Wie man zum Hype rund um "grüne" IT auch stehen mag: Für IT-Verantwortliche ist auf jeden Fall das Versprechen deutlicher Stromersparnis von Interesse - zumal es in großen RZs immer enger und heißer wird. Green IT beschränkt sich aber nicht auf Virtualisierung, Konsolidierung und RZ-Entwärmung. Die IT bietet diverse weitere Ansatzpunkte für Betriebs- und Stromkostenersparnisse. Zudem geht ein nachhaltiger IT-Betrieb über das bloße Stromsparen weit hinaus.
Unter dem inzwischen allgegenwärtigen Modewort "Green IT" fassen Analysten, Hersteller und
Anbieter sämtliche Lösungen – Hardware, Software wie auch Services – zusammen, die den Unternehmen
zu einem umweltfreundlicheren IT-Betrieb verhelfen sollen. Und das heißt in der Praxis vorrangig:
zur Senkung der Betriebskosten, vor allem mittels Verkleinerung des Geräteparks und damit
verbundener Energieeinsparungen. "Weniger Pizzaboxen im Idle-Modus, dafür intelligente, hoch
ausgelastete und effiziente Infrastruktur", so das Motto vieler Green-IT-Verfechter. Hier liegt die
Schnittmenge von Ökologie und Ökonomie, hier können Anbieter den Kunden knallharte Einsparungen
vorrechnen und zugleich mit "ökologisch korrekt" verringertem CO2-Ausstoß punkten.
Das Label "Green IT" klebt die Branche deshalb gerne auf unterschiedlichste Komponenten und
Lösungen: auf energieeffiziente CPUs (und hier geben sich AMD wie auch Intel inzwischen tatsächlich
Mühe), Rechnerbausteine wie Lüfter, Speicherkomponenten (Solid State spart Strom im Vergleich zur
sich drehenden Festplatte), des Weiteren ganze Server (Sun und IBM vermarkten dies sehr offensiv),
Storage-Systeme (Kompression, Deduplikation, Tape statt Disk-Array), sparsame PCs (zum Beispiel von
Fujitsu-Siemens Computers, die dieses Ziel schon lange verfolgen), die designbedingt noch deutlich
sparsameren Thin Clients (15 Watt statt 90 Watt – im Massen-Deployment summiert sich dies
beachtlich), Virtualisierungssoftware (als zentrales Mittel zur Konsolidierung – kein
Green-IT-Vortrag ohne Powerpoint-Slides zu Vmware, Citrix und Co.), Lösungen für das
Power-Management (zum Beispiel von IBM, HP, Sun, Platespin etc.) und das dynamische
Kapazitätsmanagement, intelligente Drucklösungen und Dokumentenmanagement für weniger
Papierverbrauch im Büro, Web-Conferencing-Lösungen (die Reisekosten und CO2-Ausstoß einsparen wie
Ciscos Telepresence-Lösung, aber auch die zahlreichen wesentlich billigeren Werkzeuge),
RZ-Ausstattungsgerätschaft wie Kühl- und Klimatisierungsanlagen (noch zu selten in der Diskussion:
Wärmerückgewinnung) oder auch energiewirtschaftlich sinnvolle Services aus so unterschiedlichen
Bereichen wie RZ-Planung oder Storage Offshoring.
Dass hier auch IT-Services ein enormes Potenzial bergen, veranschaulicht ein Beispiel: Der
isländische Storage-Service-Provider Data Islandia bietet in Zusammenarbeit mit dem
Storage-Geräteanbieter Hitachi Data Systems (HDS) einen originellen Offshoring-Service für die
Archivierung von Datenbeständen an, den die beiden Unternehmen als den weltweit "
umweltfreundlichsten Archivierungsservice" bezeichnen. Die Begründung: Die Energieversorgung der
Einrichtungen von Data Islandia sind, wie auf der vulkanischen Insel üblich, geothermalen und
hydroelektrischen Ursprungs. Dieses Angebot ist Bestandteil eines weltweiten Trends, Rechenzentren
aus den urbanen Ballungsräumen abzuziehen und näher an den Energiequellen anzusiedeln. So
errichtete Google ein RZ am Columbia River in Oregon, ähnlich gingen Microsoft und andere
Großabnehmer elektrischer Energie vor. "Das Prinzip ist gut", lobt Marktforscher Ian Brown von
Ovum. "Es ist leichter und effizienter, Daten über große Distanzen zu übertragen, als den Strom zu
übertragen." Allerdings nötigt die üppige Verfügbarkeit billiger Wasserkraft die Unternehmen
wiederum nicht zum Energiesparen – hier laufen Ökonomie und Ökologie also auch schon wieder
auseinander.
Nachhaltiger IT-Betrieb sollte sich zudem nicht auf bloßes kurzfristiges Stromsparen
beschränken. Nachhaltigkeit – auf Englisch "Sustainability", für Deutsche ein Zungenbrecher, den
Marketiers hier aber sicher trotzdem verbreiten werden – reicht wesentlich weiter und umfasst
diverse weniger oft diskutierte Aspekte: Dazu zählt zum Beispiel die Bevorzugung von Lieferanten,
die sich ökologischen Zielsetzungen verschrieben haben, die Beschaffung mit Fokus auf
ressourcenschonende Produkte, ebenso die umweltgerechte Entsorgung von Altgeräten mittels möglichst
weitgehenden Recyclings, wie dies in Europa bereits hochgradig geregelt ist, sowie die Motivation
von Mitarbeitern, sich gemäß der Umweltrichtlinie des Unternehmens zu verhalten.
International tätige Konzerne, die ein Image als guter "Corporate Citizen" und das Ansehen einer
Marke zu verteidigen haben, können meist schon auf Jahre oder gar Jahrzehnte währende Policies und
Programme zum umweltfreundlichen Wirtschaften zurückblicken. Dies ist aber die Minderheit unter den
Unternehmen – Corporate-Citizenship-Programme und Sustainability-Beauftragte können und wollen sich
Mittelständler und kleinerer Unternehmen nicht leisten.
Der Green-IT-Hype – dessen Anlass übrigens Anfang 2006 wohl war, dass die High-end-Rechenzentren
nicht mehr genug Strom herein- und nicht mehr genug Hitze wieder hinausbefördern konnten – hat hier
zum positiven Effekt geführt, dass IT-Verantwortliche jeglicher Unternehmen auf die Themen
Energiesparen und Umweltverträglichkeit aufmerksam geworden sind – nicht zuletzt dank eines von
eskalierenden Energiepreisen und der Klimaerwärmung geprägten Umfelds. Die Eigendynamik des
Marketing-Hypes – an dem sich nun auch Anbieter glauben beteiligen zu müssen, die mit Green IT aber
auch wirklich gar nichts zu tun haben, zum Beispiel Verschlüsselungsspezialisten – hat bei CIOs und
IT-Leitern aber schon zum erwartbaren Marketing-Overkill und damit zu Verdruss geführt: "Bei meinen
Gesprächen mit CIOs treffe ich durchaus auf ‚grüne Erschöpfung‘ (green fatigue)," erzählt Chris
Howard, Vice President des Analystenhauses Burton Group. "Der ‚Green-IT-Heiligenschein‘ ist
verflogen", so sein Fazit. Er rät IT-Verantwortlichen, neben Strom sparendem Equipment auch
standardisierte Managementlösungen und Ressourceneffizienz bei der Anwendungsentwicklung
einfordern.
Es wäre aber ein Fehler, Green IT als bloßen Medienrummel – ähnlich dem E-Business-Hype vor ein
paar Jahren – abzutun: "Die Energiekosten steigen, Energieeffizienz ist damit ein deutlicher Hebel
zur Optimierung der Unternehmens-IT, und die Mittel dafür sind langjährig erprobt," so Peter
Arbitter, Leiter Portfolio and Technology Management bei Siemens IT Solutions and Services
(SIS).
Die Energieproblematik wird erhalten bleiben und sich wahrscheinlich verschärfen. Arbitter nennt
ein Beispiel: "Software as a Service wird dazu führen, dass ein enormer Bedarf an Rechenleistung
‚out of the cloud‘ entsteht. Und große Anbieter wie Google, Microsoft und SAP setzen auf den
SaaS-Trend."
Die Masse der IT-Verantwortlichen denkt bei "Energieeffizienz" natürlich vorrangig an ihr
Budget: "Das finanzielle Einsparpotenzial ist beim nachhaltigen IT-Betrieb mit Abstand die
treibende Kraft", so Michael Schumacher, Systems Engineers Team Leader bei APC-MGE.
"Eine positiv wirkende Außendarstellung für energieeffiziente Serverräume und Rechenzentren ist
dabei nur wenigen Unternehmen wie beispielsweise Internet Service Providern möglich." Einen
RZ-Betrieb mit nachhaltig erzeugter Energie hat hier zu Lande zum Beispiel Hosting-Anbieter Strato
letztes Jahr medienwirksam angekündigt. Wolfgang Schwab, Analyst bei der Experton Group, merkt dazu
an: "Die Experton Group hält den derzeitig vorherrschenden Blick auf die Energieeffizienz von
Systemen für richtig. Es dürfte den wenigsten Anwendern möglich sein, zu entscheiden, ob Produkte
von Hersteller A umweltfreundlicher hergestellt und transportiert wurden als die von Hersteller B.
Das Gleiche gilt für die Entsorgung." Entsprechend drehte sich die Green-IT-Diskussion letztes Jahr
stark um die Energieeffizienz von Servern sowie die Klimatisierung von Rechenzentren. "
Serversysteme sowie Stromversorgung und Entwärmung werden auch weiterhin im Zentrum stehen", so Dr.
Bernard Aebischer vom Centre for Energy Policy and Economics (CEPE) der ETH Zürich. "In einigen
Monaten sollte ein allgemein akzeptierter Indikator für die Messung der Energieeffizienz der
zent-ralen Infrastruktur festgelegt sein, und vielleicht ist man bis Ende des Jahres auch mit der
Metrik für die Energieeffizenz von Servern einen Schritt weiter." Künftig dürfte sich die Debatte
aber auch auf weitere Aspekte ausdehnen. "Neu hinzukommen werden Bemühungen, um die Abwärme
sinnvoll weiter zu nutzen (Heizung, Warmwasser etc.)", so Experton-Group-Fachmann Wolfgang Schwab. "
Neben dem Rechenzentrum werden in den nächsten zwölf bis 18 Monaten auch PCs und Zusatzprodukte
wie Drucker stärker in Energieeffizienzüberlegungen einbezogen werden." Die Experton Group erwartet
deshalb für den Green-IT-Markt bis 2010 ein jährliches Wachstum von über 66 Prozent.
Dirk Schiller, Practice Leader Server Computing Solutions bei Computacenter, verweist auf
Aspekte, "die heute entweder nur als Einzellösung oder nur in der Theorie verfügbar sind: die
dezentrale Stromversorgung, wie zum Beispiel die Nutzung von Blockheizkraftwerken oder anderen
dezentralen Energieversorgern, die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren zur Heizung in
Bürogebäuden sowie Änderungen im IT-Arbeitsumfeld zur Verringerung von Reisen oder verringerte
Notwendigkeit zur Bereitstellung von (häufig) ungenutzten Büroflächen."
Als zentrales Problem nennen die von LANline befragten Fachleute immer wieder den mangelnden
Überblick der IT-Manager darüber, was eigentlich wieviel Strom verbraucht: "Messungen und Reporting
von Energieverbrauch müssen erst noch Standards in den Rechenzentren werden", so Bernhard Przywara,
Business Manager Green IT bei Sun Microsystems. "Energieeffizientes Systemmanagement wird in den
nächsten Jahren als eine neue Disziplin im RZ-Betrieb heranwachsen, Fragen zu Energieeffizienz von
Software werden erste Antworten bekommen." Die anwendungsbezogene Messung des Stromverbrauchs
fordert auch Jan Roschek, Leiter des Green Boards von Cisco in Deutschland, denn: "Nur was sich
messen lässt, lässt sich auch steuern." Laut Peter Arbitter arbeitet SIS zusammen mit der TU
München an Kriterien für die Messung der Energiebilanz von Applikationen. Diese Forschung befinde
sich aber noch in einem sehr frühen Stadium.
Jenseits technischer Problemstellungen und taktischer Maßnahmen betonen Analysten wie auch
Branchenfachleute die Notwendigkeit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit als strategisches Projekt
zu verstehen. "Die wichtigsten Schritte für einen nachhaltigen IT-Betrieb", so Suns
Green-IT-Fachmann Przywara, "sind eine klare Unternehmensstrategie im Bereich Nachhaltigkeit und
die Einbindung der IT-Abteilungen in die Entwicklung dieser Strategie." Denn zu beachten sei: "IT
ist nicht nur Energieverbraucher, sondern hat auch das Potenzial, Prozesse im Unternehmen
energieeffizienter, nachhaltiger zu gestalten."
Geteilter Meinung sind die Marktteilnehmer bei ihren Hoffnungen und Erwartungen bezüglich der
Rolle staatlicher Reglementierung in der Frage energieeffizienten RZ-Betriebs. "Der Markt wird
allein über die Energiekosten geregelt", konstatiert Michael Schumacher von APC lapidar. Diverse
andere Fachleute rechnen aber durchaus mit gesetzlichen Regularien. So ist sich SIS-Mann Arbitter "
absolut sicher", dass solche Reglementierungen sowohl auf Geräte- wie auch auf RZ-Ebene am Horizont
sind.
"Wir werden von Seiten der EU erste Ansätzen für das Eco-Design Energie verbrauchender Produkte
(EuP-Direktive) sehen, zunächst für den im Bezug auf Einsparpotenziale lohnenden Sektor von
Konsumentenelektronik", sekundiert Bernhard Przywara von Sun. Przywara betont aber auch: "In Europa
haben wir schon jetzt eine freiwillige Initiative im Bezug auf die Effizienz von Rechenzentren, den
European Code of Conduct for Data Centers."
Jenseits solcher unverbindlichen Selbstverpflichtungen könnten die Kommunen, die Bundesregierung
oder auch die EU dennoch Vorgaben machen, so zumindest die Ansicht von Ciscos Green-Board-Leiter
Jan Roschek: "Vorstellen könnte ich mir beispielsweise, dass die Standortauswahl reglementiert
werden kann. Dies wird bereits in der Schweiz praktiziert. Danach wird die Einrichtung eines
Rechenzent-rums erst vorgenommen, wenn genügend Stromversorgung oder die Möglichkeit, alternative
Energien einzusetzen, sichergestellt wurde."
Große Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass Unternehmen für ihre Green-IT- und
Nachhaltigkeitsinitiativen unbedingt die Endanwender mit an Bord nehmen müssen.
Deren Einbezug in Green-IT-Maßnahmen ist "entscheidend für den Erfolg solcher Projekte", so Suns
Fachmann Przywara. Zu diesem Zweck ist es ratsam, via hausinterner Kommunikation die nötige
Aufmerksamkeit (neudeutsch "Awareness") zu schaffen und durch gezielte Kampagnen und Anreize die
Motivation für die Unterstützung grüner Unternehmensinitiativen aufrecht zu erhalten. "Wichtig ist,
den aktuellen Status zu kommunizieren (wie schlecht er auch sein mag) und dann in regelmäßigen
Abständen den Fortschritt zu kommunizieren", betont Experton-Analyst Schwab. "Wenn es um PCs,
Notebooks und Drucker geht, kann es sehr sinnvoll sein, die Endanwender einzubeziehen", ergänzt er,
"da damit die Akzeptanz von besonders energieeffizienten Geräten, die möglicherweise nicht ganz so
leistungsfähig sind wie stromfressende Highend-Geräte, verbessert wird."
Dirk Schiller von Computacenter bringt dies auf die griffige Formel: "Energiesparen muss ‚cool‘
werden." Dies gilt – jenseits allen Medienrummels – für Licht und Heizung im Büro ebenso wie für
das Pendel- und Reiseverhalten sowie nicht zuletzt für die Nutzung der IT.