Berlin werde inzwischen international in einem Atemzug mit London, Tel Aviv oder dem Silicon Valley genannt, tönt BITKOM-Präsident Dieter Kempf. Ähm – nein, wird es nicht?
Das Starkreden der Hauptstadt hat hierzulande eine gewisse Tradition. Um Berlin eine ihm gebührende Bedeutung zu verleihen, wurden Kanzlerämter an die Spree verlagert und sogar Fußballregionalligisten in die Erstklassigkeit zwangsversetzt. Jüngst übten sich nun auch der BITKOM-Verband und der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) in der Disziplin Schönrederei, nämlich als sie Berlin zur deutschen Venture Capital-Hauptstadt kürten. Mehr als die Hälfte des deutschen Wagniskapitals für IT-Start-ups gehen demnach in die vermeintliche preußische Boomtown.
Für Nicht-Berliner dürfte das aber eine erschreckende Nachricht sein: Immerhin 133,3 Millionen Euro an Wagniskapital versenken demnach Venture Capitalists in der Stadt von Pleitebanken, Pannenflughafen und Langzeitarbeitslosigkeit.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Berlin mag der Hipster-Hotspot unter Deutschlands Städten sein. Aber wie das nun einmal bei besonders angesagten Städten so ist, funktioniert dort im Grunde nur ein Geschäftszweig: Tourismus. Und selbst das ist den Alteingesessenen nicht recht: Schwäbische Kreuzberg-Touristen werden von den Ortsansässigen durch die Stadt gejagt wie sonst nur barbusige Touristinnen in Hinteranatolien.
--- forum[x] ---Der Mythos Berlin lebt ja auch von einer eher diffusen Kreativitätsbehauptung, mit der sich praktisch kein Pfennig verdienen lässt. Das ist in etwa so wie bei Sony: Der einst recht klar profilierte IT-/UE-Anbieter ist seit seinem Umzug an den Potsdamer Platz eigentlich vor allem noch der Besitzer des Sony Centers. Was der Konzern sonst so macht? Vermutlich auch noch den besten Latte Macchiato der Stadt. Wie viel Euro aus dem Berliner Venture Capital-Topf inzwischen allein an Sony gehen, ließ sich leider nicht eruieren.
Berlin werde inzwischen international in einem Atemzug mit London, Tel Aviv oder dem Silicon Valley genannt, tönt BITKOM-Präsident Dieter Kempf. Ähm – nein, wird es nicht?