Umwelt-Musterknabe Cisco in der Schusslinie

Konkurrent Nortel bemängelt: Cisco-Geräte sind Stromfresser

18. Juni 2008, 22:57 Uhr |

Der Marktanteil von Cisco bei LAN-Switches beträgt laut den Marktforschern der Dell’Oro Group 74 Prozent, und alle Versuche der Konkurrenz, Cisco von diesem Thron zu stürzen, waren bislang wenig erfolgreich. Jetzt spielt Nortel die Energiekarte - ein Argument, auf das immer mehr CIOs empfindlich reagieren.

"Ciscos Router und Switches benötigen doppelt soviel Strom wie unsere", lautet die Kernaussage
einer großen Werbekampagne von Nortel Networks in den USA. Darin beruft sich das Unternehmen auf
einen von der Tolly Group durchgeführten Vergleichstest. Danach verbrauchen die 24-Port-Switches
von Nortel durchschnittlich 31 bis 37 kWh und deren 48-Port-Switches 39 bis 45 kWh. Bei Cisco
betragen die Vergleichswerte 84 beziehungsweise 104 kWh.

"Das ist Ciscos Methode einer Energiesteuer, das Problem ist, dass diese nur dem
Unternehmensgewinn zu Gute kommt und nicht der Allgemeinheit", schimpft April Dunford,
Marketing-Verantwortlicher bei Nortel. Inzwischen hat das Unternehmen auch einen "
Energieeffizienzrechner" herausgegeben. Dabei handelt es sich um ein PDF-Dokument, das für
verschiedene Geräte einen Vergleich zwischen Nortel, Cisco und HP erlaubt. Danach betragen die
Energieeinsparungen der Nortel-Systeme teilweise sogar bis zu 92 Prozent.

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Cisco reagierte bislang nur indirekt auf Nortels Angriff – wohlwissend, dass ein Hochspielen
dieser Angelegenheit nur Nortel zugutekommen kann. "Es gibt keinen Industriestandard für ?grüne
IT-Geräte?, und nur Cisco erfüllt bislang die Forderungen des Produkttestunternehmens Miercom",
lautet der lapidare Kommentar von Cisco-Sprecherin Linda Horiuchi auf die Nortel-Kampagne.

Damit spricht sie in der Tat ein zunehmendes Problem der IT-Industrie an: das Fehlen
verbindlicher Umweltstandards. So hat Miercom einen eigenen Standard entworfen und zertifiziert für
viel Geld Unternehmen, die sich darum bewerben. Auch Ovum erteilt inzwischen solche
IT-Umweltzertifikate. So hat sich die Ericsson-Tochter Redback Networks dort bestätigen lassen,
dass ihre Geräte energieeffizienter sind als die der Konkurrenz. "Das ganze Gerede um eine
umweltfreundliche Informationstechnologie ist ein riesiges Chaos an widersprüchlichen Messungen,
Auswertungen und Darstellungen", schimpft Ray Mota, Analyst bei der Synergy Research Group.

Trotz dieser Streitereien um allgemein verbindliche Standards sind die Nortel-Vorwürfe für Cisco
in mehrerer Hinsicht gefährlich. Zum einen gibt sich Cisco-Chef John Chambers stets als besonders
umweltorientiert. So nutzt er jede Gelegenheit, Ciscos proprietäre Videokonferenztechnik
Telepresence als eine äußerst umweltschonende Alternative zu den CO2 verschlingenden Flugreisen zu
positionieren. Zum zweiten gewinnt das Thema Stromverbrauch eine immer größere Aufmerksamkeit bei
den CIOs. Sollten die Cisco-Geräte den Makel von Stromfressern erhalten, könnte das den weiteren
Umsatz negativ beeinflussen.

Und daraus resultiert das dritte Problem: Ein massiver Gegenschlag gegen die
Nortel-Anschuldigungen wäre eine immense Publicity für Nortel, das bislang in den Firmen-LANs
gegenüber dem Goliath Cisco eine David-Rolle spielt.

Dieses Geschäft ist für Cisco äußerst profitabel, denn im Gegensatz zu den in der
Computertechnik üblichen Preissenkungen über der Zeit hält Cisco seine Preise konstant und streicht
die anfallenden Kosteneinsparungen für sich selbst ein. "Cisco verhält sich heute wie einst IBM bei
den Mainframes, und nur eine schärfere Konkurrenzsituation kann daran etwas ändern", so
Gartner-Analyst Mark Fabbi, der schon seit langem Ciscos monopolistische Hochpreispolitik
kritisiert.

Seiner Ansicht nach ist es höchste Zeit, dass die CIOs Cisco Aufpreis hinterfragen. "Nortels
Geräte sind vielleicht nicht leistungsfähiger als die von Cisco, aber deren Total Cost of Ownership
(TCO) ist um Faktoren günstiger", bestätigt er und empfiehlt denjenigen IT-Chefs, die langfristige
Cisco-Verträge haben, sich zumindest ab und an ein Vergleichsangebot bei Nortel einzuholen.

Harald Weiss/wg


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