen Workflow", urteilt der in Annecy ansässige Branchenkenner. Zwar wurden bereits in der Vergangenheit Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPI) definiert und berechnet, aber die Prozessorientierung sei neu: "Aus den unternehmerischen Zielen werden messbare Indikatoren abgeleitet. Geschäftsstrategien und -ergebnisse werden dadurch systematisch verknüpft." Die Top-Manager können die Resultate einer darauf beruhenden Analyse dann anhand von Instrumententafeln (Dashboards) zur Kenntnis nehmen. Der Zweck ist es, den Informationskreislauf zwischen operativer und dispositiver IT zu schließen und die Geschäftsprozesse applikationsübergreifend erfolgreicher zu steuern.

Wolfgang Martin, Analyst: "Business Performance Management ist der nächste Schritt in der Entwicklung von Business Intelligence."

Foto: Martin

Zeitnahe Daten

"Die Berichte und Analysen der bisherigen Business Intelligence waren meist rückblickend", fasst der Analyst zusammen, "nun geht es darum, auch nach vorn zu schauen." Durch neue gesetzliche Regularien wie Basel II (siehe InformationWeek 1-2/2004, Seite 40 f.) entstehen neue analytische Fragestellungen. Namentlich das zur Berechnung der Kreditwürdigkeit erforderliche Risikomanagement stützt sich auf fortgeschrittene Business-Intelligence-Techniken. "Data Mining ist deshalb wieder im Kommen", beobachtet Martin.

In das entstehende Segment Business Performance Management, auch Corporate Performance Management oder Business Activity Monitoring genannt, drängen neben klassischen Business-Intelligence-Anbietern wie Cognos oder Hyperion einige Hersteller, die im Bereich Enterprise Application Integration zu Hause sind: etwa Tibco und Webmethods. Deren Stärke liegt im Zugriff auf zeitnahe Daten aus operativen Applikationen. Ein traditionelles Data Warehouse ist zwar weiterhin zweckmäßig, aber von der Idee her nicht mehr allumfassend. Um ergänzend aktuelle Informationen aus operativen Anwendungen einzubeziehen, bedarf es Martin zufolge einer zusätzlichen Datenintegrationsschicht. Werkzeuge dafür gibt es bereits, zum Beispiel von Ascential, Bea und Informatica.

Nachholbedarf hierzulande

Nur ein Viertel der hiesigen Unternehmen hat sich allerdings schon mit Business Performance Management beschäftigt, wie das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Meta Group ermittelt hat. Erst vier Prozent implementieren eine entsprechende Lösung. Selbst beim Reporting besteht noch Nachholbedarf. Zahlreiche Hersteller von Business Objects bis Microsoft arbeiten außerdem an der Skalierbarkeit, um vorgefertigte Berichte größeren Benutzerkreisen zugänglich zu machen.

Im internationalen Vergleich ist der deutsche Business-Intelligence-Markt unterentwickelt. "Ausnahmen wie der Versandhändler Otto bestätigen hier die Regel", urteilt Experte Martin. Im Jahr 2002 etwa gaben dem Marktforschungsunternehmen Gartner zufolge die Anwender in Großbritannien um fünfzig Prozent mehr für Business-Intelligence-Software aus als ihre Kollegen hierzulande. Bis zum Jahr 2007 rechnet Gartner in Großbritannien mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 8,6 Prozent. In Deutschland erwarten die Auguren 7,8 Prozent, was 2007 ein Marktvolumen von 148 Millionen Dollar bedeuten würde. Großbritannien käme dann auf 238 Millionen Dollar.

Laut einer Erhebung der Meta Group setzen hierzulande lediglich 32 Prozent der Unternehmen Business-Intelligence-Software ein. Vier Prozent implementieren derzeit eine entsprechende Anwendung, acht Prozent planen sie. 56 Prozent jedoch verzichten auf Business Intelligence und wollen jedenfalls in diesem Jahr daran nichts ändern. Bei Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern sieht es etwas besser aus: Dort nutzen mehr als die Hälfte der Firmen Business Intelligence. Über dem Durchschnitt liegt der Einsatz von Analysesoftware der Meta Group zufolge im Finanzdienstleistungssektor. Die Branchen Versorgung, Logistik, Telekommunikation und Handel folgen. Deutlich zurück liegen hingegen die Fertigungsindustrie sowie der Öffentliche Sektor.

Joachim Philippi, Berater bei Mummert: "Für den Business-Intelligence-Dschungel braucht man Kompass und Landkarte."

Foto: Mummert

Orientierung tut Not

"Für den Business-Intelligence-Dschungel braucht man Kompass und Landkarte", meint Joachim Philippi, der bei dem Hamburger IT-Dienstleister Mummert Consulting das Competence Center Business Intelligence leitet. Zur Orientierung hat er deshalb die unternehmerischen Möglichkeiten der diversen Techniken in einem Business Intelligence Maturity Model dargestellt. Am weitesten verbreitet sind nach wie vor Berichte, die in Form von Listen oft noch aus operativen Systemen gewonnen werden. Daneben gibt es im Rahmen taktischer Initiativen in einzelnen Fachbereichen interaktive Managementinformationssysteme auf der Basis von Data Marts. Bei mehr strategischem Vorgehen wird dann an einem unternehmensweiten Data Warehouse gearbeitet, das freilich oft nicht wirklich alles erfasst. Auf dispositiven Datenbeständen können IT-affine Mitarbeiter in den Fachabteilungen Ad-hoc-Abfragen und multidimensionale Analysen durchführen. Ferner lassen sich Mining-Verfahren aufsetzen und Was-wäre-wenn-Szenarien durchspielen. Eine erweiterte Entscheidungsunterstützung bieten Philippi zufolge Kennzahlensysteme, wie sie in Balanced Scorecards dargestellt und implementiert werden. Darauf kann dann ein Business Performance Management aufsetzen, das die Leistung des Unternehmens überwacht und dabei die verschiedenen analytischen Teilsysteme einbezieht. Planungen müssen außer den relationalen Daten aus einem Warehouse meist noch Dokumente einbeziehen. Als fortgeschrittenste Ausprägung der Business Intelligence sieht Philippi daher etwas, das er aktives Wissensmanagement nennt. "Auf dieser Stufe können Softwaresysteme zum Beispiel selbständig entscheiden, ob ein Kredit gewährt wird", illustriert der Berater. Entscheidungsunterstützende Echtzeitanwendungen ordnet er ebenfalls hier ein. Weit verbreitet ist dieser Ansatz in den Unternehmen allerdings noch nicht, und auch das Performance Management steht erst am Anfang.

Frank Buytendijk, Marktbeobachter bei Gartner: "Business und IT müssen gemeinsam führen."

Foto: Gartner

Nicht nur zur Kundenbetreuung

Was die Einsatzgebiete von Business Intelligence betrifft, so hat sich der Fokus von der jahrelang propagierten Pflege der Kundenbeziehungen (Customer Relationship Management, CRM) in Marketing und Vertrieb zu den Finanzprozessen im Controlling verschoben (siehe InformationWeek Special 2/2004, Seite 40 f.), auch die Unterstützung von Lieferketten (Supply Chain Management, SCM) ist im Kommen. Der Reifenhersteller Pirelli zum Beispiel verwaltet die Lager der Händler. Er misst den Warenbestand und liefert automatisch nach, wenn ein bestimmter Wert unterschritten wird. Auf diese Weise wird die Lieferkette optimiert und der Kreislauf zwischen Datenanalyse und operativen Aktionen per Software in Echtzeit geschlossen. Der italienische Automobilzulieferer steigert durch diese Verbesserung im Vertrieb den Umsatz und senkt die Kosten. Gesteuert wird der Bestellprozess durch eine zugrunde gelegte Metrik.

IT und Business gemeinsam

82 Prozent der Business-Intelligence-Initiativen hierzulande betreffen der Meta Group zufolge das unternehmensweite Berichtswesen (Enterprise Reporting), 70 Prozent Ad-hoc-Abfragen und 54 Prozent multidimensionale Analysen (Online analytical processing, Olap). Wie die Unternehmen welche Business-Intelligence-Techniken einsetzen sollten, betrifft die IT-Abteilung ebenso wie die Fachbereiche. Die Zeiten, in denen IT-Manager vorpreschen und Technologien implementieren konnten, weil sie interessant schienen, sind vorbei. Frank Buytendijk, Analyst bei dem Marktforschungsunternehmen Gartner, gibt jedoch zu bedenken: "Wenn die Business-Manager das Sagen haben, dann müssen alle Projekte klein sein und sich sofort auszahlen." Das führe dann zu vielen verschiedenen und inkompatiblen Teillösungen. Aufs Ganze gesehen sinkt der Nutzen, während die Kosten steigen. "Business und IT müssen gemeinsam führen", lautet daher seine Empfehlung.


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