Service-Desk-Lösung von Materna im Test

Ein Framework bitte!

14. Mai 2008, 22:00 Uhr | Thomas Bär/wg

Es gibt eine große Anzahl von ITIL-konformen Lösungen zur Organisation und Verwaltungen von IT-Prozessen. Auf über zehn Jahre Erfahrungen im IT-Service-Management (ITSM) kann das Dortmunder Unternehmen Materna zurückblicken, dessen Framework-Ansatz auf BMCs Remedy Action Request System (ARS) basiert.

Ohne eine Workflow-Engine, in der sich Prozesse, Abhängigkeiten, Status und Zuordnungen abbilden
lassen, ist eine ITSM-Lösung eine funktionslose Datenbank. Statt eine solche
Arbeitsablaufsteuerungssoftware, wie sie auf Deutsch genannt wird, selbst zu entwickeln, verwenden
die Softwaredesigner bei Materna ein vorhandenes und über die Jahre etabliertes System als
Grundlage: BMC Remedy. Beim BMC Remedy Action Request System handelt es sich um eine
Service-Process-Managementlösung, die unter einem einzigen Dach alle notwendigen Bestandteile wie
ein Workflow-System, Automationsfunkti-onen, eine CMDB (Configuration Management Database) und die
Administrationsoberfläche mitbringt. Neben Endkunden fokussiert BMC mit der Software auf
Unternehmen wie Materna, die auf dieser Basis eine Lösung entwickeln.

Im Hinblick auf die Systemumgebung ist die Software sehr flexibel: Der Remedy-ARS-Server kann
unter Linux, Windows, Solaris, HP-UX oder AIX laufen. Datenbankseitig unterstützt er Oracle,
Microsoft SQL, Informix, Sybase und IBM DB2. Die native Client-Software ist lediglich für Microsoft
Windows NT, 2000 und XP erhältlich – via Browser-Sitzung indes bedient die Lösung faktisch alle
aktuellen Betriebssysteme wie Linux, Solaris, HP-UX, AIX, Apple Macintosh und Windows. Der
Webservice wird auf Oracle Application Server, Microsoft Internet Information Server (IIS), Sun One
Webserver (Iplanet), IBM Websphere, BEA Weblogic oder dem Apache Webserver aufgesetzt.

Maternas ITSM Framework bietet alle typischen Komponenten einer ITIL-gemäßen (IT Infrastructure
Library) Verwaltungslösung. Jeweils in Module zusammengefasst finden sich Incident-, Problem-,
Configuration-, Change-, Service-Request-, Release- und Service-Level-Management sowie ein
Web-Self-Service für Incident- und Service-Request-Management. Zertifiziert nach ITIL ist lediglich
das Configuration-Managementmodul. Das Framework ist auf die Abbildung verschiedener Mandanten
ausgerichtet.

Zur Teststellung erhielten wir eine komplett vorbereitete virtuelle Maschine für Vmware.
Betrieben auf einem Testsystem mit zwei AMD Opteron 242 Prozessoren mit 1,6 GHz Taktfrequenz und
einem zugewiesenen Arbeitsspeicher von 768 MByte RAM für die virtuelle Maschine reagierte die
Software sehr zügig. Die VM beheimatet neben einem Microsoft SQL Server 2000 SP3a, BMC Remedy ARS
6.3 und Materna ITSM Framework 2.7. Als Betriebssystem kam Windows 2000 Professional SP4 zum
Einsatz.

Erster Eindruck

Der Benutzer startet die Software durch einen Doppelklick auf das "Control Center". Nach der
Anmeldung am System erscheint das ITSM Framework in einer trotz vorherrschender Blautöne etwas "
angegrauten" Optik: Die Schaltflächen-Icons haben sich den Charme von Windows 95 erhalten und
wirken unterhalb des modernen Materna-Schriftzugs schlichtweg veraltet. Funktionell betrachtet
liefert die Startseite dem Support-Mitarbeiter aber alle benötigten Informationen: eine
Mandantenauswahl, die Schnellübersicht über anstehende Incidents, die Navigation in das Report
Center, den Aufruf der Stammdatenverwaltung und die Anzeige eines schwarzen Bretts. Auf der linken
Fensterseite finden sich die Schaltflächen für die vorbereitete Schnittstelle zu einer
Telefonanlage (CTI). Die rechte Maustaste zum Öffnen des Kontextmenüs bleibt Sortierungen in
tabellarischen Übersichten und anderen Remedy-Funktionen vorbehalten.

Sehr angenehm bei der Arbeit mit dem Materna- Framework ist die deutsche Sprache sowohl in den
Dialogen, als auch in der Benutzerdokumentation. Viele Konkurrenzangebote beschränken sich bei der
deutschen Sprachunterstützung auf den Self-Service, den einzigen Bereich, in dem Endanwender mit
der Software in Kontakt treten. Neben dem deutschen Sprachpaket ist Englisch im Angebot, und in der
Dokumentation findet sich der Hinweis, dass sich im Zuge einer Projektbasis zusätzliche
Sprachvarianten einbinden lassen.

Die Materna-Software bildet unterschiedliche Mandantschaften ab, erlaubt es also, dass ein
Service-Desk mehrere Kunden betreut. Der Wechsel zwischen den Mandanten ist mit zwei Mausklicks
erledigt. Zur Erfassung eines Incidents öffnet der IT-Mitarbeiter im Control Center das Dialogfeld "
Neuer Incident-Vorgang". In diesem Incident werden die Anwender-, Melderdaten und die
Incident-Beschreibung aufgenommen. Für die Beschreibung von Vorfällen ist es möglich, Textdateien
einzulesen, was den Schreibbedarf stark reduziert.

Incident-Annahme per Telefon, Mail und Web

Für die Annahme eines Incidents, also einer Störungsmeldung, bietet das Incident-Managementmodul
drei mögliche Wege: Traditionell rufen Kunden und Mitarbeiter per Telefon beim Service-Desk an und
melden eine Störung. Das Telefonat hat für den Anrufer entscheidende Vorteile: Einerseits ist er
sicher, dass die Fehlermeldung aufgenommen wurde und sprachlich bereits so formuliert ist, dass der
Support-Mitarbeiter sich etwas darunter vorstellen kann. Andererseits hegt der Anrufer die
Hoffnung, dass die Störung durch Hinweise des Support-Mitarbeiters sofort behoben werden kann.

Neben der Erfassung der Fehlermeldung direkt durch einen Support-Mitarbeiter bietet das ITSM
Framework ein Web-Self-Service-Modul. Der Self Service steht dem Anwender nicht nur für die Meldung
von Incidents per Browser zur Verfügung, auch Service-Requests (Benutzeranfragen nach neuen
Leistungen) lassen sich direkt über die Weboberfläche eingeben. Die Funkti-onen und die Benutzung
des Self-Services sind selbsterklärend – wer schon einmal eine Onlinebestellung aufgegeben hat, dem
werden diese Dialogfelder keine Probleme bereiten. Der Bearbeitungsstatus einer bereits
aufgegebenen Fehlermeldung ist über diese Webseite jederzeit durch den Anwender nachzuverfolgen.
Alle erfassten Lösungen eines Incidents sind einsehbar, die Wissensdatenbank wird über Suchworte
oder eine Kategorie auf das gewünschte Sucherergebnis eingegrenzt. Vordefinierte "Quick Incidents"
halten den Zeitaufwand für den Benutzer gering. Diese Schnellmeldungen kann jedoch nicht der
Anwender direkt hinterlegen, sie erfordern vielmehr eine entsprechende Vorbereitung durch die
IT-Abteilung.

Die dritte Variante zur Incident-Annahme besteht in der automatischen Auswertung von E-Mails
durch den Action-Request-Server, auf dem das ITSM Framework ins-talliert ist. Die Kurzbeschreibung
der Störung wird dabei aus der Betreffzeile und die Detailbeschreibung durch den E-Mail-Text
generiert. Der Service-Desk-Mitarbeiter kann aus der E-Mail heraus direkt einen neuen Incident
erstellen. Die Anwenderdaten werden dabei ebenfalls aus den E-Mail-Informationen erzeugt.

Mit Kategorie und Priorisierung zur schnelleren Lösung

Das Abarbeiten der mitunter hohen Anzahl an Störungsmeldungen, die beim Support eintreffen,
erfordert es, diese nach Kategorien zu ordnen. Aus den gewählten Kategorien kristallisiert sich die
jeweils zuständige Fachgruppe heraus. Das ITSM Framework von Materna bietet eine vierstufige
Kategorisierung an, die pro Mandant unterschiedlich ausfallen kann. Eventuelle Anpassungen an den
Kategorien erfolgen nicht auf der Ebene des Incident-Managementmoduls, sondern über die Stammdaten
des Grundmoduls.

Mit welcher Priorität ein Incident geführt wird, steuert die Software anhand der Auswirkung und
der Dringlichkeit: In der Standardkonfiguration unterscheidet das System bei der Auswirkung
zwischen "einzelner User betroffen", "zirka 10 Benutzer betroffen" und "Bereichsausfall (10-100
User)". Die Dringlichkeit wird über die Einträge "gering", "mittel" und "hoch" eingegeben – das
Zusammenspiel der beiden Parameter definiert die als Zahl dargestellte Priorität. Die Priorität
eines Incidents bestimmt die Abarbeitungsreihenfolge und gibt die maximal zulässige Lösungs- und
Reaktionszeiten des Incidents vor, damit also die Einhaltung der SLAs (Service Level Agreements).
Die Vorgabe der Lösungs- und Reaktionszeiten, konfigurierbar pro Priorität, erfolgt über die so
genannte Vorgangsüberwachung.

Über das Register "Wissensdatenbank" ist ein Zugriff auf bereits erfasste Störungen und die dazu
passende Lösung möglich. Passt der Eintrag, ist der Lösungstext mit einem Klick auf den aktuellen
Incident übertragbar. Im unteren Fensterbereich findet sich stets die Schaltfläche "nächste Aktion"
. In Abhängigkeit zu den Eingaben und dem hinterlegten Workflow bringt diese Schaltfläche den
nächsten Arbeitsschritt zum Vorschein. Ist beispielsweise die Lösung für eine Störung dem
Service-Desk bereits bekannt, so bietet die Software im nächsten Dialogfeld die Auswahl zwischen "
Lösung bekannt" und "Workaround" – ist die Störung direkt behoben, so zeigt sich nach der Wahl "
Lösung bekannt" auf einen Klick auf "nächste Aktion" die Lösungsbeschreibung und abschließend der
Dialog zum Schließen des Incidents. Die Software führt automatisch Buch darüber, welcher
Mitarbeiter wann und wie welche Änderung vorgenommen hat.

Einige Störungen haben im Tagesgeschäft eine große Tragweite. Würde beispielsweise ein Switch im
Verteilerraum ausfallen, so kommt es von Seiten der Anwender zu sehr unterschiedlichen
Fehlermeldungen, die jedoch allesamt denselben Ursprung haben: die Unterbrechung der
Netzwerkverbindung. Über eine Master-Slave-Verknüpfung lassen sich Fehlermeldungen miteinander
verbinden. Ob das Lösen des Master-Incidents automatisch den Slave-Call schließt, liegt dabei in
der Entscheidung des Support-Mitarbeiters. Das ITSM Framework unterscheidet dabei zwei Arten dieser
Verknüpfung – stark und schwach. Starke Verknüpfungen erlauben lediglich eine Weiterleitung der
Slave-Problematik innerhalb der gleichen Fachgruppe, während schwache Verknüpfungen eine Zuweisung
an eine andere Gruppe zulassen.

Sofern das Configuration-Management als Modul installiert ist, bietet die Software eine weitere
spannende Funktion in Bezug auf Incidents: Bei der Definition eines Incidents hat der
Support-Mitarbeiter die Möglichkeit, einen Incident als "Ursache" oder "betroffenes Element" zu
definieren. Auf diesen Elementen aufbauende Prozesse werden daraufhin als "betroffen" deklariert.
Dies erfolgt wieder in Abhängigkeit zum Mandanten oder Mandantengruppen, sofern Prozesse
mandantenübergreifend definiert sind.

Modifikation

Die Anpassung der Oberfläche an die Bedürfnisse des Supports stellt beim ITSM Framework wahrlich
gar kein Problem dar: Mit wenigen Mausklicks entsteht in einem Dialogfeld eine neue Schaltfläche,
die beispielweise eine externe Fernwartungslösung mit Aufrufparametern startet. Bei solchen
Aufgaben kommt die hohe Entwicklungsstufe des Kernsystems BMC Remedy richtig zum Ausdruck. Während
einfache Datenbanksysteme wie beispielsweise Microsoft Access die Überarbeitung eines Formulars im
laufenden Betrieb beim Zugriff durch mehrere Benutzer nicht ermöglichen, stellt dies Remedy kein
Problem dar. Gleiches gilt für die Anpassung von Datenfeldern – ebenfalls zur Laufzeit.

Die Benutzerverwaltung ist direkt in die Software integriert. Es werden verschiedene Rollen als
Standard ausgeliefert. So ist beispielsweise nicht jedem Mitarbeiter der Zugriff auf die Stammdaten
erlaubt. Wer welche Informationen verändern darf, lässt sich sehr fein einstellen. Benutzerrollen,
die Daten erfassen und auch nur diese eigenen Einträge verändern dürfen, sind auf der ARS-Basis
problemlos abzubilden. Eine Integration in bestehende Benutzerverzeichnisse, beispielsweise das
Microsoft Active Directory, findet sich jedoch nicht.

Fazit

Alles in allem handelt es sich beim ITSM Framework von Materna um ein sehr praxisgerechtes
Arbeitsmittel für das Management der Service-Desk-Aufgaben. Alle zentralen ITIL-spezifischen
Teilbereiche sind als Module vorhanden. Die Darstellung der Mandantschaften ist vorbildlich und die
Oberfläche gut zu bedienen. Die Materna-Lösung, die in einer Standardinstallation für zehn Benutzer
56.525 Euro ohne Installation und Anpassungen kostet, ist vor allem für größere Unternehmen
interessant, die Support-Fälle von vielen verschiedenen Standorten oder Kunden abwickeln.

Info: Materna Information & Communications Tel.: 0231/559900 Web:
www.materna.de


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