Das Säbelrasseln an der Microsoft-Linux-Front wird lauter. Novell hat einen auf Patentrecht spezialisierten Staranwalt unter Vertrag genommen und scheint sich damit auf einen möglichen Prozess mit Microsoft vorzubereiten. Durch eine neue Partnerschaft mit IBM baut es das Netz der Verbündeten aus, und außerdem erhält das Open Invention Network (OIN) jetzt auch noch tatkräftige Unterstützung durch den vermutlich größten Linux-Anwender: Google.
Novell hat den bekannten Patentanwalt Eric Acker in sein Rechtsberaterteam berufen. Acker ist der Chef des San-Diego-Büros der Kanzlei Morrison & Foerster, die für ihre Technikrechtexperten Weltgeltung genießt. Es wird vermutet, dass sich Novell damit für einen Rechtsstreit mit Microsoft wappnet. "Mir zeigt das, dass sich Novell ganz klar auf einen Prozess mit Microsoft vorbereitet. Sie fahren schwere Geschütze auf und bringen sie bereits in Stellung," schrieb Rechtsexpertin Pamela Jones auf der Groklaw-Website.
Ein besonderes Problem der kontroversen Partnerschaft von Novell und Microsoft ist die neue Open-Source-Lizenz GPLv3: Freistellungen dürfen nicht mehr selektiv erteilt werden. Das heißt, wenn Microsoft keine Copyright-Ansprüche gegenüber den Novell-Kunden hat, darf es auch keine anderen Linux-Anwender verklagen. Microsoft will dies aber nicht akzeptieren, sondern hofft, ähnliche Millionen-Deals auch mit den anderen Linux-Anbietern abschließen zu können. Doch dies wird inzwischen immer schwieriger. So hat Red Hat bereits klargestellt, dass es an keinem Deal mit Microsoft interessiert ist. Red Hats CEO Matt Szulik hatte bereits Mitte Juli verkündet, dass es "mit Microsoft nichts zu vereinbaren gibt". Auch Red Hats Anwalt Mark Webbink kritisierte Novell schon mehrfach wegen des Abkommens mit Microsoft, weil es ein gefährlicher Präzedenzfall sein könnte.
Nun hat sich auch noch Google auf die Seite der Open-Source-Gemeinde geschlagen, indem sich der Search-Gigant dem OIN angeschlossen hat. Diese Arbeitsgemeinschaft will Open Source vor einem Rechtsangriff seitens Microsoft schützen. Zu den Mitgliedern gehören außer Google noch IBM, NEC, Novell, Philips, Red Hat und Sony. Je mehr Unternehmen sich diesem Netzwerk anschließen und je mehr Linux-bezogene Patente sie in ihrem Pool sammeln, desto schwerer wird es für ein Unternehmen wie Microsoft, einen Angriff auf Linux zu starten. Experten sehen es als besonders bemerkenswert an, dass Google der erste Linux-Endanwender ist, der sich dem OIN anschließt: "Da Google sehr bekannt und sehr stark ist, werden sich bald auch andere Endanwender beteiligen, und damit wird das Linux-Ökosystem weiter wachsen", freut sich OIN-Chef Jerry Rosenthal.
Der größte Vorwurf an Microsoft ist deren Geheimniskrämerei, denn die Redmonder Softwareschmiede hat bis jetzt noch immer nicht offengelegt, worin die bislang behaupteten 235 Copyright-Verstöße bei Linux bestehen. "Microsoft stellt nur inhaltslose Behauptungen auf. So wollen sie Panik, Zweifel und Unsicherheit erzeugen. Denn würden sie die Patente genau benennen, könnten wir etwas unternehmen," ist sich Rosenthal sicher.
Zusätzlich zu dieser bereits enormen Unterstützung hat sich Novell nun noch einen ganz engen Verbündeten ins Boot geholt. Bei der Eröffnung der Linux World in San Francisco gaben IBM und Novell bekannt, zukünftig intensiv zusammenzuarbeiten. Laut dem Abkommen wollen beide die Websphere Application Server Community Edition (WAS CE) zusammen mit dem Suse Linux Enterprise Server ausliefern und einen gemeinsamen Support zur Verfügung stellen. Dies wird dann das umfangreichste Open-Source-basierte Serverangebot der gesamten Industrie. Durch das Ankommen profitiert IBM von Novells Marktführerschaft bei kleinen und mittleren Unternehmen. Novell im Gegenzug erhält einen starken weltweiten Partner. "Die Partnerschaft von Novell und IBM öffnet jetzt die Türen für weitere Zusammenarbeiten. Diese könnten dann Novells Position noch weiter stärken", so Michael Dortch, Direktor IT-Infrastruktur bei der Robert Frances Group.
Katharina Guderian/wg