Interview mit Dr. Christ Tuppen zu seinem Modell für umweltfreundliches Wirtschaften

BT-Umweltdirektor: Wachstum und Emissionsreduktion in Relation setzen

9. Juni 2008, 22:57 Uhr |

Der international tätige Carrier BT, hierzulande vertreten als BT Germany, will seine Treibhausgasemissionen bis 2020 weltweit gegenüber 1996 um 80 Prozent senken. Dr. Chris Tuppen, BTs Director of Sustainable Development, hat vor diesem Hintergrund ein neues Modell zur Beurteilung von Emissionen vorgestellt. LANline sprach mit Dr. Tuppen über sein Modell und umweltfreundliches Wirtschaften.

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LANline: Dr. Tuppen, Sie haben ein Modell zur Ermittlung eines Werts namens "Climate
Stabilisation Intensity" (CSI) erarbeitet. Warum brauchen wir solch ein CSI-Modell?

Tuppen: Der Stern Report und der UN-Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)
haben die Dringlichkeit gezeigt, die CO2-Emissionen weltweit bis 2050 zu halbieren. 2008 wird der
CO2-Ausstoß bei rund 47 Gigatonnen liegen. Wenn wir weitermachen wie gewohnt, wird sich der Ausstoß
an Treibhausgasen bis 2050 fast verdoppeln. Je später man das Ziel angeht, die Emissionen bis 2050
auf die Hälfte des Wertes von 1990 zu reduzieren, desto schwieriger wird der Umschwung.

LANline: Wie stellt sich der Zusammenhang zwischen Weltwirtschaft und CO2-Emissionen (CO2e)
dar?

Tuppen: Die weltweiten CO2-Emissionen sind großteils Folge der Aktivitäten von Unternehmen.
Ausdrücken lässt sich dies im Verhältnis der CO2-Emissionen zum Bruttosozialprodukt (BSP). Heute
liegen wir weltweit bei 1,67 kg CO2e pro britischem Pfund (also rund 1,34 kg CO2e pro Euro, Anm. d.
Red.). Dieser Wert lag Anfang der 1990er-Jahre noch bei weit über 2,50 kg CO2e pro Pfund und ist
seitdem, wenn auch mit Schwankungen, rückläufig – aber nicht schnell genug. Wir müssen diesen Wert
bis 2050 um 9,6 Prozent pro Jahr senken, wenn wir das Ziel der Emissionshalbierung bis 2050
erreichen wollen.

LANline: Inwiefern ist der CSI-Wert aussagekräftiger als die Betrachtung der CO2-Emissionen an
sich?

Tuppen: Die Politik beschränkt sich heute einseitig auf die reinen CO2-Emissionswerte. Dies
führt zu Diskussionen zum Beispiel mit Schwellenländern, die das Niveau westlicher Nationen
erreichen und dazu ihren CO2-Ausstoß durchaus noch erhöhen wollen. Diskutiert man den Wert
CO2e/BSP, dann lässt dies Spielräume, das Wirtschaftswachstum mit einzurechnen, sowohl auf
nationaler wie auch auf Unternehmensebene.

LANline: Was bedeutet dies für ein Einzelunternehmen?

Tuppen: Der Beitrag eines Unternehmens zum BSP ist definiert als der geleistete Mehrwert, also
Gewinn vor Steuern (EBITDA) plus Personalkosten, anders formuliert: Umsatz minus Kosten für
zugekaufte Güter und Dienste. Ein Unternehmen sollte danach streben, den CSI-Wert "CO2-Ausstoß pro
erzieltem Mehrwert" bis 2050 kontinuierlich um jährlich mindestens 9,6 Prozent zu senken.

LANline: Wie steht BT in puncto CO2e pro Mehrwert da?

Tuppen: Im Jahr 1996, unserer Baseline, lag dieser Wert weltweit bei über 2,0 kg CO2e/Pfund, BTs
Wert hingegen bei nur zirka 0,17. Das heißt, BT wirtschaftete bereits damals mehr als zehnmal
CO2-effizienter als ein Durchschnittsunternehmen.

LANline: … wobei BT als Carrier und IT-Dienstleister allerdings auch nicht, sagen wir mal:
Aluminium schmelzen muss…

Tuppen: Richtig. Vergleichswerte anderer Carrier liegen mir aber nicht vor. Jedenfalls hat BT
seit 1996 seinen CSI-Wert schneller gesenkt als der weltweite Durchschnitt. Unser erklärtes Ziel
ist eine Reduktion des CSI-Wertes bis 2020 um 80 Prozent gegenüber 1996. Hier sind wir bereits auf
bestem Wege. Um 2020 herum muss die Weltwirtschaft mit uns aufgeschlossen haben, um das für 2050
gesteckte Ziel zu erreichen.

LANline: Welche Maßnahmen ergreift BT, um seinen CO2- Ausstoß weiter zu senken?

Tuppen: Drei Bereiche stehen im Vordergrund: erstens die Steigerung der Energieeffizienz bei BTs
weltweitem Netzwerk, den Liegenschaften, dem Reiseaufkommen und Fuhrpark. Zweitens bauen wir
Kraftwerke für erneuerbare Energie vor Ort, so ein 250-MW-Windkraftwerk in UK bis 2016 und ein
großes Fotovoltaik-Array in Kalifornien. Drittens kaufen wir elektrische Energie aus CO2-armer
Produktion zu. Verträge dazu gibt es bereits in UK, Belgien, Deutschland und Italien.

LANline: BT will international wachsen. Wie sehen die CO2-Ziele für das Auslandsgeschäft
aus?

Tuppen: Der CO2-Ausstoß der BT-Geschäfte im Ausland wird bis zirka 2016 ansteigen, bevor sich
dieser Trend umkehren wird – was aber nichts über die Energieeffizienz dieser Niederlassungen
aussagt. Insgesamt wird auch rein numerisch der von BT weltweit verursachte CO2-Ausstoß weiterhin
deutlich sinken: von zirka 900 Kilotonnen heute auf unter 600 Kilotonnen 2020.

LANline: Vielen Dank für das Gespräch.

Laut Dr. Sebastian Brandis, COO von BT Germany, wird der von Tuppen erwähnte Umkehrpunkt in der
Verbrauchsentwicklung hierzulande in Kürze erreicht sein. Die deutsche BT-Landesorganisation hat
laut Brandis eine umfassende Reihe von Spar- und Effizienzsteigerungsmaßnahmen vorzuweisen: Eine
restriktive Reiseverordnung bevorzugt Bahn und öffentlichen Nahverkehr, fünf bis sechs Prozent der
BT-Germany-Mitarbeiter arbeiten generell, weitere 40 bis 50 Prozent gelegentlich von zu Hause
aus.

In puncto Effizenzsteigerung verweist er auf den Bau eines neuen Rechenzentrums in Hannover, das
im Herbst 2008 fertiggestellt sein soll und "streng nach neuesten Erkenntnissen zur
Energieeffizienz" geplant wird. Die Hauptverwaltung in München wird 2009 in ein neues Gebäude
umziehen und dann zum Beispiel grundwassergespeiste Kühldecken verwenden.

Laut Brandis bezieht BT Germany bereits seit zwei Jahren von seinem Energielieferanten
Vattenfall vertraglich zugesichert Energie komplett aus Wasserkraft. Zudem gebe es strenge
Einkaufskriterien bei IT-Komponenten wie Servern, Switches und Routern.

Intern werde derzeit ein Field Force Automation Tool entwickelt, das durch Routenoptimierung die
Kosten im Außendienst um 20 bis 30 Prozent senken und durch die verbesserte Logistik auch der
Umwelt zugutekommen soll. Das Werkzeug will BT dann auch vermarkten.

In UK bietet BT zudem einen Service zur Emissionsanalyse (Carbon Impact Analysis) an. Brandis
will in Kürze Mitarbeiter aus UK anreisen lassen, um diese Umweltanalyse für BT Germany durchführen
zu lassen. Ergebnisse sollen in wenigen Monaten vorliegen.

LANline/Dr. Wilhelm Greiner


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