Communigate Pro 5.2 im Test

Alternative zu Exchange

16. März 2008, 23:52 Uhr | Elmar Török/pf

Große Unternehmen greifen bei Kommunikationsservern gern zu Microsoft Exchange, bei kleineren Unternehmen muss oft eine abgespeckte Lösung reichen. Dabei existieren genügend Alternativen, die zumindest in Teilbereichen dem großen Vorbild das Wasser reichen können. Communigate Pro zählt sicher dazu.

Communigate Pro von Communigate Systems (ehemals Stalker Software) bietet nicht nur die üblichen
E-Mailserver-Dienste an, sondern es enthält einen Instant-Messaging-(IM-)Server, zahlreiche
VoIP-Funktionen wie Voice-Box und Sprachmenüs sowie SMS-/MMS-Message-Routing. Darüber hinaus bietet
dieser Kommunikationsserver die Integration in Verzeichnisdienste und native
Exchange-Funktionalität durch eine MAPI-Schnittstelle. Dies alles ist für ein gutes Dutzend
Betriebssysteme verfügbar – angefangen bei Microsoft Windows über Sun Solaris, FreeBSD und diverse
Linux-Varianten bis zu AIX, BeOS, HP/UX oder OS/400 bis zu MacOS X und noch einigen mehr. Als
Clients sollen sich wirklich alle E-Mail-Programme verwenden lassen, die in den vergangenen Jahren
zumindest eine kleine Fan-Gemeinde gefunden haben. Dazu existieren noch ein Webmail-Interface in
sehr vielen Ausführungen – von bandbreitenintensiv bis frugal – sowie der herstellereigenen
Flash-Client "Pronto", dessen Funktionsumfang selbst fest installierte Mail-Clients in den Schatten
stellt. Als ob dies nicht schon genug wäre, lässt sich der Messagingserver bis ins kleinste Detail
konfigurieren.

Installation und erste Schritte

Der erste Kontakt mit der Benutzeroberfläche des Servers ist zumindest Ehrfurcht gebietend. Die
Entwickler haben eine streng hierarchiche Struktur gewählt, die immer weiter nach unten verzweigt.
Bei der Fülle an Möglichkeiten ist dies wohl auch kaum anders möglich. Dennoch sorgt die grafisch
sehr einfache und kaum unterteilte Anordnung zunächst für gehörigen Respekt beim Administrator.
Dabei hat alles so gut begonnen: Das Zip-Archiv für die Installation unter Windows ist lediglich in
ein Verzeichnis zu entpacken und anschließend der Installer zu starten. Abgesehen von den
Pfadangaben sind keine weiteren Eingaben nötig, und nach zwei bis drei Minuten ist der E-Mailserver
auf die Festplatte kopiert und installiert. Der Installer schließt mit der Frage, ob er den Dienst
starten soll. Ein "Ja" und schon läuft Communigate Pro 5.2. Im Test lief dies wirklich
rekordverdächtig schnell.

Der Hersteller hat komplett auf Icons oder spezielle Managementsoftware verzichtet, die
Bedienung läuft durchgehend über den Browser auf Port 8010 oder über HTTPS auf Port 9010. Die
Abweichung von den jeweiligen Standard-Port hat ihren Grund: Da Communigate Pro auf sehr vielen
Plattformen zum Einsatz kommt und daher nicht von garantierten Systemkomponenten ausgehen kann,
bringt die Software jedes Modul selbst mit – einschließlich des Webservers. LANline testete den
Kommunikationsserver auf einem Dell Poweredge 1500 mit 1,4-GHz-Xeon-Prozessor und 1 GByte RAM unter
Windows Server 2003 SP2. Zur Deinstallation muss der Administrator das Install-Programm noch einmal
starten, da die Software keinen Eintrag im entsprechenden Applet der Systemsteuerung hinterlässt.
Für einen ersten Test eignet sich übrigens auch eine vom Hersteller vorbereitete, Boot-fähige CD.
Dort ist mittels Slax-Linux bereits ein funktionsfähiger Communigate-Pro-Server aufgesetzt. Der
Downlaod findet sich unter
support.communigate.com/docs/CommuniGate-Bootable-Linux-CDROM-v1.4.iso.

Beim ersten Kontakt des Browsers mit dem Server zeigt Communigate Pro die Nutzungsbedingungen
und eine lange Liste mit unterstützten Sprachen an. Die gewünschte sollte der Anwender tunlichst
auswählen, denn diese Sprache gilt auch als Vorgabewert für den Server. Die richtige Sprachversion
ist vor allem dann wichtig, wenn der Anwender beispielsweise mit einem deutschen Outlook und MAPI
im Exchange-Modus arbeiten will: "Calendar" ist für den Computer etwas anderes als "Kalender", und
die Freigaben scheitern sonst an Sprachkonflikten.

Neben der Sprache ist an dieser Stelle auch das "Master"- oder vielmehr "Postmaster"-Kennwort
festzulegen. Anschließend muss sich der Administrator mit den eben festgelegten Daten erneut
anmelden und sieht sich zum ersten Mal mit der "Konfigurationswolke" von Communigate Pro
konfrontiert. Ein Wizard, der durch die ersten Schritte führen könnte, fehlt, sodass sich der
Administrator Hilfe suchend an das Handbuch wendet. Dort sorgen allerdings knapp 1400 (PDF-)Seiten
zunächst für ungläubiges Staunen. Zum Glück bietet Communigate Systems auch einen "Quick-Start
Guide" an, der aus der ersten Inbetriebnahme eine Art Sonntagsspaziergang macht: Postmaster-Login,
Benutzer-Accounts generieren – fertig. Der Anwender mag es kaum glauben, doch es stimmt
tatsächlich. All die "Konfigurationsorgien" – pro Postfach, pro Domäne, pro Template, Netzwerk oder
was sonst noch an Einstellmöglichkeiten existiert – stehen (fast) durchgehend auf sinnvollen
Standardwerten. Der einzige kritische Punkt ist die durchgehende Öffnung des SMTP-Servers für alle
Clients (Open Relay): Falls der Server direkt aus dem Internet erreichbar ist, sollte der
Administrator die zum E-Mail-Versand berechtigten Clients limitieren, zum Beispiel durch die
Einschränkung der erlaubten IP-Subnetze.

Client nach Wahl

Was am Anfang tatsächlich nötig ist, sind die Festlegung der Mail-Domäne sowie die ersten
Benutzer-Accounts. Bei Letztern genügt im Prinzip die Angabe der gewünschten E-Mail-Adresse samt
Passwort. Sofort danach kann die Abfrage per Webmailer oder POP3-/IMAP-Client erfolgen. Als
Mail-Clients kamen im Test Microsoft Outlook 2003 und 2007 ebenso zum Einsatz wie Thunderbird
2.0.0.0 und 2.0.0.9, Evolution und Kmail. Dabei zeigten sich keinerlei Kompatibilitätsprobleme –
Communigate Pro arbeitete im Test sowohl bei POP3- als auch bei IMAP-Postfächern klaglos mit allen
Clients zusammen. Auch die Webmailer konnten überzeugen. In puncto Funktionalität schneidet
Communigate Pro sogar besser ab als die "Idealkombination" aus Internet Explorer und Microsoft
Exchange. Und dies gilt unabhängig vom Browser: Im Test funktionierte der Zugriff auf E-Mails,
Dateien, und Kalender mit den Firefox-Versionen 2.0.0.3 und 2.0.0.12 ebenso gut wie mit dem
Internet Explorer 7 und Opera 9.25.

Analog zur Administrationsoberfläche existiert auch für Webmail eine unverschlüsselte (Port
8100) und eine verschlüsselte (Port 9100) Variante. Beim Einloggen kann der Benutzer unter einer
Handvoll "Skins" wählen, die nicht nur das Aussehen des Mail-Clients beeinflussen, sondern auch
dessen Funktion. So finden sich extrem abgespeckte Varianten für langsame Verbindungen und sehr
komfortable, grafisch ausgefeilte Skins für den Zugang über eine Breitbandanbindung. Das
Nonplusultra stellt allerdings der Flash-Client Pronto dar. Pronto lässt sich entweder über einen
Klick auf das große Pronto-Logo im Weblogin-Fenster starten, oder durch den Aufruf des Webmailers
mit angehängtem "Pronto": mail.domain.com:8100/ Pronto/.

Der Flash-Client ist nach anfänglicher Ladepause sehr schnell und schlägt auch "Outlook Web
Access" um Längen. Es finden sich die üblichen Bereiche für E-Mails, Kalender und Kontakte, aber
auch Optionen und Listen für ein- und ausgehende Anrufe samt Anrufumleitung. Zudem ist ein
RSS-Client eingebaut, der die zentral abonnierbaren RSS-Feeds des Servers anzeigt. Ein IM-Client
ist ebenfalls integriert sowie eine Dialer-Funktion, die allerdings tatsächlich den Internet
Explorer als Browser erfordert. Communigate Systems arbeitet derzeit an erweiterten
Media-Funktionen von Pronto, Im Moment sind Videos, Musikdateien, Fotos, ein Blog und eine Website
im Betastadium – sie sollen sich künftig über den Client verwalten lassen.

Administration und Integration

Auch wenn der Server schon nach wenigen Minuten einsatzbereit ist, kann der Administrator mit den diversen Feineinstellungen bei Bedarf auch Tage zubringen. Dies fängt bei den globalen Domäneneinstellungen an, wo 23 Dienste und acht Anmeldemethoden existieren, die sich einzeln freischalten lassen. Weiter geht es mit den üblichen Eckdaten wie maximale Kontogröße aber auch einem Limit für die Anzahl und Größe von Dateien, die jeder Benutzer per Webclient in seinem Postfach speichern darf. Es existieren Einstellungen für den Kalender, den Nachrichteneditor, die Namen der Ordner sowie Verschlüsselungsoptionen. Dies alles lässt sich auf Konto- beziehungsweise Benutzerebene noch einmal spezifizieren. Hinzu kommen diverse Optionen für den Umgang mit ein- und ausgehenden Anrufen. Wem dies alles nicht reicht, dem bietet Communigate Pro auch den direkten Zugang zum Server, sodass er nicht nur die Begrüßungsseite des Webmailers über Banner und Logo anpassen, sondern auch komplett editieren kann. Dies erfordert allerdings tiefere Eingriffe ins System, die Knowledge Base hält eine Anleitung parat.

Dabei waren die VoIP- und Festnetzoptionen von Communigate Pro noch nicht einmal Bestandteil dieses Tests – ebenso alle Arten von mobilen Clients, die das Produkt seit Version 5.2 auch mit "Over-the-Air"-Synchronisation unterstützt. Dies hätte den Rahmen dieses Beitrags deutlich gesprengt. Allerdings sind in dieser Hinsicht auch ein paar Schattenseiten des Kommunikationsservers zu vermelden: Eine einfache Anbindung an das Telefonnetz per ISDN-Karte ist nicht vorgesehen, Communigate Pro erfordert eine VoIP-fähige Telefonanlage, die als SIP-Proxy fungieren kann. Ein einfacher Weg, Faxe zu verschicken, wie es beispielsweise Tobits David (siehe
LANline 2/2007) beherrscht, besteht damit leider nicht.

Störender wirkt sich allerdings der Verzicht auf eine native Active-Directory-Anbindung aus. Communigate Pro unterstützt zwar LDAP und eine ganze Reihe von Authentifizierungsmaßnahmen, die Benutzer muss die Administration aber über das Webinterface des Servers anlegen. Geht es um sehr viele Einträge, bietet Communigate Pro eine Möglichkeit, exportierte Benutzerinformationen der ADS automatisch in die eigene Datenbank zu importieren. Synchronisieren lassen sich die beiden Verzeichnisse allerdings nicht, dies wäre gegebenenfalls über zusätzliche Software realisierbar.

Etwas komfortabler ist hingegen die Integration von Antiviren- und Anti-Spam-Software geregelt. Der Hersteller bietet eine ganze Reihe von Connectoren an, mit denen sich die Serverprodukte von McAfee, Sophos, Kaspersky, Cloudmark oder Spamcatcher an Communigate Pro anbinden lassen. Eine Readme-Datei liegt jedem Connector bei, damit der Administrator die richtigen Parameter eintragen kann. Im Test verwendeten wir Kaspersky Anti-Virus 6.0 für Windows Server, das auch anstandslos mit Communigate Pro zusammenarbeitete. Doch auch andere Spam- und Antiviren-Engines sind mit Communigate verknüpfbar. "Spamcop" beispielsweise benötigt lediglich die Angabe von "bl.spamcop.net? im Feld "Blacklisting DNS-Server" zur Aktivierung. Eine detaillierte Anleitung für das Exim-Gateway wiederum findet sich unter
www.howtoforge.com/mailscanner-exim-gateway-with-communigate-pro.

Ein spezieller Aspekt dieses Tests lag auf der Verwendung des Kommunikationsservers als Alternative zu Microsoft Exchange und damit den Nutzungsmöglichkeiten des "Standard"-Clients Outlook in Verbindung mit Communigate Pro. Der Hersteller bietet dafür einen MAPI-Connector an, der die Outlook-Exchange-Kommunikation in ein für Communigate lesbares Format umwandelt. Dieser Connector ist auf jedem Client zu installieren, was aber ohne Benutzerintervention abläuft, sofern die benötigten Mail-Account-Daten wie Benutzername und Server über eine Gruppenrichtlinie konfiguriert sind.

So gut wie Exchange?

Hervorzuheben ist, dass Communigate Pro den Outlook-Zugriff auf den Server über eine
SSL/TLS-verschlüsselte Verbindung erlaubt. Im Gegensatz zu Exchange läuft die Kommunikation nur
über einen einzigen Port (143), der sich problemlos durch eine Firewall tunneln lässt. So ist der
geschützte Remote-Zugriff auf E-Mail- und andere Daten auch ohne dediziertes VPN möglich. Dies ist
ein echtes Plus bei kleinen Unternehmen, die kein IPSec-Gateway einrichten können oder wollen.

In der Benutzeroberfläche des Connectors lassen sich Daten und Einstellungen auch nachträglich
editieren. Wichtig ist dies vor allem bei den freigegebenen Ordnern: Die Anwender müssen die
erlaubten Benutzer oder Gruppen definieren, damit das Sharing funktioniert. Anschließend
präsentiert sich Outlook tatsächlich so, wie es auch aus reinen Microsoft-Umgebungen bekannt ist.
Öffentliche Ordner, Einladungen zu Meetings mit mehreren Benutzern, Replikation und Offline-Modus –
Communigate Pro verblüfft tatsächlich durch eine Exchange zumindest sehr nahekommende
Grundfunktionalität. Dies mag anders aussehen, sobald es ans "Eingemachte" wie etwa spezifische
Formulare geht. Für die Basis-Collaboration ist Communigate Pro jedenfalls ein leistungsfähiger
Exchange-Ersatz – und ein günstiger zudem: Die "Community Edition" ist für bis zu fünf Benutzer
sogar kostenlos, der Download von der Website des Herstellers genügt. Die kommerziellen Lizenzen
sind ebenfalls preisgünstiger als bei Microsoft: 25 Benutzer kosten etwa so viel wie fünf Benutzer
bei Exchange.

Fazit

Communigate Pro ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen interessant, die ähnliche
Funktionen wie Exchange suchen, aber nicht unbedingt eine reine Microsoft-Umgebung einsetzen. Die
große Bandbreite an unterstützten Betriebssystemplattformen und der außerordentliche
Funktionsumfang erlauben – kenntnisreiche Administratoren vorausgesetzt – eine hervorragend
angepasste Kommunikationslösung. Auch sehr kleine Unternehmen profitieren von den klassischen
Grundfunktionen, wenn sie sich nicht vom ersten Blick auf die überbordende Feature-Liste
abschrecken lassen.

Info: Communigate Systems Tel.: 08192/99733-0 Web:
www.communigate.com


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