Nach nur anderthalb Jahren hat das Führungsduo Patricia Russo und Serge Tchuruk bei dem transatlantischen Merger Alcatel-Lucent das Handtuch geworfen. Doch für die meisten Analysten ist eine Ablösung auf der Topetage des Netzwerkriesen keine ausreichende Problemlösung.
Nach sechs Verlustquartalen in Folge haben die 56-jährige Patricia Russo und der 70-jährige
Serge Tchuruk ihren Rücktritt eingereicht. Gerüchte darüber gab es schon lange, denn statt der
erhofften Synergien des transatlantischen Mergers gab es bislang nur Kostenkonsolidierung – zu
Deutsch: Entlassungen. So mussten bislang insgesamt 16.500 Mitarbeiter ihren Hut nehmen, die
meisten davon in den USA.
"Der Laden ist ein Desaster, aber es ist fraglich, ob überhaupt jemand in der Lage ist, den
Moloch auf Kurs zu bringen", fürchtet Emanuele Vizzini vom italienischen Fund-Manager Investori Sgr
in Mailand. Das deckt sich mit der Einschätzung von Matthieu Bordeaux-Groult vom Pariser
Investment-Unternehmen Richelieu Finance: "Der delikate Merger wurde nie richtig transparent
gemacht, beide haben immer nur etwas versprochen, aber nichts gehalten."
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eröffnet neuen Campus in Stuttgart
http://llschnuerer.cmpdm.de//sites/cz/articles/nokia_siemens_networks_und_alcatel-lucent_unter_druck__ericsson_profitiert:/2007043/31261193_ha_CZ.html?thes=">Nokia
Siemens Networks und Alcatel-Lucent unter Druck – Ericsson profitiert
http://llschnuerer.cmpdm.de//sites/cz/articles/alcatel-lucent_zeigt_architektur_fuer_ip-basierten_mobilfunk:/2007042/31256384_ha_CZ.html?thes=">Alcatel-Lucent
zeigt Architektur für IP-basierten Mobilfunk
Nach Ansicht vieler Analysten hat es vor allem der Lucent-Teil nicht geschafft, seine einstigen
Marktvorteile im Bereich des Mobilfunkstandards CDMA auszunutzen. Hier ist der Konzern inzwischen
derart unter Preisdruck des chinesischen Herstellers Huawei Technologies geraten, dass man nur noch
unter Preis verkaufen kann. Gartner sagt bereits ein Marktschrumpfen von 8,4 Prozent bis 2012
voraus, welches vor allem auf Preisrückgänge zurückzuführen sei.
Doch die anderen westlichen Hauptkonkurrenten, allen voran Ericsson und Nokia, konnten sich
bislang gut gegen die Chinesen behaupten. "Das ganze ist ein reines Alcatel-Lucent-Problem, das
nichts mit dem Markt und nur wenig mit dem Topmanagement zu tun hat", sagt Nicholas von
Stackelberg, Analyst bei Sal. Oppenheimer. Auch Richard Windsor, Analyst bei Nomura Securities,
sieht die Probleme hausgemacht: "Offen gesagt, der Laden ist desolat organisiert und wird miserabel
geführt – und zwar auf allen Ebenen."
Schon im Februar hatte Russo eingeräumt, dass es mit den Früchten der Fusion noch sehr lange
dauern kann. "Wir sehen das in einem Dreijahres-Zeitraum", sagte sie damals über den geplanten
Zeithorizont. Und passend zur US-Wirtschaftskrise schob sie den schwarzen Peter an die
Hypothekenbanken weiter: "Die Kreditprobleme reichen viel tiefer als ursprünglich angenommen und
wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen es insgesamt haben wird", lautete ihre dumpfe Vorahnung
auf noch schlechtere Zeiten.
Die schlechten Zeiten sind auch eingetreten, doch die Verknüpfung mit den Häuslebauern nimmt ihr
niemand mehr ab. "Verizon und die anderen TK-Anbieter investieren Milliarden, aber nicht mehr zu
den Preisen von früher", sagt Ovum-Analyst John Delaney. Er vergleicht den Misserfolg des Mergers
mit dem Fall Daimler-Chrysler: Beides war ein so genannter "Merger of Equals" (Fusion von Gleichen)
und bei beiden ging es um eine transatlantische Megafusion. "Es zeigt sich, dass die kulturellen
und die Business-Differenzen zu groß sind um daraus ein erfolgreiches globales Unternehmen zu
schmieden", lautet sein Fazit.
Andere vergleichen die Situation bei Alcatel-Lucent mit dem Megamerger von HP und Compaq unter
der Regie von Carly Fiorina. "Auf dem Papier sieht so etwas immer wunderbar aus, aber alles steht
und fällt mit der Umsetzung und der Ausführung, hier kommt es vor allem darauf an, die Topleute aus
beiden Unternehmen an Bord zu behalten", meint John Slack, Analyst bei Morningstar Securities in
Chicago.
Unterdessen hat Carly Fiorina ihrer ehemaligen Top-Kollegin Russo ebenfalls ein schlechtes
Zeugnis ausgestellt: "Pat hat es leider nicht geschafft die beiden extrem unterschiedlichen
Unternehmen zu integrieren und die Kosten in den Griff zu bekommen", lautete jüngst ihr
Vorwurf.
Noch ist kein Nachfolger für Russo und Tchuruk benannt worden – Fiorina könnte sich also selbst
um den CEO-Job bewerben und dann beweisen, dass sie es besser kann.
Harald Weiss/CZ/pk