Umstieg auf Fixed-Mobile Convergence

Konvergenz für Fortgeschrittene

9. Mai 2007, 23:25 Uhr | Matthias Feicht/wg Matthias Feicht ist Product Manager FMC bei BT Germany.

Die Konvergenz von Sprach- und Datennetzen ist in vielen Unternehmen schon Realität - nun erklimmen einige bereits die nächste Stufe: Auch Festnetz und Mobilfunk wachsen zusammen. Die Fixed-Mobile Convergence (FMC) bietet das Potenzial für eine Reihe von Optimierungen: verbesserte Erreichbarkeit, mehr Flexibilität und vielfach auch niedrigere Gesprächskosten.

Auslöser für die Einführung einer FMC-Lösung ist häufig der Wunsch, die Komplexität der
Kommunikationsinfrastruktur zu reduzieren. Mit der bislang üblichen Kombination aus herkömmlichen
Festnetztelefonen, IP-Telefonen, GSM-Mobiltelefonen und PDAs koexistiert im heutigen Büroalltag oft
eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter verfügen mit Festnetz- und
Mobilnummer über mindestens zwei Rufnummern – häufig ergänzt durch weitere Nummern für Modemkarte,
Blackberry etc. – sowie zwei Mailbox-Systeme. Sie alle gilt es parallel zu pflegen, zu verwalten
und abzurechnen. Für Home-Office-Mitarbeiter kommt in der Regel noch ein weiterer Anschluss hinzu,
der meist noch nicht einmal an die Unternehmensanwendungen angebunden ist. Die Folge sind mangelnde
Bedienerfreundlichkeit und damit verbunden ein Zeitverlust für die Mitarbeiter. Für das Unternehmen
bedeutet dies zudem mangelnde Transparenz und hohe Kosten sowie einen schlechten Serviceeindruck
für alle Anrufer, die ihrem potenziellen Gesprächspartner über diverse Nummern und Mailboxen hinweg
nachspüren müssen.

Bei der Kommunikation per klassischem Mobiltelefon fehlen zudem viele der im Festnetz
etablierten und die Arbeit erleichternden Leistungsmerkmale wie zum Beispiel die Rückfrage oder
spontane Konferenz, Anrufweiterleitung, der Zugriff auf ein unternehmensweites Telefonverzeichnis –
ganz zu schweigen von den neuen Zusatzapplikationen, die erst die Umstellung auf IP-Telefonie
ermöglicht, darunter Instant Messaging, Videokonferenzlösungen oder auch Verfügbarkeitsanzeigen
(Presence Services).

Im Arbeitsalltag haben sich je nach Arbeitsprofil in vielen Unternehmen daher zwei übliche
Szenarien heraus gebildet: Mitarbeiter, die hauptsächlich vom Schreibtisch aus tätig sind,
verwenden ihr Mobiltelefon nur, wenn sie unterwegs sind, müssen dabei dann aber notgedrungen auf
eine Vielzahl von Funktionen wie die Konferenzschaltung oder die unkomplizierte Weiterleitung an
den Kollegen verzichten. Mitarbeiter hingegen, die viel unterwegs sind (und sei es nur im eigenen
Bürogebäude), stellen häufig ihr Festnetztelefon dauerhaft auf das Handy um und nutzen das mobile
Gerät selbst dann, wenn sie am eigenen Schreibtisch sitzen. Dies ist ebenfalls verständlich, da sie
meist alle Nummern und Kontaktdaten im Mobiltelefon bequem abrufbar gespeichert haben – allerdings
verursacht dieses Verhalten dem Arbeitgeber in der Regel unnötig hohe Kosten.

Damit bietet sich ein großer Spielraum für Optimierungen via FMC. Für die Implementation einer
FMC-Lösung im Unternehmen sind freilich einige Änderungen an der Infrastruktur nötig. Zumindest ist
zu prüfen, ob die vorhandenen Komponenten geeignet sind. Dabei sind im Wesentlichen vier Bereiche
zu betrachten: die TK-Anlage (beziehungsweise der Mobility-Server), die Endgeräte, die
WLAN-Infrastruktur sowie die LAN- und WAN-Architektur.

Mobility-Server

Ein erster Schritt hin zur besseren Vernetzung von Festnetz- und Mobiltelefonie ist die
Einführung einer einheitlichen Rufnummer: Der Mitarbeiter ist immer unter derselben Durchwahl
erreichbar, egal, welches Gerät er benutzt. Der Realisierung dient ein so genannter
Mobility-Server. Zahlreiche Hersteller wie Cisco, Alcatel-Lucent oder Siemens bieten diese
Komponente an. Sie ist entweder bereits in eine IP-Telefonanlage (IP-PBX) integriert oder wird als
gesonderte Komponente (Appli-ance) installiert. IP-PBX und Mobility-Server lassen sich dabei
entweder im Unternehmen aufstellen und betreiben (on site) oder aber an einen Dienstleister
auslagern, was den Vorteil hat, dass das Know-how für Konfiguration und Betrieb nicht im eigenen
Unternehmen aufzubauen ist.

Der Mobility-Server sorgt dafür, dass jeder Mitarbeiter nur noch unter einer einheitlichen
Nummer erreichbar ist. Für diese Funktionalität sind zunächst keine speziellen Mobilgeräte zu
beschaffen, bereits vorhandene GSM-Handys lassen sich weiterhin benutzen. Welche Endgeräte –
IP-Telefon auf dem Bürotisch, Mobiltelefon, Smartphone etc. – unter der jeweiligen Einheitsnummer
zusammengefasst werden sollen, kann die IT-Abteilung pro Benutzer individuell konfigurieren. So
lässt sich beispielsweise das Telefon im Home Office in das Einheitsrufnummern-Konzept integrieren.
Der Anrufer wählt in allen Fällen bequem dieselbe Nummer an – beim Anwender klingeln, je nach
Konfiguration, bestimmte Endgeräte oder aber alle Geräte parallel. Der Angerufene kann nun
entscheiden, an welchem Apparat er das Gespräch annimmt und auch während des Gesprächs zwischen den
Endgeräten wechseln, also zum Beispiel ein Telefonat vom Handy an das Tischtelefon übergeben und
umgekehrt. Das heute übliche "Oh, ich hatte noch aufs Handy umgestellt, rufe Sie gleich vom Platz
zurück?" gehört also der Vergangenheit an. Ein weiterer Vorteil: Es gibt nur noch eine zentrale
Mailbox, die der Anwender abhören muss und somit auch nur einen Ansagetext, der zu aktualisieren
ist.

Da der Mobility-Server auf IP-Basis kommuniziert, ist es empfehlenswert, ihn in Kombination mit
einer IP-Telefonanlage einzusetzen. Soll eine klassische, TDM-basierte TK-Anlage eingebunden werden
– etwa weil ein Unternehmen durch einen bestehenden Vertrag gebunden ist und eine entsprechende
Neuinvestition erst später ansteht – so ist dies über ein Gateway (Q.SIG-Protokoll) grundsätzlich
ebenfalls möglich. Allerdings sind hier in der Regel Einschränkungen bei der Funktionalität und den
Leistungsmerkmalen in Kauf zu nehmen. Es ist daher empfehlenswert, gleich auf eine IP-PBX zu
setzen.

Auch wenn es prinzipiell möglich ist, klassische GSM-Mobiltelefone einzusetzen: Einen größeren
Funktionsumfang bieten Dual-Mode-Endgeräte, die neben GSM auch WLAN unterstützen. Beispiele dafür
sind die E-Serie von Nokia oder das Win-dows-Mobile-basierte Smartphone Excalibur von HTC. Neben
den aus der Festnetzwelt bekannten Leistungsmerkmalen wie Ad-hoc-Konferenz, Weitervermittlung etc.
kommt bei diesen Geräten die Option des flexiblen Roamings dazu: Erhält der Teilnehmer einen Anruf,
stellt der Mobility-Server beim Verbindungsaufbau zunächst fest, wo der Angerufene sich gerade
befindet. Ist der Teilnehmer gerade "on net" – also via WLAN-Verbindung im IP-Netz des Unternehmens
erreichbar – baut der Server die Verbindung über die IP-Adresse des Teilnehmers auf. Der Anruf
lässt sich natürlich auch hier so konfigurieren, dass das Festnetztelefon ebenfalls klingelt.
Befindet sich der Teilnehmer dagegen außerhalb des IP-Unternehmensnetzwerks (off net), so initiiert
der Mobility-Server eine separate Sprachverbindung in das GSM-Netzwerk. Im Idealfall ist es
möglich, während des Gesprächs zwischen den Netzen zu wechseln – die Übergänge erfolgen dann
nahtlos und damit praktisch unbemerkt, das Gespräch wird nicht unterbrochen.

Eine Integration der Dual-Mode-Mobiltelefone versetzt die Mitarbeiter in die Lage, auch von
unterwegs auf die umfangreiche Palette von Leistungsmerkmale zurückzugreifen. Dazu zählen
TK-Anlagen-Features wie das Weiterleiten, die direkte Durchwahl und eine Chef-/Sekretärin-Funktion.
Sofern ein Smartphone zum Einsatz kommt, sind weitere Multimediaanwendungen wie Video-Telefonie,
Instant Messaging oder auch der Zugriff auf Intranet-Applikationen und das Corporate Directory
möglich.

Grundsätzlich spielt es keine Rolle, über welchen GSM-Provider die Telefonie läuft. Aus
organisatorischen Gründen empfiehlt es sich aber, Mobilfunk- und Festnetzdienste aus einer Hand zu
beziehen, weil es dann für Support und Rechnungstellung nur einen Ansprechpartner gibt.

Denkt ein Unternehmen über den Einsatz von Dual-Mode-Telefonen nach, gilt es vorab einige
Überlegungen hinsichtlich der WLAN-Infrastruktur durchzuführen. In diesem Fall bietet es sich meist
an, die Unterstützung eines externen Dienstleisters einzuholen. Vor allem ist zu prüfen, inwiefern
das WLAN VoIP-tauglich ist und welche Maßnahmen dafür gegebenenfalls zu ergreifen sind. Gegenüber
einem Daten-WLAN erfordert die Übertragung von Sprache ein weitaus höheres Qualitätsniveau. Selbst
kleinste Zeitverzögerungen von Sprache werden in einem Telefonat als unangenehm wahrgenommen. Das
Roaming zwischen den einzelnen WLAN-Zellen muss daher problemlos und mit nahtlosem Handover
funktionieren. Eine wichtige Planungsgröße, um zu ermitteln, in welchem Maße und an welchen Stellen
die Dichte der Access Points erhöht werden sollte – man geht davon aus, dass eine Überlappung von
15 bis 20 Prozent optimale Ergebnisse liefert – sind die prognostizierten Nutzerprofile.

Der Netzwerkausrüster Cisco gibt an, dass beim Einsatz des 802.11b-Standards acht parallele
Voice Streams je Access Point übertragbar sind. Ein Unternehmen sollte also kalkulieren, wie viele
Personen in einem bestimmten Bereich des Firmengebäudes voraussichtlich per WLAN telefonieren
werden. Die Funkzellen der Access Points müssen sich einerseits leicht überlappen, damit der
Handover störungsfrei funktioniert, andererseits ist zu beachten, dass die Frequenzbereiche
(WLAN-Kanäle) pro Sender so zugeteilt werden, dass sich benachbarte Zellen nicht stören. Für die
Detailplanung ist es daher empfehlenswert, auf die Planungswerkzeuge der entsprechenden Hersteller
zurückzugreifen. Auch der Einsatz eines zentralen WLAN-Controllers und die Implementierung einer
Anrufzugangskontrolle (Call Admission Control, CAC) sind sinnvoll, um für die notwendige Dienstgüte
(Quality of Service, QoS) bei der Sprachübertragung zu sorgen und zu verhindern, dass einzelne
Funkzellen durch zu viele parallele Voice Streams überbucht werden.

Da es sich anbietet, die WLAN-Infrastruktur sowohl für Sprache als auch für Daten zu nutzen,
sollte das Netzwerk in virtuelle LANs (VLANs) unterteilt sein. Ein typisches Szenario wäre eine
Konfiguration mit drei VLANs: jeweils eines für unternehmensinterne Sprache und Daten sowie ein
drittes für Gäste. Auf diese Weise können auch Besucher oder Mitarbeiter von Fremdfirmen in den
Genuss des drahtlosen Netzes kommen, der Datenverkehr aber ist vom internen Netz getrennt. Außerdem
erleichtert dies die Zuweisung einer reservierten Bandbreite für den Sprachverkehr.

Bei der Ortsbegehung sollte ein Unternehmen ebenfalls bauliche Gegebenheiten berücksichtigen,
also zum Beispiel einen Überblick über die unterschiedlichen Bausubstanzen bekommen, die die
Funktionstüchtigkeit des WLAN grundsätzlich beeinflussen können. In Form eingehender Messungen vor
Ort lassen sich zum Beispiel auch potenzielle Störquellen identifizieren, die sich beispielsweise
aus Interferenzen mit Mikrowellen, Bluetooth und anderen Frequenzen ergeben.

Besonders für Mitarbeiter, die sich häufig in Hotels oder Flughäfen aufhalten, ist der Einbezug
öffentlicher Hotspots in das FMC-Konzept interessant. Technisch ist dies mit allen Endgeräten
möglich, die WLAN unterstützen – allerdings ist zu beachten, dass diese Hotspots an das öffentliche
Internet angeschlossen sind und somit eine direkte Verbindung ins Unternehmensnetz aus
Sicherheitsgründen nicht empfehlenswert ist. Es wird also ein VPN-Client auf dem Mobilgerät
benötigt, der eine sichere Verbindung ins Unternehmensnetz aufbaut und in der Lage ist, sich
automatisch am Hotspot zu authentifizieren, da ansonsten der Bedienungsaufwand für den Anwender zu
groß wäre.

Gerade für Unternehmen, die mehrere Standorte im In- und Ausland betreiben, besteht ein
besonderer Reiz von FMC darin, dass Mitarbeiter sich an allen Standorten mit ihrem Dual-Mode-Gerät
ins Unternehmensnetz einbuchen können. In diesem Fall ist auch zu prüfen, inwieweit das
Weitverkehrsnetz für IP-Telefonie geeignet ist. Speziell bei einer verzweigten und/oder komplexen
Infrastruktur, wie sie für international aufgestellte Unternehmen typisch ist, muss sichergestellt
sein, dass das WAN, das die Standorte verbindet, eine Priorisierung der Datenströme erlaubt. Nur so
lässt sich eine gute Sprachqualität auch dann erzielen, wenn parallel andere Daten übertragen
werden. Als ideale Grundlage gilt dafür ein IP-Netz auf Basis von MPLS (Multi-Protocol Label
Switching). MPLS erlaubt die Einrichtung verschiedener Serviceklassen (Classes of Service, CoS) je
nach Relevanz der übertragenen Daten. Für Sprache wird generell CoS 1, die Klasse mit der höchsten
Priorität, genutzt.

Neben dem WAN sollte ein Unternehmen auch das LAN einer Prüfung unterziehen. Moderne Switches
und Router unterstützen ebenfalls QoS. Bei einer vollständig konvergenten Lösung, bei der also auch
auf den Schreibtischen IP-Telefone zum Einsatz kommen, sind Switches sinnvoll, die Power over
Ethernet unterstützen. Andernfalls muss geprüft werden, ob an allen Schreibtischen genügend
Steckdosen für die IP-Telefone vorhanden sind.

Gerade bei solch komplexen Installationsanforderungen empfiehlt es sich, die Einführung und den
Betrieb der FMC-Lösung als externe Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, um die Implementierungs-
und Wartungsarbeiten rund um die TK-Anlage und den Mobility-Server auszulagern: Der Dienstleister
übernimmt dann alle Aktivitäten vom Design über die Installation bis hin zum laufenden Betrieb und
der Verwaltung der Endgeräte – aktives und reaktives Monitoring inklusive. Für Unternehmen, die gar
keine eigene TK-Hardware mehr anschaffen möchten, ist auch eine gehostete Lösung attraktiv.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+