Outsourcing von Business-Transaktionen

B2B-Prozesse richtig auslagern

16. Juli 2008, 22:56 Uhr | Jörg Geilgens, Michael Heesen/wg Jörg Geilgens arbeitet als Manager Sales Engineering und Michael Heesen als Client Relations Manager bei Sterling Commerce.

Traditionell ist die Steuerung unternehmensübergreifender Prozesse wie EDI (Electronic Data Interchange) im Unternehmen angesiedelt. Dies verschlingt interne Ressourcen, die eigentlich für das Kerngeschäft dringend gebraucht werden. Laut Gartner verwenden Unternehmen über 75 Prozent ihrer IT-Jahresbudgets für den laufenden Betrieb der IT-Infrastruktur. So verwundert es nicht, dass viele Unternehmen versuchen, gerade solche Prozesse wie EDI im Rahmen von Managed-Services auszulagern.

Welche Business-to-Business-(B2B-)Prozesse lassen sich einfach und sinnvoll auslagern?
Managed-Services treten besonders häufig in Bereichen auf, die von hoher Standardisierung geprägt
sind. Ihre konkrete Ausgestaltung unterscheidet sich je nach Fokus der Anbieter und den
Gegebenheiten der jeweiligen Branchen- und IT-Segmente. Für das B2B-Umfeld lassen sich folgende
geschäftskritische Prozesse ausmachen: B2B-Kommunikation, Electronic Data Interchange (EDI),
Supply-Chain-Nachverfolgung, elektronische Rechnungsstellung und Order-Management.

Ein Kommunikations-Hub umfasst bestimmte B2B-Protokolle, die Anbindung an Marktplätze oder an
Mehrwertnetze (Value-Added Networks, VANs). Dabei betrifft das Outsourcing nur die physische
Anbindung an die Partner und nicht den Inhalt der Nachricht. Der Anwender selbst unterhält nur eine
Kommunikationsverbindung zu seinem Anbieter, während dieser die gesamte heterogene Landschaft in
Eigenregie steuert.

Inhaltsbezogenes Outsourcing

Ausgelagerte EDI-Dienste nehmen Bestellungen oder Rechnungen der Partnerunternehmen im
jeweiligen Format entgegen und übersetzen diese in das Format des Anwenders. Eine vollständige
Integration in das Anwendersystem ist dabei unverzichtbar, um die übersetzten Daten im Hause
weiterverarbeiten zu können. Wer kein eigenes Warenwirtschaftssystem (ERP) besitzt, kann den
Datenaustausch via Web-EDI betreiben. Die Dateneingabe erfolgt hier über ein Formular, das der
Provider dann in das Format des Partnerunternehmens zur Weiterverarbeitung umwandelt.

Unternehmen, die eine Vielzahl an Transaktionen pro Tag abwickeln müssen, können den Überblick
über die geamte Lieferkette an ein Drittunternehmen auslagern. So genannte
Supply-Chain-Visibility-Services stellen Vorgänge, die logisch miteinander verknüpft sind
(Bestellung, Bestellbestätigung, Lieferanweisung etc.), konsolidiert als einen Vorgang dar. Bei der
elektronischen Rechnungsstellung ("E-Invoicing") werden die erzeugten Rechnungsdaten in einen
Datencontainer gepackt und verschlüsselt an den Provider übertragen, der die signierten Rechnungen
an den Empfänger überträgt. Für die Gesetzeskonformität beim Rechnungssteller sorgt in der Regel
eine Applikation, die Signaturprüfung und Dokumentation übernimmt.

Auch reine Bestellprozesse lassen sich über einen klassischen Webshop sinnvoll auslagern. Gute
Systeme lösen nachgelagerte Prozesse bei einer Bestellung automatisch aus, kennen also die gesamte
Produktkonfiguration und starten entsprechende Bestellprozesse mit unterschiedlichen
Zulieferern.

Augen offenhalten bei der Partnerwahl

Sind die Prozesse zur Auslagerung definiert, stellt sich gleich die Frage nach dem richtigen
Anbieter. Dabei haben sinkende Eintrittsbarrieren und die steigende Nachfrage einen
Anbieterdschungel geschaffen, der die Suche nach dem richtigen Partner erheblich erschwert. Der
Preis allein stellt noch keine Orientierungshilfe dar. Wie im Konsumgütermarkt ist auch hier der
Billigste nicht immer der Beste. Kompetenz, Erfahrung, lokale Präsenz und finanzielle Stabilität
sollte der Provider schon mitbringen. Besonderes Augenmerk gilt dem Standort: Hat der Outsourcer
seinen Rechtssitz auf den Philippinen, gelten womöglich völlig andere Rechtsgrundlagen als in
Deutschland.

Wichtig für einen Global Player: Je internationaler ein Projekt, desto mehr Netze, Protokolle
und rechtliche Grundlagen treten auf. Ein Provider muss den Anforderungen internationaler Prozesse
Rechnung tragen können. Idealerweise hat der Anbieter die eingesetzte Software selbst entwickelt
und verfügt über ein eigenes Netzwerk. Der Vorteil: Anders als Outsourcer, die Datennetze lediglich
mieten, eine bestimmte Software kaufen und ihr Angebot darauf aufbauen, verantworten
Full-Service-Provider alle für den B2B-Prozess notwendigen Komponenten, weil sie selbst keinen
weiteren Dienstleister beauftragen müssen. Das erleichtert die Störungsbehebung.

Selbstverständlich haben unterschiedliche Firmen unterschiedliche Bedürfnisse. Dennoch gibt es
allgemeine Punkte, die jeder beachten sollte, bevor er unternehmenskritische Prozesse an einen
Managed-Service-Provider (MSP) vergibt.

Das Netzwerk des Providers ist entscheidend

International agierende Unternehmen, die Geschäftsdokumente wie Rechnungen und Bestellungen über
zahlreiche Netze gesichert übertragen müssen, entscheiden sich verstärkt für die
Outsourcing-Variante des B2B-Kommunikations-Hubs – eine einleuchtende Strategie, betrachtet man den
weltweiten Wildwuchs an Datennetzen. So gibt es nur wenige Anbieter, die mit internationalen Netzen
aufwarten, während in den einzelnen Ländern viele Teilnetzwerke betrieben werden. Zudem schlagen
Transaktionen über verschiedene Netze in unterschiedlichen Ländern mit zusätzlichen Kosten zu
Buche.

Doch es reicht bei weitem nicht aus, einfach einen international aktiven Dienstleister
auszuwählen. Wer seinen Kommunikations-Hub auslagern will, muss darauf achten, dass der MSP
entsprechende Interconnects zu allen VANs und Datennetzen weltweit unterhält, um sämtliche Partner
erreichen können. Zudem sollte er unterschiedliche Protokolle unterstützen und eine sichere
Umgebung bieten. Ein Blick in das Rechenzentrum des Providers liefert meist wertvolle Aufschlüsse
über Kapazität, Verfügbarkeit und Performance. Auch sollte man nicht versäumen, sich über
vorhandene Sicherheitskonzepte aufklären zu lassen.

Im Rahmen des inhaltsbasierten Datenaustauschs via EDI spielt vor allem die Erfahrung des
Anbieters mit den einzelnen Formaten eine große Rolle. Global tätige Unternehmen müssen darauf
achten, dass der MSP alle Formate unterstützt, die der Markt hergibt, und nicht nur die wenigen
deutschen Standards.

Prozess-Outsourcing braucht Kontrolle

Beim Prozess-Outsourcing vergibt ein Unternehmen sowohl die Anbindung an den Partner als auch
den inhaltsbasierten EDI-Datenaustausch an den Provider. Dieser regelt sämtliche Austausch- und
Kommunikationsfunktionen. Doch möchten viele Unternehmen weiterhin Einsicht in die einzelnen
Vorgänge erhalten und eine gewisse Kontrollfunktion behalten. Unternehmen müssen darauf achten,
dass der MSP geeignete Überwachungsfunktionen bereitstellt. Diese sollten sinnvollerweise einfach
zu handhaben und webbasierend sein. Wünschenswert ist die Möglichkeit, nicht nur einzelne
Transaktionen, sondern den gesamten Prozessablauf darzustellen.

Die elektronische Rechnungsstellung ist bereits seit einiger Zeit ein viel diskutiertes Thema.
Nur wenige haben einen vollständigen Überblick über alle nationalen Rechtsgrundlagen. Deshalb muss
ein MSP Erfahrung bei der Abwicklung internationaler Projekte mitbringen – meist mit einer
versierten Rechtsabteilung im Gepäck. Im Optimalfall erhalten die Anwender eine so genannte
Compliance Map, die auflistet, welche rechtlichen Fragen im Rahmen der Kommunikation zwischen
bestimmten Ländern zu klären sind.

Außerdem sollten IT-Abteilungen weitere allgemeine Dienste in Betracht ziehen, die für jedes
Outsourcing-Projekt von großer Bedeutung sind: Welcher Dienst oder Prozess auch immer extern
vergeben wird, stets müssen Monitoring-Funktionen damit einhergehen. Über ein Web-Frontend lassen
sich Vorgänge oder versendete Dokumente nochmals einsehen. Eine Alerting-Funktion warnt vor
Verzögerungen oder Fehlern bei der Verarbeitung. Status-Reports informieren über die Anzahl
eingegangener oder versendeter Nachrichten innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Auch über die
Vorhaltezeit der Logs und die Archivierung der Hierarchien sollten sich die Unternehmen Gedanken
machen. Lohnt sich die Archivierung bei einem externen Dienstleister überhaupt, wenn die
gesetzliche Vorhaltezeit in der Regel zehn Jahre beträgt, der Vertrag mit dem MSP aber meist nur
über zwei bis fünf Jahre läuft?

Finger weg von FTP bei der Integration

Wie sollte die Kommunikation mit dem Outsourcer im Idealfall ablaufen? Was ist bei der
Integration zu beachten? Eine transaktionale, synchrone Kopplung ebnet einer erfolgreichen
Integration den Weg. Vorsicht ist jedoch bei der Kommunikation via FTP geboten: Dieses
Datentransferprotokoll überträgt Kennungen und Daten nur unverschlüsselt und bietet keine
Automation.

Das Problem: Ohne einen entsprechenden Automatonsgrad lassen sich keine vernünftigen SLAs
(Service-Level-Agreements) aufsetzen. Aber wo genau fängt nun das Service-Level an, wenn ein
Anbieter nicht bestätigen kann, dass er eintreffende Daten verarbeitet?

Gerne fallen die Unternehmen bei den SLAs auf geschönte Floskeln wie "99,99 Prozent
Verfügbarkeit des Rechenzentrums" herein. 99,99 Prozent Verfügbarkeit heißt jedoch, dass das
Rechenzentrum jährlich ein paar Stunden ausfallen kann. Was passiert, wenn genau dann eine
millionenschwere Bestellung eintrifft?

Wer hier nicht in der Lage ist, entsprechend zu reagieren, dem drohen gewaltige Umsatzeinbußen.
SLAs im Rahmen von Outsourcing-Projekten müssen deshalb die Nachrichtenebene und nicht die
RZ-Verfügbarkeit umfassen: Der Anbieter garantiert beispielsweise, eine Nachricht innerhalb einer
definierten Zeitspanne zu bearbeiten.

Hochverfügbares RZ mit Disaster Recovery gefordert

In Zeiten der Globalisierung muss ein leistungsstarker MSP ein hochverfügbares RZ mit Disaster
Recovery unterhalten, sodass sämtliche Dienste im Katastrophenfall über einen anderen Standort
ausführbar sind. Eine Service-Hotline, die täglich rund um die Uhr und in mehreren Sprachen
erreichbar ist, stellt dabei sicher, dass immer die richtigen Ansprechpartner in den verschiedenen
Zeitzonen erreichbar sind.

"Big Bang" bei der Umstellung vermeiden

Wichtig bei der Entscheidung für einen Managed-Service: Die Umstellung sollte in sinnvollen
Projektschritten erfolgen. Nur so können die Partner sicher an die neue Lösung angeschlossen
werden.

Vorsicht ist besonders beim EDI-Outsourcing geboten: Heutzutage wickeln die Unternehmen bis zu
70 Prozent ihrer Bestellungen über dieses Verfahren ab. Bevor aber der Provider Kunden und Partner
an den Dienst anbindet, muss eine sichere Verbindung zum Anwender stehen.

Zudem ist ein sinnvolles Projektmanagement unverzichtbar. Es kann bis zu 25 Prozent der
Projektdauer ausmachen. Multinationalen Projekten sollten zudem ein Projektleiter sowie
Verantwortliche in den einzelnen Ländern vorsitzen.

Der Aufbau einer Handelsgemeinschaft scheitert häufig noch an der unkoordinierten Kommunikation
zwischen den Parteien. Oft kontaktieren die Anwender ihre Partner im Vorfeld, während der
Outsourcer davon nichts weiß und ebenfalls Kommunikationsmaßnahmen startet. Zuständigkeiten müssen
deshalb im Vorfeld abgeklärt sein, damit die Umstellung reibungslos erfolgen kann.

Outsourcing heißt nicht, die Verantwortung komplett an den Provider abzugeben. Besonders bei
Schnittstellen in das ERP-System bleibt immer noch ein Quäntchen Zuständigkeit beim Anwender. Auch
müssen die Parteien Ansprechpartner und Mittler benennen, die bei Störungen sofort reagieren und
die Informationen in die entsprechenden Abteilungen vermitteln.

Fazit: Managed-Services entlasten die Inhouse-IT

Via Managed-Services ausgelagerte IT-Funktionen können die Inhouse-IT ein gutes Stück entlasten
und setzen Ressourcen für das Kerngeschäft frei. Doch ihr Einsatz muss im Vorfeld gut überlegt und
geplant sein. Nur wer dabei auf den richtigen MSP setzt, kann das Potenzial ausgelagerter Dienste
voll nutzen. Dabei sollten Unternehmen besonders darauf achten, dass auch ihre individuellen
Anforderungen beispielsweise bei internationalen Projekten berücksichtigt werden und der
Dienstleister sämtliche dieser Parameter abdecken kann.


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