Telekommunikation im Wandel

Wie Festnetzbetreiber mithilfe von Next-Generation-Networks aus der Krise herauskommen können

11. März 2009, 12:10 Uhr | Bernd Reder

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Dienstekontinuität und Next Generation Networks

Die Umsetzung dieser drei Maßnahmen trägt entscheidend dazu bei, dass die etablierten Festnetzbetreiber sowohl ihre Umsätze als auch ihre Profitabilität steigern können. Ein kurzer Blick auf einzelne Services verdeutlichen Trends und Chancen von Angeboten für Privat- und Geschäftskunden.

Bei Diensten rund um die Telefonie werden die klassischen Telefonanschlüsse nach heutiger Sicht noch eine geraume Zeit im Markt ihre Berechtigung haben. Parallel dazu gewinnen VoIP-basierte Dienste vor allem im Geschäftskundenbereich mehr und mehr an Bedeutung. Die Einwahl per Wählmodem zum Internet ist eine aussterbende Zugangsmethode, genauso wie mittelfristig der DSL-Zugang über ATM-basierte DSLAMs.

Die Zukunft gehört DSL via IP/Ethernet, vor allem in Triple-Play-Netzumgebungen. Parallel gewinnen auch Fast- und Gigabit-Ethernet als Festnetzzugang bei Geschäftskunden an Bedeutung. Die klassische 2-MBit/s-(E1)-Schnittstelle wird mehr und mehr zurück gedrängt. Im Bereich der Datendienste gibt es heute ein breites Spektrum an Diensten. Hier wird sich künftig sehr viel in den Bereich der IP/Ethernet-Dienste verlagern und konsolidieren.


Dienstekontinuität und NGN-Services: Vorhandene Services müssen sich auf eine Next-Generation-Network-Infrastruktur abbilden lassen.

Die entscheidende Frage ist: Werden NGN-Services tatsächlich die erwarteten Umsätze bringen? Ein Blick auf aktuelle Prognosen der Gartner Group bringt hier etwas Licht ins Dunkel. Die Marktforscher haben ermittelt, dass im Jahr 2005 etwa 60 Prozent der Umsätze von Festnetzbetreibern auf Sprachdienste entfielen, 2010 sollen es nur noch zirka 40 Prozent sein. Das ist immer noch das größte Stück des Umsatzkuchens und verdeutlicht die enorme wirtschaftliche Bedeutung dieses Segments.

Stark wachsen werden Umsätze mit Breitbanddiensten und NGN-Datendiensten. Auf sie entfiel 2005 ein Marktanteil von zirka 30 Prozent. Den Prognosen zufolge soll er im Jahr 2010 auf rund 44 Prozent wachsen.

Mittel- und langfristig bedeutet die Migration der Telefonie, dass es nur noch eine Plattform im Zugangsnetz des Betreibers geben wird. Die Grundlage bildet eine intelligente Ethernet/IP-Access-Technik, welche die Umsetzung zu den vorhanden POTS- und ISDN-Endgeräten übernimmt.

Eine Möglichkeit besteht darin, ein zentrales VoIP-Gateway zu nutzen, das eine direkte Verbindung zur VoIP-Vermittlung (Softswitch) herstellt. Bei dieser zentralisierten Lösung wird im Zugangsnetz weiterhin das existierende TDM-Netzwerk genutzt.

Die zweite Variante ist ein im Access-Netz verteiltes, dezentrales Access-Gateway, das POTS- und ISDN-Anschlüsse zusammenfasst und die Schnittstelle zum VoIP-Netz bildet. In diesem Fall befindet sich lediglich auf der Anschlussleitung klassische POTS- und ISDN-Technologie. Das gesamte Übertragungsnetz dagegen arbeitet bereits auf IP/Ethernet-Basis. Hier ergeben sich für die Festnetzbetreiber im Vergleich zur bestehenden Technik erhebliche Einsparungen bei den Betriebskosten.

Die dritte Variante besteht darin, die POTS- und ISDN-Services komplett mit einem Gateway beim Endkunden zu realisieren und den Netzzugang komplett paketbasierend durchzuführen. Hieraus ergibt sich vor allem für ISPs die interessante Möglichkeit, nicht nur den High-Speed-Internet-Access über DSL anzubieten, sondern zusätzlich auch POTS- und ISDN-Dienste zu vermarkten.

In der vierten Variante schließlich spielen POTS und ISDN keine Rolle mehr. Hier geht es um die komplette Migration zu Voice over IP. Dazu müssen beim Endkunden die Telefone VoIP-fähig sein, oder PC-basierte Applikationen wie Soft-Phones können benutzt werden.

Der große Vorteil der ersten drei Varianten aus Sicht der Netzbetreiber: Sie können ihr Telekommunikationsnetz zu einem »All-IP-Netz« umbauen, ohne dass Privat- und Geschäftskunden ihre gewohnten Endgeräte, etwa DECT-Telefone oder ISDN-Nebenstellenanlagen, tauschen müssen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, den Endkunden NGN-Dienste anzubieten.

Deutlich komplexer als die Migration der Sprachservices ist die Migration der Mietleitungen. Den Ausgangspunkt bilden hier die heutigen PDH/SDH-Netze, in denen Direktverbindungen für Mietleitungen, etwa auf X.21-Basis, zur Verfügung stehen. Künftig werden »Circuit Emulation Services over Packet Switched Networks« (CESoPSN) oder »TDM over IP Services« dieselbe Funktion kostengünstiger anbieten.

Das bedeutet, dass Festnetzbetreiber auch leicht klassische Mietleitungsdienste über ein paketbasiertes Netz transportieren können und die Vielfalt an unterschiedlichen Systemen in der Übertragungstechnik reduziert wird.


Die Migration von Mietleitungen ist erheblich aufwändiger als die von Sprachverbindungen.

Dieser Migrationspfad orientiert sich bereits weitgehend an allgemein akzeptierten Standards (IETF, SAToP und CESoPSN). Die Services TDM over Packet und TDM over IP setzen allerdings ein qualitativ hochwertigeres Ethernet-Netzwerk voraus, als es heute vielfach vorhanden ist. Quality of Service umfasst hier Parameter wie geringe Laufzeitschwankungen und geringe Paketverlustraten, und das nicht nur im Access-, sondern auch im Kernbereich des Netzes.

Hinzu kommt der Aspekt der Synchronisation. Von Haus aus sind paketorientierte Netze nicht für die Übertragung von Synchronisationsinformation konzipiert.

Um dennoch eine synchronisierte Übertragung zu erzielen, gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann auf beiden Seiten ein Taktgeber installiert werden, oder es wird ein Algorithmus-gesteuertes Taktrückgewinnungsverfahren implementiert. Dies ist jedoch ein recht aufwändiges und komplexes Verfahren. Die Migration von Mietleitungen ist also vergleichsweise anspruchsvoll. Daher werden Festnetzbetreiber sie nur schrittweise in den nächsten Jahren vollziehen.


  1. Wie Festnetzbetreiber mithilfe von Next-Generation-Networks aus der Krise herauskommen können
  2. Dienstekontinuität und Next Generation Networks
  3. Migrationsszenarien

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