Modernes DCIM

Ein Prozent Software, 99 Prozent Mensch

1. September 2015, 6:00 Uhr | Heiko Schrader, Sales Director für die DACH-Region bei Ictroom, www.ictroom.com/de./wg

Man könnte meinen, dass sich bei der Verwaltung und dem Betrieb von Rechenzentren nicht viel geändert hat: Die Notwendigkeit von Strom, Ausfallschutz, Kühlung und Sicherheit sind heute so präsent wie eh und je. Einige wichtige Änderungen werden die Branche jedoch in den nächsten zwanzig Jahren umkrempeln.

Die Vielzahl neuer Anforderungen für verschiedene Arten von IT-Infrastruktur lässt die RZ-Landschaft heterogener werden. Von Altsystemen bis hin zu virtualisierten Cloud-Plattformen werden die Anforderungen an Verfügbarkeit, Leistungsaufnahme, Sicherheit und Konnektivität unterschiedlicher, ebenso die Auswahl physischer Standorte. Umweltbelange und Effizienzbestimmungen haben bereits zu großen Fortschritten bei der Kühltechnik und der Ausweitung der ASHRAE-Richtlinien (American Society of Heating, Refrigerating, and Air-Conditioning Engineers) für den Betrieb von Equipment geführt. Die PUE-Faktoren (Power Usage Effectiveness) für Neubauten liegen heute bei 1,1 bis 1,2 - gegenüber Werten für ältere Rechenzentren, die zwischen 1,7 und über 2,0 liegen.
In der Welt der Colocation und Managed-Service-Provider, für die das RZ ein integraler Bestandteil ihres Angebots ist, gewinnen Flexibilität und Transparenz an Bedeutung. Die Fähigkeit, den Kunden detaillierte RZ-Leistungsdaten und Informationen zur Auslastung bereitzustellen, ist eine Grundlage für die Neukundengewinnung. Die Steuerung der DZ-Ressourcen per Knopfdruck, sollte - in der Theorie - wesentliche Mehrwerte im Betrieb bieten. Große Fortschritte im Bereich des DCIM (Datacenter-Infrastructure-Management) sind jedoch noch nicht zu verzeichnen.
 
Mehrwerte durch DCIM
DCIM-Lösungen werden häufig mit drei Mehrwerten beworben:
Risikosenkung: Genaue Daten und Modellbildung sorgen für bessere Entscheidungen durch Verantwortliche, Automatisierung und Best Practices reduzieren das Risiko menschlicher Fehler.
Kostenoptimierung: DCs sind erhebliche Investitionen. Ein Tool, das die Nutzung dieser Vermögenswerte optimiert, liefert einen wirtschaftlichen Mehrwert.
Geschwindigkeit und Agilität: DCIM ermöglicht es, auf Ereignisse schnell mit mehr Agilität und Flexibilität zu reagieren. Ein hohes Maß an Transparenz erlaubt es, Entscheidungen zügig und mit vollständigen Daten zu fällen.
In der Theorie hört sich das alles gut an, aber noch gibt es große Hürden zu überwinden, bevor man eine weitreichende Implementierung von DCIM-Lösungen sehen und deren Früchte ernten kann. Denn bei Neubauten ist es meist möglich, die DCIM-Plattform von Beginn an zu integrieren - und die besonderen Anforderungen an das System zu definieren, sei es bezüglich der Überwachung und Reporting von Informationen oder der Steuerung der RZ-Komponenten. Die Identifizierung der richtigen Werkzeuge, die diese Anforderungen erfüllen können, ist ein wesentlicher Teil der ganzheitlichen Planung. Doch wenn es gilt, ein DCIM-System in einer bestehenden Einrichtung nachzurüsten, sind die Schnittstellen zu älteren Komponenten und an die bestehenden Gebäude-Management-Systeme nicht einheitlich definiert und erfordern in der Regel eine Individualprogrammierung.
 
Prognoseprobleme
Das weiteres Problem besteht darin, dass man die genaue Verwendung jeder einzelnen Einrichtung nie genau voraussagen kann Selbst wenn ein RZ nur einem einzigen Zweck dient (zum Beispiel für eine interne Geschäftsanwendung), ist es schwierig, die Mitarbeiter von IT und Gebäude-Management für eine genaue Planung an einen Tisch zu bringen. Ist das RZ eine Multi-Tenant- oder Colocation-Einrichtung, wird die Prognose zum Schlüsselfaktor für den Geschäftserfolg. Eine Umfrage von Colt Technology Services ("The Four Forces of Data Centre Disruption", 2014) unter 400 RZ-Entscheidungsträgern zeigte, dass 63 Prozent Prognosefehler zugaben, während 64 Prozent einräumten, dass Entscheidungsfindungen, bedingt durch die erforderliche Berücksichtigung einer Unzahl von finanziellen unf rechtlichen Risikofaktoren, länger dauerten.
Natürlich war DCIM dazu gedacht, diese Probleme durch die Bereitstellung von Tools nachzuverfolgen, anzuzeigen und eine schnelle Reaktion zu ermöglichen. Wie in jeder anderen Branche ist es aber schwierig, einen nicht-definierten bestehenden Prozess zu automatisieren. Dies wird leicht zum unüberwindbaren Hindernis bei der Implementierung.
 
Rack-Monitoring ist noch kein DCIM
In den meisten Fällen, in denen DCIM zum Einsatz kommt, steht das "M" in "DCIM" für "Monitoring" und nicht für "Management". Maßnahmen werden zwar auf der Basis der gesammelten Informationen besser durch das IT-System unterstützt; trotzdem ist menschliches Eingreifen weiterhin erforderlich, um Entscheidungen zu treffen und Änderungen zu implementieren.
Zudem sind DCIM-Plattformen in der Regel auf das Rack und nicht auf ganze Einrichtungen fokussiert. Zwar muss das Rack nicht unbedingt ein schlechter Ausgangspunkt sein, immerhin ist die Rack-PDU der Abgrenzungspunkt zwischen der IT- und der Gebäude-Welt; die Integration des Inputs und der Kontrollmechanismen für die RZ-Steuerung sind in der Regel aber sehr begrenzt. Stattdessen haben die meisten Rechenzentren eine dedizierte Gebäudesystemtechnik, die wirklich volle Kontrolle über die Infrastruktur ermöglicht. Und erneut ist menschliches Eingreifen erforderlich, um diese Lücke zwischen den Plattformen zu überbrücken. Mit minimalen Fortschritten bei der Standardisierung von Schnittstellen - vor allem angesichts der Altlasten, wie oben diskutiert - wird es noch einige Zeit dauern, bis eine ganzheitliche Management-Umgebung durchgängig von der Hochspannungstechnik bis zur virtuelle CPU in die Praxis umgesetzt ist.
Zu guter Letzt wenden die meisten DCIM-Anbieter archaisch anmutende Lizenzmodelle an. Während der Rest der Welt den Schritt zu "Pay as you grow"- oder nutzungsbasierten Modellen vollzogen hat, verwenden die meisten DCIM-Softwareanbieter immer noch strikte Einzelplatzlizenzen mit Alles-oder-nichts-Funktionalität. Diese mangelnde Flexibilität macht die DCIM-Umsetzung teuer, erhöht die Risiken und legt der Verbreitung von DCIM-Lösungen einen Stein in den Weg.
 
Drei Empfehlungen
DCIM hat in der Branche einen großen Hype erzeugt, aber noch wenig geliefert. Hier folgen deshalb drei Empfehlungen, um den Nutzen in der DCIM-Thematik zu erhöhen.
1. Richtig geplante Implementierung: Es gilt, den Umfang der Funktionen einer DCIM-Plattform zu vermitteln. Sowohl das Gebäude-Management-Team als auch der IT-Anwender im RZ müssen involviert sein. Der Umfang, mit dem das System Informationen für die Entscheidungsfindung bereitstellen wird, will definiert sein. Es stellt sich die Frage, wie viel Automatisierung man erwartet und inwieweit menschliches Eingreifen bei jedem einzelnen Prozess erforderlich ist.
2. Einfach anfangen: Ein guter Einstieg ist eine bescheidene PDU (Power Distribution Unit). Es gibt Hunderte von Varianten der Rack-PDU, besonders wenn man alle verschiedenen Möglichkeiten bezüglich Phasing, Switching, Aktiv- vs. Passivlösungen, Steckdosenarten, Überwachung, Sammelschienenabgänge etc. bedenkt. DCIM-Systeme sollten in der Lage sein, diesen zentralen Punkt in der RZ-Architektur zu überwachen und zu steuern. Selbst wenn die Funktion momentan nicht erforderlich sein sollte, ist es besser, sie einzuplanen. Eine spätere Nachrüstung ist meist sehr kostspielig.
3. Einsatz von Experten und Dienstleistern: RZ-Experten können helfen, detaillierte und RZ-bezogene, an ITIL angelehnte Prozesse für die RZ-Verwaltung zu definieren, um dann zu erarbeiten, wie man diese in die DCIM-Plattform einbettet. Um das Ganze noch weiter zu spinnen: Warum den kompletten Verwaltungsaufwand nicht an einen Managed-Service-Provider auslagern? Oder man nutzt einen RZ-Betreiber, der einen Komplett-Service als Opex- statt als Capex-Modell anbietet.
Viele andere Branchen haben im Laufe der Jahre deutliche Änderung ihrer Geschäftsmodelle durch Automatisierung erfahren - beispielsweise die Fertigung, Pharma, aber auch Banken. Bis zur automatischen Steuerung eines RZs mit DCIM und Skripts ist es immer noch ein weiter Weg.

DCIM-Systeme bieten einen Überblick über den Zustand eines Rechenzentrums. Bild: Ictroom

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