IBM, Redhat und VMware geben Anschauungsunterricht in Sachen Migration

IBM-Center zeigt den Microsoft-freien Desktop

3. Mai 2009, 22:58 Uhr |

Das Open Company Center (OCC) der IBM in Stuttgart vermittelt Anwendern technische Einblicke in eine unabhängige Desktop-Software-Landschaft. Microsofts Lizenzprogramme und die Kosten für den typischen Standard-Windows-Arbeitsplatz wecken die Nachfrage nach Alternativen - Unternehmen soll sich durch eine Migration Wahlfreiheit bei der IT-Infrastruktur öffnen.

Gezeigt werden im OCC beispielsweise Mini-Clients mit Linux und IBM Lotus Software, die auf
einen daumennagelgroßen USB-Stick für 23 Euro passen – oder auch Thin Clients und Netbooks, die auf
Basis von Virtualisierungstechnik ihre Software als Service beziehen. Beteiligt sind vorerst
VMware, und Redhat. "Aber wir sind kein elitärer Club", so Martin Jetter, Chef der IBM Deutschland.
"Ich hoffe, es schließen sich noch mehr der Initiative an."

"Durch Opensource kehrt die Entscheidung über IT-Investitionen wieder zum Kunden zurück", bricht
eine Lanze für Offenheit in der IT. "Wir können aber nicht nur Lippenbekenntnisse abgeben und in
Gremien mitarbeiten – jetzt zeigen wir Kunden mit unseren Partnern Redhat und VMware, dass wir beim
Client eine Alternative haben, die technologisch und im Verbund mit Prozessen funktioniert sowie
auch wirtschaftlicher ist."

Laut Andreas Pleschek, bei IBM zuständig für Open Client and Linux, kostet ein Openclient mit
Bürosoftware und Redhat-Linux, 168 Dollar, Microsofts Next Client dagegen 1.063 Dollar. "Unsere
Kunden haben nach Alternativen zu Microsoft gefragt, denn ihnen sind die Kosten der neuen
Microsoft-Welt zu hoch und sie wollen und Flexibilität." Auf der Cebit wurde der
Weg-von-Microsoft-Stand überrannt. "Grund ist, dass der Unterschied der offenen Lösungen wie
Openoffice und Lotus zur Microsoft-Technik klein geworden ist – der Internet Explorer und Firefox
sehen gleich aus, Openoffice ähnelt Word und Notes 8 dem Outlook 2003."

Dem stimmt Sebastian Siegert, Alliance Manager EMEA von Redhat zu. "Linux auf dem Desktop kommt
erst jetzt, weil wir auf Louts Notes 8 gewartet haben. Es ist ein identischer Windows-Desktop – und
das ist wichtig, denn niemand migriert, wenn er Effizienzeinbußen erleiden muss." Mit Notes könne
jeder Wissensarbeiter sofort weiterarbeiten.

Das OCC-Team hat ein vierstufiges Lösungsvorgehen aufgebaut: Vertragsbedingungen ändern,
Anwendungen ersetzen, Client-Architektur und Server-Architektur- anpassen. "Man muss nicht zu jedem
Schritt gehen und kann unterbrechen", so Pleschek. "Man kann auch sein Excel behalten – es geht ja
um Offenheit. Auf dem Open Client sind die Lösungen dennoch integriert – die Daten lassen sich
weiterverarbeiten."

Auf dem Redhat-Client erscheint eine Oberfläche, die sich der Anwender selbst zusammenstellt. "
Er entscheidet über das Fenster. Der klassische Wissensarbeiter hat Office, Tabellenkalkulation,
Präsentation sowie Mail, Kontakte und Kalender."

Hinzu kommen im Center die verschiedenen Ausgabegeräte – angefangen beim Lenovo X200 Tablet PC
mit Touch-Screen-Funktionalität, Mac, Asus-Netbook und Blackberry. "Für die Client-Virtualisierung
gibt es den Redhat-Enterprise-Desktop virtuell im Netz", so Pleschek. "Der Zugang erfolgt über ein
kleines Internetgerät, was den Vorteil hat, dass der mobile Client lokal im Netz verwaltet wird."
Quasi als Desktop as a Service fungiert der Open Client Mini USB von Sony für 23 Euro mit dem
Linux-System, das annähernd jede Hardware erkennt. "Der Clou der kleinen Karte ist, dass wir eine
Verschlüsselung haben."

Basis der Lösung ist ein Server. "Auf einem IBM Bladecenter System x lassen sich 500 Clients
virtualisieren", erklärt IBM-System-x-Manager Ulrich Walter,. "Die Daten sind im System
zentralisiert – so lässt sich Datenverwaltung draußen am Client vermeiden." Darauf sitzt VMware und
dann kommen die Redhat-Clients samt den Lotus-Anwendungen. Jürgen Rahn, Regionalmanager VMware,
schätzt, dass sich mit dem Bladecenter System x "sogar 1.000 Clients virtualisieren lassen".

Flexibilität ist für Wissensarbeiter enorm wichtig, erklärt Udo-Ernst Haner, Leiter Information
Work Innovation beim Fraunhofer-Institut IAO. "Wir müssen sie produktiver machen beim Wissen
aufnehmen, dem Verarbeiten im Kontext und dem Verteilen." Nach IAO-Studien steigt die Leistung
eines Wissensarbeiters, "wenn die IuK mehr Gestaltungsqualität besitzt". Beispielsweise arbeiten
nach der Studie Wissensarbeiter zu 95 Prozent mit Notebooks und PDAs. "Die Relation von fexibler
Technik und Performance ist unbestritten – es steigert die Kreativität, wenn die Mitarbeiter
entscheiden können, wo sie wie was arbeiten."

Heute dominiert laut Haner ein Gemisch aus konstanter statischer Einzelarbeit, mobiler und
dezentraler Einzelarbeit sowie kollaborativer, teamorientierter Arbeit. "Wir wissen, dass wir
explizit die Leistung der Wissensarbeiter steigern können, wenn wir uns darum kümmern, dass sie
zusammenarbeiten, ihre spezifische Arbeit erbringen können und ergonomische Rahmenbedingen erfüllt
sind." Allein die Ausstattung eines Arbeitsplatzes mit drei Monitoren hatte Effekt: "Die
Produktivität steigt um 35 Prozent – ohne irgendeine Schulung." Haners Rat an IT-Leiter: "Versorgen
sie Mitarbeiter mit richtiger Technik, damit sie flexibel sind – die Invesition wird zigfach
zurückgezahlt."

"Uns kommt die Eröffnung dieses Centers äußerst gelegen", so IBM-Deutschland-Chef Jetter, der
einen höheren Zusammenhang sieht – die Initiative A Smarter Planet von IBM und das Ubiquitous
Computing. "Bei A Smarter Planet geht es uns primär darum, die unglaublich vielen Ineffizienzen auf
dieser Welt auszubügeln –sei es im persönlichen oder Business-Leben, sei es im Umgang mit
natürlichen Ressourcen wie Energie, Elektrizität oder Wasser." Hier werde auch der Art und Weise,
wie zusammengearbeitet wird, Beachtung geschenkt: "Smarter Work ist ein sehr wichtiges Thema."

Voraussetzung für einen intelligenteren Umgang mit Ressourcen sei eine entsprechende
Infrastruktur. "Wir haben diesen Zeitraum technologisch gesehen jetzt erreicht – die kleinste
intelligente Einheit ist der Transistor." Von dem steckten heute in einem Chip 200 Millionen
Transistoren, entsprechend sei auch der Preis für diese kleinen Instrumente in den Keller gegangen.
"Wir werden bald Milliarden davon in Sensorik und eingebetteten Systemen um uns herum haben",
spricht Jetter das Ubiquitous Computing an. "Damit diese Geräte miteinander kommunizieren können,
brauchen sie eine Infrastruktur – und die Proliferation des Internets schreitet ja schnell voran,
zur Jahreswende erwarten wir zwei Milliarden Menschen im Internet." Auch das würde die
Zusammenarbeit von Menschen verändern. "Bei Smarter Work kommen Web-2.0-Technologien ins Spiel."

Zusätzlich erhofft sich Jetter von offenen Systemen auch eine Auswirkung auf den Arbeitsmarkt. "
Offene Systeme bedeuten Arbeitsplätze – das Ausbrechen aus der proprietären Welt aus Redmond in
offene Systemlandschaften schafft die Chance, in etablierten Märkten etwas Neues anzugehen." Jetter
versteht deshalb das Open Company Center nicht nur als Pionierarbeit: "Lassen Sie uns in den
nächsten Jahren die Robin Hoods der IT-Industrie sein."

Rochus Rademacher/CZ


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