Wer WLAN im Fertigungsbereich einsetzen will, benötigt ein Netz, das weitgehend vor Störungen geschützt ist und zudem eine gewisse Service-Qualität gewährleistet. Mittlerweile gibt es Entwicklungen wie Ihop, ein Kanalsprungverfahren von Siemens Industry Automation, die dafür sorgen, dass das Industrial WLAN stabil und störungsfrei arbeitet, selbst wenn am selben Ort andere WLAN-Anwendungen im Einsatz sind.
Die IEEE-Arbeitsgruppe 802.11 passt den Wireless-LAN-Standard kontinuierlich an die Bedürfnisse des Marktes an. Das betrifft die Forderung nach höherer Datensicherheit (802.11i) oder Wünsche nach höheren Datenraten (802.11b, g und neuerdings n mit bis zu 300 MBit/s) sowie den Betrieb im nicht sehr stark genutzten und damit störungssicheren Frequenzband bei 5 GHz (802.11a). Durch diese Flexibilität konnte sich WLAN in vielen Märkten etablieren. Ferner werden dabei über dasselbe Medium auch Sprache und Video übertragen übertragen. Damit steigt der allgemeine Nutzen für die Investition in die Funkinfrastruktur erheblich.
Im industriellen Umfeld eröffnen WLANs zum Beispiel überhaupt erst den ortsunabhängigen Zugang eines fahrerlosen Transportsystems zum Warenwirtschaftsystem (ERP-Ebene, Enterprise Resource Planning) und damit die Möglichkeit, logistische Abläufe deutlich zu beschleunigen und qualitativ zu verbessern. Wenn sich die Fertigungsprozesse heute an die kurzen Zyklen der Kundenwünsche anpassen müssen, dann ist eine flexible und schnell veränderbare Kommunikation nur von Vorteil. Bei den Anwendungen steht somit nicht die Einsparung von Leitungen im Vordergrund, sondern die Unterstützung von neuen, produktivitätssteigernden Abläufen, die bisher so nicht realisierbar waren. Das Einsparungspotenzial errechnet sich deshalb auch nicht über die Investitionskosten der Funkinfrastruktur, sondern über die Einsparungen bei den Prozesskosten. Beispielsweise reduzieren sich die Fehler bei der Kommissionierung, wenn diese mit dem Laptop statt wie früher mit Papier und Bleistift aufgenommen wird.
Die Funktechnik stößt mittlerweile selbst in Bereiche vor, die bisher nur drahtgebundenen Lösungen vorbehalten waren und in denen sogar der Einsatz eines Bussystems mit Skepsis betrachtet wurde: Denn heute akzeptieren einschlägige Genossenschaften und Zulassungsbehörden, dass auch sicherheitsgerichtete Signale wie Not-Halte drahtlos übertragen werden. Dies erleichtert zum Beispiel das Einrichten eines Roboters erheblich, weil der Techniker bei der Inbetriebnahme in der Teaching-Phase mit einem drahtlosen Bediengerät vor Ort den Roboter konfigurieren kann. So hat er den Not-Halt auf seinem drahtlosen Bediengerät und kann ihn nutzen, falls ihm der Roboter zu nahe kommen sollte.
Laut Hochrechnungen der Venture Development Corporation (VDC) in der Studie "Wireless Industrial Networking Infrastructure Products" aus dem Jahr 2007 sind 2008 bereits eine halbe Million industrielle WLAN-Geräte im Einsatz gewesen.
Doch der professionelle Einsatz von Funk in der Industrie unterscheidet sich grundsätzlich von den Anforderungen an die Technik für Heim und Büro. Abgesehen von einer breiten Standardisierung und der Verfügbarkeit von preiswerten Chipsätzen muss eine ausreichende Zuverlässigkeit der Funkverbindung geboten werden.
Dafür bietet sich das WLAN als Basistechnik an. Denn der Funkkanal erhält einen guten Schutz gegen Hochfrequenzstörungen, um so eine für die Anwendung planbare Güte bereitzustellen. So erreichen selbst die Oberwellen von üblichen elektromagnetischen Störungen nicht die 2,4- und 5-GHz-Frequenzbänder, in denen WLAN arbeitet. Bieten die Frequenzbehörden weltweit bei 2,4 GHz bis zu 13 Funkfrequenzen an, so erstreckt sich eine WLAN-Verbindung gleich über mehrere davon, wenn es das Modulationsverfahren Direct Sequence Spread Spectrum (DSSS) verwendet. Mit dem Modulationsverfahren namens Orthogonal Frequency Division Multiplex (OFDM) lässt sich neben einer höheren Datenrate zusätzlich die Redundanz steigern. Ferner arbeiten Unternehmen bei WLANs oft mit Antennendiversität, setzen also zwei Antennen zum Empfang eines Signals ein und begegnen damit den Problemen der Mehrwegeausbreitung. Im Gigahertz-Bereich wird nämlich dieselbe Wellenfront an metallischen Gegenständen unterschiedlich reflektiert und erreicht keineswegs zum selben Zeitpunkt den Empfänger. Vielmehr kommt dasselbe Bit zeitlich verzögert und mit unterschiedlicher Signalstärke aus unterschiedlichen Richtungen beim Empfänger an. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Arbeitsgruppe IEEE 802.11n neben einer weiteren Steigerung der Datenrate auf bis zu 300 MBit/s auch deutliche Verbesserungen beim Mehrwegeempfang spezifiziert hat (Multiple In Multiple Out, MIMO), die dazu führen, dass nicht nur zwei Antennen, sondern gleich drei pro WLAN-Gerät eingesetzt werden.
Für die Automatisierungstechnik benötigen die Standard-WLAN-Komponenten jedoch Anpassungen an die dort vorherrschenden Anforderungen, und zwar unter bestmöglicher Beachtung der Kompatibilität.
Ein heute besonders bei großen Firmen anzutreffendes Problem ist die Konkurrenz zwischen IT-Abteilung und Produktions- oder Fertigungsabteilung um die Vergabe der knappen Ressource "Funkfrequenzen". So ist die IT bestrebt, eine WLAN-Funkinfrastruktur aufzubauen, die flächendeckend Büromitarbeitern den Zugang ins hauseigene Firmennetz oder Gästen ins Internet erlaubt. Dieser Dienst erstreckt sich oft auch auf den Bereich von Produktion und Fertigung. Dabei ist sich die IT-Abteilung nicht darüber im Klaren, welche Funkanwendungen auf dem Firmengelände bereits betrieben werden. So kommt es nicht selten vor, dass beispielsweise ein industrielles WLAN für ein fahrerloses Transportsystem mit einem IT-WLAN kollidiert. Die Lösung erscheint trivial: Mit einer Funkfeldplanung, die die Bedürfnisse beider Abteilungen beachtet, sollten die Probleme aus der Welt zu schaffen sein. Wer aber die Mechanismen von Großunternehmen kennt, weiß, dass so etwas in der betrieblichen Praxis "im Dschungel der Kompetenzen" nicht so einfach ist.
Um diese Problematik ohne große abteilungsübergreifende Abstimmung zu lösen, erweiterte Siemens die Übertragungstechnik bei Industrie-WLANs (IWLAN) um das Kanalsprungverfahren Ihop. Dabei springt das Funksignal bei Bedarf und selbstlernend auf in diesem Moment ungenutzte Funkkanäle (Adaptive Channel Hopping) und ermöglicht eine "friedliche" Koexistenz mehrerer Anwendungen.
Insbesondere fahrerlose Transportsysteme nutzen vor allem kurze Datenpakete, die aber regelmäßig gesendet werden und ankommen müssen, um einen kontinuierlichen und reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Anders der Bedarf von Anwendungen aus der IT: Beim Zugriff auf das Internet sind die Pakete meist lang, und wenn ein Paket verloren geht, kann es zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden. Der Mechanismus Ihop ermöglicht es nun dem IWLAN, Zeitschlitze zu nutzen, in denen eine IT-WLAN-Verbindung nicht aktiv ist oder diese kurze "Störung" unbemerkt toleriert. Ihop verwendet also unbenutzte Lücken aus dem Frequenzband zu Zeiten, in denen dort nicht gesendet wird, und nutzt das Frequenzband sehr effizient und über die Möglichkeiten von IEEE 802.11 hinaus. Denn selbst, wenn eine IT-WLAN-Verbindung Daten austauscht, ist es keineswegs so, dass sie ständig Daten überträgt: Gerade Anwendungen wie Video oder Sprache verwenden Codecs (Coder/Decoder), die Verschlüsselungszeit benötigen und in dieser Zeit solche vermeintlichen Störungen durch IWLAN-Anwendungen problemlos kompensieren.
Die Robustheit des IWLANs gegen Störungen, die von anderen Geräten ausgehen, ist gerade im 2,4-GHz-Band wichtig, da dieser international verfügbare Frequenzbereich sich großer Beliebtheit erfreut und sich eine Vielzahl von Anwendungen darin tummeln können. So kämpfen manchmal IWLANs, die in der Nähe von Wohngebieten betrieben werden, mit dem Problem, dass abends Störungen auftreten, wenn die Bewohner der umliegenden Wohnsiedlungen im Internet surfen und die Frequenzen im 2,4-GHz-Band belegen. Solchen Privatnetzen ist auch durch eine vorangehende Funkfeldplanung schwer beizukommen, weil sie zum Zeitpunkt der Site Survey (Analyse der Funkkanäle) nicht in Betrieb sind.
Natürlich darf nicht verschwiegen werden, dass sich mit einer zunehmenden Auslastung des 2,4-GHz-Bandes auch die Freiheitsgrade für Ihop reduzieren. Denn das Verfahren verwendet sowohl einen Standard-WLAN-Chipsatz als auch das Standard-WLAN-Protokoll. Die einzige Erweiterung besteht darin, dass der Funkchip im Access Point kontinuierlich den Funkkanal analysiert und blitzschnell entscheidet, ob er diesen Kanal verlässt, weil vielleicht eine Hochfrequenzstörung die Qualität reduziert oder eine andere Verbindung diesen Sendekanal beansprucht.
Jeder Access Point im IWLAN entscheidet also für seine Übertragungen, ob der Kanal gewechselt werden soll. Wenn er dies tut, dann nimmt er seine Clients auf diesen neuen Kanal mit. Damit ist das Verfahren sehr verträglich mit anderen WLAN-Anwendungen und ist selbst relativ unempfindlich gegen Störungen. Denn er kann aktiv auf Störungen von anderen reagieren und bei Bedarf sogar in das 5-GHz-Band wechseln.
Trotz der Möglichkeiten, die dieses Verfahren bietet, ist für die industrielle Nutzung von Funktechnik eine professionelle Funkfeldplanung unerlässlich. Damit das System zuverlässig arbeitet, muss nicht nur die dafür passendste Übertragungstechnik gewählt werden, sondern die einzelnen Komponenten müssen abgestimmt auf die Umgebungsbedingungen platziert, installiert und konfiguriert sein. Damit reduziert sich das Risiko, dass im Betrieb Probleme auftreten erheblich. Der Planer ermittelt im Zuge einer Funkfeldanalyse, an welchen Orten oder zu welchen Zeiten andere Funksysteme aktiv sind und legt fest, welche Datenraten und Zykluszeiten zur Lösung der Aufgabe benötigt werden. Wichtig für die Planung ist auch, wie viele Teilnehmer über das Funkfeld zu bedienen sind. Aus diesen Parametern leitet sich ab, ob das Funkfeld überhaupt für den Bedarf ausreicht und wie viel Reserve für dynamische Effekte vorhanden ist. Denn IWLANs findet man bevorzugt in Bereichen, in denen sich Dinge bewegen oder schnell ändern. Hat der Planer eine professionelle Funkfeldplanung durchgeführt, erhält der Betreiber eine Dokumentation der Ergebnisse mit der Übergabe der Anlage.
Für industriell genutzte WLANs bietet sich der Weg über eine Erweiterung der Standardtechnik zur Anpassung an die vorherrschenden Gegebenheiten an. Wichtig ist, dass der Standard auch Ansatzpunkte für solche Erweiterung bietet, weil die speziellen Anforderungen der Industrie wie beispielsweise ein zyklischer und planbarer Datenverkehr sehr schwierig in einem großen Gremium wie dem IEEE umsetzbar sind. Diese Anforderungen lassen sich besser über Lieferanten aus der Industrie integrieren, die dazu ihr Wissen über die Wünsche ihrer Kunden und deren Anwendungen einbringen.
Info: Siemens Industry Automation Tel.: 0911/8950 Web: www.siemens.com/iwlan