Chancen und Aufgaben zukünftiger Informatiker sind grenzenlos

IBM-Fellow Booch: IT wandert aus nach Asien

5. Juni 2008, 22:57 Uhr |

IBM-Fellow und Chief Scientist Grady Booch ist davon überzeugt, dass die Herausforderungen an die Software-Entwickler dramatisch ansteigen werden und dass die zukünftigen Probleme der IT-Welt nicht in den bisher dominierenden Industrieländern gelöst werden, sondern in China, Indien und anderen Teilen Asiens.

"Das sinkende Interesse an einem Studium der Computerwissenschaften in den USA und in Westeuropa
bedeutet nicht, dass es in Zukunft zu wenig IT-Spezialisten geben wird, denn in China, Indien und
anderen asiatischen Ländern gibt es zweistellige Zuwachsraten", sagt Grady Booch. Damit würden sich
die regionalen Schwerpunkte der Informationstechnik in den kommenden Jahren automatisch nach Asien
verschieben. So führe China schon heute mit 19.246 Millionen IP-Adressen die Länderliste bei den
Internetadressen an. Das ist mehr als die auf Platz zwei und drei befindlichen Länder USA und
Deutschland zusammen aufbringen.

Folglich sei der Bedarf für IT-Experten in China und Indien besonders hoch. "Trotz immenser
Steigerungsraten sind die indischen Hochschulen bislang noch nicht in der Lage, genügend
Informatiker für die landeseigene IT-Industrie auszubilden, doch das wird sich bald ändern und
damit wird die eigene IT-Industrie weiter gestärkt werden", prognostiziert Booch.

Er widerspricht auch der allgemeinen Annahme, dass die Informatik keine kreativen Freiräume mehr
bieten würde. "Der weitaus größte Teil der Software, der in den kommenden Jahren genutzt werden
wird, ist noch nicht programmiert – da ist noch ganz viel Kreativität gefordert", lautet seine
Message an die Jugendlichen, die sich derzeit überlegen, was sie studieren wollen.

Hierzu verweist vor allem auf Embedded-Systeme: "Die Software in den modernen
Spiegelreflexkameras ist hochkomplex und bei solchen Anwendungen ist noch lange kein Ende in Sicht."
Aber auch bei den als etabliert geltenden Systemen sieht Booch noch erhebliche Herausforderungen.
So würden die gegenwärtigen Verfahren von Search und Indexing bereits an ihre Grenzen stoßen. "Die
Komplexität der heutigen Algorithmen steigt exponentiell mit der Datenmenge an; Google verarbeitet
inzwischen 20 Petabytes pro Tag, insgesamt werden im Internet täglich 627 Petabytes bewegt – eine
vor Jahren noch unvorstellbare Menge", gibt er als Grund für seine Einschätzung an.

Auch die neuen Hardwaresysteme würden eine besondere Herausforderung an die weitere
Softwareentwicklung stellen. Bei den Prozessoren zeichnet sich seiner Ansicht nach mit einer Dichte
von zehn Atomen pro Transistor eine physikalische Grenze ab. Doch für die neuen
Multikernprozessoren fehle es an geeigneter Software, an entsprechenden Compilern und neuen
Betriebssystemen, die all die neuen Features optimal ausnutzen.

"Die Leistungsgrenzen der zukünftigen Informatiker sind nur begrenzt durch ihre Phantasie", sagt
er in Anlehnung an Albert Einsteins berühmten Satz: "Phantasie ist wichtiger als Wissen." Und
momentan scheint diese Phantasie in den asiatischen Ländern weiter verbreitet als in den
hochentwickelten Industrieländern.

Der 53-jährige Booch ist einer der weltweit bekanntesten Softwareingenieure. Er ist der
Entwickler der Unified Modeling Language (UML). In seinem Buch "Objekt-orientierte Analyse und
Design" beschreibt er, wie sich mit Hilfe von zusätzlichen Klassifizierungen die Komplexität von
Softwarecode vereinfachen lässt.

Harald Weiss/pk


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+