Immer mehr Lösungen sind gefragt, mit denen sich alle Daten-, Sprach- und Multimediaanwendungen sowie die Gebäudeautomation und die Maschinen- und Anlagensteuerung in eine durchgängige, einheitliche Verkabelung einbeziehen lassen. Doch gilt es, genau abzuwägen, ob eine solche Infrastruktur im konkreten Fall sinnvoll ist, welche Maßnahmen damit einhergehen und wie ein Unternehmen die Konvergenz auch intern abbilden kann.
Die Ethernet-Techniken haben sich vom LAN ausgehend in den letzten Jahren in viele andere Bereiche ausgebreitet: über die Telekommunikation und den Home-Bereich, die Gebäudeautomation bis in die Fertigung. Mit Fibre Channel over Ethernet (FCoE) bietet sich außerdem eine Möglichkeit, Speicherlandschaften so zu vernetzen, dass IT-Verantwortliche den gesamten Datenverkehr im Unternehmen über ein einheitliches Netzwerk abwickeln können.
Am weitesten fortgeschritten ist die Netzkonvergenz in den Glasfaser-Backbones der Unternehmen, die zum einen die einzelnen Gebäude untereinander und zum anderen die Verteiler auf den einzelnen Etagen miteinander verbinden. Die mehrfaserigen Lichtwellenleiter können problemlos nicht nur für die sichere Übertragung von Daten und Voice over IP (VoIP), sondern auch für diverse Sicherheitsanwendungen und die Gebäudeleittechnik genutzt werden. Viele Unternehmen haben zum Beispiel die Videoüberwachung, Zutrittskontrolle und Zeiterfassung sowie die Regelung und Schaltung abgesetzter Steuerungsstationen in die Glasfaser-Backbones integriert, indem sie einzelne Dienste und Anwendungen über verschiedene Fasern und Verteiler übertragen, also physisch voneinander getrennt.
Auf der Tertiärebene finden sich in EDV-Netzen zu weit über 90 Prozent Verkabelungen in Kupfertechnik. Um hier leistungsfähige, zukunftssichere Infrastrukturen zu schaffen, die sich auch für die Einbindung multimedialer Anwendungen wie Radio- und Fernsehübertragung eignen, sind heute üblicherweise sternförmige Büroanbindungen mit Kabeln der Kategorien 6A, 7 und 7A sowie einer entsprechenden Anschlusstechnik installiert. Die Installation einer durchgängigen Kupferverkabelung mit hohen Bandbreiten ist aber auch für andere Bereiche zu empfehlen, etwa für die Produktion. Eventuelle Umnutzungen einzelner Gebäudeteile oder eine zukünftige Integration anderer Netze in das Ethernet-LAN lassen sich dadurch beschleunigen und vereinfachen. Außerdem ist nicht vorauszusehen, ob nicht in Kürze ein PC neben einer Maschine aufgebaut werden muss, der ebenfalls einen leistungsfähigen Netzwerkanschluss benötigt. Ein variables Verkabelungssystem, das kaum einen Unterschied mehr zwischen Büro- oder Industriebereich macht, ist zum Beispiel das Variokeystone-System. Hier entscheidet nur der auf ein Kabelmodul aufsetzbare Stecker, ob das Kabel an eine Maschine oder eine Datendose im Büro angeschlossen werden soll.
Immer mehr Firmen betreiben mittlerweile ihre Büroanwendungen und Gebäudeleittechnik zusammen mit ihrer Anlagensteuerung in einem gemeinsamen Netzwerk. Das bestehende Ethernet-LAN nutzen die Firmen vor allem auf der Leitebene problemlos mit, da diese ohnehin zumeist in der Büroumgebung angesiedelt ist. Die komplette Gebäudeautomation bis zu den Aktoren und Sensoren über Ethernet anzusteuern, ist ebenfalls möglich - allerdings noch eine kostspielige Angelegenheit.
Auf der Zellenebene des Industrienetzes, die die Steuerungen (Speicherprogrammierbare Steuerung, SPS) mit dem Leitstand verbindet, hat sich Industrial Ethernet fest etabliert - bei freier Wahl der Netzwerktopologie und hoher Flexibilität. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Verkabelungslösungen, die sich am Konzept der strukturierten Verkabelung gemäß der geplanten Industrienorm ISO/IEC 24702 orientieren.
Im Industrial-Ethernet-Bereich bestehen häufig besondere Anforderungen an die Kabel und Steckverbinder. Je nach Umfeld und Einsatz müssen die Kabel zum Beispiel hitze-, säure- und ölbeständig sein, im Einzelfall auch schleppkettentauglich, und die Stecker gegen Staub, Spritzwasser und Korrosion geschützt werden.
Für die Verteilung setzen viele Unternehmen im Fertigungsbereich dezentrale Unterverteiler oder Industrieboxen ein. Sie sind mit industrietauglichen Switches bestückt, an die sich die SPSen anschließen lassen. Diese Industrieverteiler finden in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Maschinen und Anlagen Platz und werden häufig mit Glasfasern angefahren. Glasfasern bieten sich vor allem deshalb an, da sich damit sehr lange Strecken überbrücken lassen und sie - im Gegensatz zu vielen Kupferkabeln - auf denselben Trassen wie die Hochstromkabel verlegt werden können.
Auf der untersten Ebene der Industrienetze, der Feldbusebene, haben die Sensoren zur Aufnahme der Messdaten und die Aktoren zur Übermittlung der Sollgrößen an die Geräte ihren Platz. Sie sind entweder direkt oder über Feldbussysteme an die Steuerungen angeschlossen. Die Anbindung dieser Ebene an das Firmennetzwerk lässt sich unter anderem über Ethernet Gateways realisieren. Immer häufiger kommen hier aber auch Aktoren und Sensoren mit Ethernet-Schnittstellen zum Einsatz, die - wenn Echtzeitanforderungen bestehen - mittels Echtzeit-Ethernet angebunden sind. Der Weg geht also eindeutig in Richtung Verdrängung der Feldbusse, und zwar von oben nach unten.
Dazu trägt noch ein anderer Aspekt bei: Im industriellen Bereich besteht wie bei den IP-Telefonen im Büroumfeld wachsender Bedarf an Power-over-Ethernet-Lösungen (PoE). Häufig geht es darum, die WLAN-Access-Points in den Produktionshallen, die zum Beispiel die Daten von mobilen Handscannern ins Warenwirtschaftssystem weiter leiten, über die Verkabelung mit Strom zu versorgen. Auf der Fachmesse SPS/IPC/Drives wurden Ende letzten Jahres zum Beispiel erste Ethernet-fähige Sensoren mit Spannungsübertragung vorgestellt.
Einheitliche Netzwerke, die neben dem Büroumfeld und dem Storage-Bereich auch die Gebäudeautomation - oder Teile davon - sowie den industriellen Bereich integrieren, lassen sich nur dann realisieren, wenn sie kompetent geplant sind. Das betrifft die Verkabelung, aber auch die aktiven Geräte. Ein Beispiel dafür sind Firewalls. Maßnahmen gegen Viren, Trojaner und andere Bedrohungen aus dem Internet, die bislang nur das EDV-Netz umgetrieben haben. Sie gewinnen bei der Integration der Gebäudeautomation und Produktion in ein gemeinsames Netzwerk eine ganz neue Bedeutung. Der Übergang zum EDV-Netz sollte auf jeden Fall durch Firewalls gesichert sein.
Was im Storage-Bereich seit Jahren eine Selbstverständlichkeit ist, gilt spätestens mit dem Einzug der IP-Telefonie auch für EDV-Netze: Eigentlich müssten sie komplett redundant ausgelegt sein, um bei Störungen oder Wartungsarbeiten eine durchgehende Verfügbarkeit zu gewährleisten. Auch in EDV-Netzen wird dies dadurch erreicht, dass alle Switche redundant angeschlossen sind. Dasselbe gilt in der Gebäudetechnik. Denn der Ausfall einer Videoüberwachung oder einer Türöffnung, und sei es nur für eine Viertelstunde, ist sicher nicht nur in Kernkraftwerken ein Problem. Für ein Industrienetz sind wartungsbedingte Produktionsausfälle undenkbar. Das Problem dabei ist, dass sich nicht jeder PC, jedes Telefon und erst recht nicht jeder Sensor redundant anschließen lässt.
In konvergenten Netzen kommt es in der Praxis häufig zu einer Interessenskollision zwischen den firmeninternen Sicherheitsvorgaben und denen der Hersteller einzelner Geräte und Anlagen, die Service- und Wartungszugriffe benötigen. Während die IP-Adressvergabe in EDV-Netzen weitgehend automatisiert ist, müssen die Adressen in der Gebäudeautomation und in Industrienetzen, etwa für eine Lüftungsanlage oder einen Drucksensor, entweder einzeln per Hand oder mit Hilfe eines DHCP-Servers zugeteilt werden. Bei der Einrichtung der Benutzerstruktur müssen User-Namen vergeben und Zugriffsrechte verwaltet werden.
Nicht zuletzt gilt es, die Zuständigkeiten innerhalb einer Firma klar zu regeln und die Organisation gegebenenfalls neu zu strukturieren. Schon bei der Einführung einer Voice-over-IP-fähigen Telefonanlage kann es Grabenkämpfe geben, wenn der Leiter Kommunikation dem RZ-Leiter unterstellt werden soll. Und tatsächlich scheitern in der Praxis viele Projekte daran, dass die Netzkonvergenz intern nicht abgebildet wird. Sollen die Zuständigkeiten auf verschiedene Abteilungen verteilt bleiben, lässt sich das gemeinsame Netzwerk durch die Einrichtung von Subnetzen (Layer 3 und 4) aufteilen. Die jeweils benutzten Kabel und Anschlüsse lassen sich mechanisch gegen Zugriffe aus anderen Abteilungen schützen. Auf dem Markt sind Lösungen verfügbar, mit denen sich die einzelnen 19-Zoll-Bereiche in den Verteilern mechanisch abriegeln lassen und Zugriffe anderer Abteilungen auf die Patchung verhindern. Zudem können Handbücher zum korrekten Netzbetrieb den jeweiligen Verantwortlichen eine wertvolle Hilfe sein. Das gilt insbesondere für den Bereich Gebäudeautomation, für den ein gemeinsames Netzwerk eine neue Technik darstellt.