Auswahlkriterien für E-Mail-Server

Messaging-Lösungen für Unternehmen

16. Dezember 2005, 0:16 Uhr | Martin Kuppinger/pf

Bei den Messaging-Lösungen dominieren die großen drei Anbieter IBM Lotus, Microsoft und Novell. Daneben existieren aber viele Alternativen, die - je nach Anforderung - durchaus besser geeignet sein können. Welche Kriterien für die Auswahl entscheidend sein können, beschreibt der folgende Beitrag.

Bei der Frage nach der richtigen Lösung für den E-Mail-Server sind auf der einen Seite die
technischen Alternativen und auf der anderen Seite die Anforderungen und IT-Rahmenbedingungen zu
betrachten. Bei den technischen Optionen ist zunächst zwischen der Nutzung eigener E-Mail-Server
und der von Provider-Servern zu unterscheiden. So stellen externe E-Mail-Server heute vor allem bei
kleineren Unternehmen eine beliebte Lösung dar, und von einigen Anbietern existieren auch
Outsourcing-Angebote für Großunternehmen.

Groupware oder E-Mail?

Falls das Unternehmen seine Messaging-Lösungen selbst betreiben will, ist die erste Frage, ob
eine umfassende Groupware-Lösung oder ein reiner Messaging-Server die richtige Lösung darstellt. Im
Bereich der Groupware- und Messaging-Systeme sind zunächst IBM Lotus Domino, Microsoft Exchange
Server sowie Novell Groupwise zu nennen. Unterhalb dieser großen Suiten existieren aber auch
etliche kleinere, oft mehr auf KMUs zugeschnittene Lösungen wie etwa von Merak, aber beispielsweise
auch der Open-Xchange Server als Open-Source-Lösung. Auf der anderen Seite bietet der Markt eine
große Zahl spezialisierter Mail-Server – von Sun Messaging Server bis hin zu Postfix und Sendmail
aus dem Open-Source-Sektor oder Produkten wie etwa Kerio Mail Server. Interessant ist, dass darüber
hinaus auch IBM mit IBM Workplace Messaging, Novell mit Netmail und sogar Microsoft mit dem
POP3-Dienst des Windows Servers 2003 noch weitere Varianten von Messaging-Servern im Portfolio
haben (wobei die Microsoft-Lösung kaum praktische Relevanz besitzt).

Der Vorteil integrierter Groupware-Lösungen gegenüber reinen Messaging-Servern ist die
Verbindung von Mail-, Kalender und Zeitplandiensten, Task-Management und weitergehenden Funktionen
wie zum Beispiel unternehmensweitem Kontaktmanagement, Dokumenten- und Workflow-Funktionen bis hin
zu eigenständigen Umgebungen für die Entwicklung kollaborativer Anwendungen. Standardmäßig sind die
für die Benutzer wichtigsten "Produktivitätswerkzeuge" wie E-Mail oder Kalender eng integriert und
einfach nutzbar.

Der Groupware-Ansatz zeigt aber auch Schwächen. So existieren immer noch viele Unternehmen, die
Lotus Domino nur als Messaging- und Kalendersystem nutzen, aber keine größere Zahl ergänzender
kollaborativer Anwendungen darauf einsetzen. Bei Microsoft Exchange Server ist dieses Phänomen noch
deutlich ausgeprägter, da es dieses Produkt – ebenso wenig wie Novell Groupwise – wirklich
geschafft hat, sich als Plattform für die Anwendungsentwicklung zu etablieren.

Insbesondere die drei genannten Systeme – aber prinzipiell auch jede andere Plattform mit
vergleichbarem Funktionsumfang – weisen zudem den Nachteil auf, dass sie den Aufbau einer komplexen
Infrastruktur erfordern. In größeren Netzwerken müssen verschiedene Server Informationen
untereinander austauschen, und auch die Sicherheits- und Administrationskonzepte sind nicht
trivial.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass bei komplexeren Groupware-Ansätzen genau abzuwägen ist, ob
die umfassendere Funktionalität auch tatsächlich benötigt wird und den Mehraufwand wert ist. Rein
für die Basisfunktionen von POP3- oder IMAP-Zugriffen sowie Kalenderfunktionen sind die
Groupware-Plattformen vor allem im KMU-Umfeld doch oft funktional überfrachtet. Andererseits
zeichnen sich gerade diese Systeme durch die leistungsfähigsten Webclients aus, die sich in ihrer
Funktionalität immer mehr den "Fat Clients" wie Microsoft Outlook oder Lotus Notes annähern.

Zudem verfügen speziell die drei führenden Anbieter im Group-ware-Markt jeweils auch über ein
großes Partnernetzwerk, das beispielsweise Implementierungsprojekte durchführen kann. Letztlich
gilt aber, dass das Unternehmen genau prüfen muss, ob die zusätzliche Funktionalität – und hier
sind in erster Linie die Webclients und die über E-Mail und Kalender hinausgehenden Dienste gemeint
– tatsächlich in der Praxis benötigt werden.

Innerhalb der Kategorie der Groupware-Systeme spielt zunächst die vorhandene IT-Infrastruktur
eine zentrale Rolle für die Auswahlentscheidung. Open-Source-Lösungen werden im Linux-Umfeld
favorisiert, auch wenn sie nicht darauf beschränkt sind. Microsoft Exchange Server erfordert
zwingend eine Active-Directory-Infrastruktur, während Novell Groupwise nicht ohne
Edirectory-Umgebung auskommt. Hier können sich die eingesetzten Verzeichnisdienste bereits als
Hürde erweisen, da beispielsweise die Integration von Active Directory in fremde Umgebungen doch
einen erheblichen Mehraufwand bedeuten kann.

Groupware-Kriterien

Die IT-Infrastruktur wirkt hier deutlich einschränkend: Wenn eine Lösung nicht zur vorhandenen
Umgebung passt, sollte sehr genau überlegt werden, ob der höhere Aufwand für die Integration durch
eine eventuell höhere Funktionalität oder interessantere Lizenzmodelle gerechtfertigt ist.

Falls sich das Unternehmen für eine Groupware-Lösung entscheidet, stellt sich zunächst die
Frage, ob man auf dieser Basis ergänzende Anwendungen einsetzen will. In diesem Fall spielen
einerseits die Entwicklungsplattform und andererseits die Partnerinfrastruktur und die von den
Partnern verfügbaren Anwendungen eine wichtige Rolle bei der Produktauswahl. Lotus Domino hat in
diesem Bereich seine Stärken, da hier im Laufe der Jahre viele Anwendungen entstanden sind und von
der einfachen Formelsprache bis hin zur ausgefeilten Integration mit J2EE-Plattformen ein sehr
breites Spektrum an Optionen für die Softwareentwicklung zur Verfügung steht. Der Microsoft
Exchange Server wiederum profitiert von seiner Integration in das Microsoft Dotnet Framework.

Im Übrigen sind es eher technische Kriterien, die zu beachten sind. Ein Beispiel ist die
Unterstützung von sicheren E-Mails – möglichst auch beim Zugriff über das Web. Bei allen
Plattformen außer Microsoft Exchange kommt auch der Integration von Microsoft Outlook hohe
Bedeutung zu. Immerhin ist dies der am häufigsten eingesetzte E-Mail-Client, der in sehr vielen
Fällen auch in Infrastrukturen eingebunden werden muss, die beispielsweise auf Open-Xchange oder
Lotus Domino basieren. Gerade Lotus hat hier mit DAMO (Domino Access for Microsoft Outlook) eine
sehr enge Integration realisiert.

Doch nur Messaging?

Falls die Entscheidung für ein reines Messaging-Produkt sowie eventuell ergänzende Kalender- und
Zeitplanungsfunktionen fällt, existieren deutlich mehr Optionen bei der Produktauswahl. Das liegt
schon daran, dass in diesem Fall letztlich nur ein POP3- oder IMAP-Server benötigt wird, um auf
Mails zuzugreifen. Solche Lösungen existieren in großer Zahl, wobei das Spektrum von einfachen
Systemen ohne große Skalierbarkeit bis zu hoch skalierbaren Lösungen wie beispielsweise von Sun
reicht.

In die Produktkategorie reiner Messaging-Lösungen fallen auch Lösungen wie IBM Workplace
Messaging und Novell Netmail. Hier stellt sich die Frage, warum die beiden Hersteller
Wettbewerbsprodukte zu ihren Groupware-Servern ins Portfolio aufgenommen haben – eine Frage, deren
Antwort auch zu einem weiteren Vorteil von reinen Messaging-Lösungen im Vergleich mit komplexen
Groupware-Produkten führt. Die Begründung beider Hersteller ist, dass sie eine Alternative für
bestimmte Einsatzszenarien benötigen. Dabei geht es einerseits um Mail-Funktionalität innerhalb von
Portalen und andererseits darum, E-Mail-Funktionen für alle Mitarbeiter in Unternehmen
bereitzustellen und nicht nur für diejenigen, die über einen eigenen PC verfügen. Wer nur
gelegentlich und in überschaubarem Umfang Mails lesen und schreiben muss, benötigt keine komplexen
Systeme wie Microsoft Outlook mit einem Exchange-Server als Backend oder Lotus Notes mit Domino im
Hintergrund. Die Mitarbeiter im Verkauf von Einzelhandelsunternehmen oder die
Produktionsmitarbeiter im Fahrzeugbau sind die Zielgruppen, die IBM und Novell primär mit ihren
schlankeren Lösungen adressieren – neben den Unternehmen, die Groupware-Lösungen als zu
schwergewichtig für ihre Anforderungen empfinden.

Als wichtigste Kriterien für die Auswahl solcher Lösungen gelten Sicherheit und Skalierbarkeit
sowie die administrativen Schnittstellen und die unterstützten Front-ends. Letzteres betrifft vor
allem die Frage, ob auch Webclients angeboten werden und wie leistungsfähig diese sind. Diese sind
auch für die Integration in Enterprise-Portale unverzichtbar, während POP3 und IMAP für andere
Clients ohnehin standardmäßig Unterstützung finden.

Sicherheit und Skalierbarkeit

Sicherheit und Skalierbarkeit stellen die größten Herausforderungen bei Messaging-Lösungen dar.
Bei der Sicherheit geht es einerseits um die Unterstützung von Standards wie S/MIME für die sichere
E-Mail-Kommunikation und andererseits um die Integrationsmöglichkeit von Spam-Filtern und
Virenscannern, die heute für eine effiziente und sichere Nutzung von E-Mails leider unverzichtbar
sind. Für etablierte Systeme existiert in der Regel eine größere Auswahl an Add-ons, wobei sich in
jedem Fall auch vorgeschaltete Systeme, die als SMTP-Relay arbeiten, nutzen lassen.

Bei der Skalierbarkeit sind vor allem die großen Datenmengen zu beachten, die auf E-Mail-Servern
anfallen. Vor allem in Szenarien, bei denen die Mails auch auf Servern archiviert und nicht nur
kurzfristig zwischengespeichert werden, ist die Unterstützung von Storage-Lösungen erforderlich,
die gleichermaßen eine hohe Verfügbarkeit wie eine gute Performance und Skalierbarkeit bieten. So
zählten beispielsweise die Erweiterungen für das Storage-Management zu den wesentlichen Neuerungen
bei der Einführung von Microsoft Exchange Server 2003.

Webclients

Ein weiteres wichtiges Auswahlkriterium stellen die Webclients dar. Diese haben sich in den
letzten Jahren deutlich weiterentwickelt – von einfachen Lösungen, die kaum für die Bearbeitung
größerer Mengen von Mails geeignet waren, hin zu komplexen Anwendungen mit sehr großem
Funktionsumfang, die sogar zunehmend die E-Mail-Verschlüsselung beispielsweise über S/MIME
unterstützen. Da solche Lösungen für mobile Benutzer fast unverzichtbar sind, aber auch bei der
Integration in Portale eine wichtige Rolle spielen, sollte auf die Leistungsfähigkeit dieser
Schnittstellen besonderes Augenmerk gerichtet werden. Hier können die führenden Anbieter von
Groupware-Lösungen überzeugen, die insgesamt die besten Webclients bieten.

Es ist nicht in jedem Fall einfach, die richtige Messaging-Lösung zu finden. Neben den vielen
unterschiedlichen Kriterien wie Sicherheit, Skalierbarkeit, Kosten, Kompatibilität zur bestehenden
IT-Infrastruktur oder Qualität der Webclients ist auch zu berücksichtigen, dass der Einsatz eines
neuen Systems selten "auf der grünen Wiese" erfolgt. Damit stellt sich beispielsweise die Frage,
was mit den bisherigen E-Mails geschieht. Migrationswerkzeuge existieren vor allem für die
führenden Produkte am Markt, weil die Hersteller dort versuchen, ihre Position auf Kosten der
jeweils anderen Anbieter zu verbessern.

Deutlich an Bedeutung für die Auswahlentscheidung haben die Webclients gewonnen, einerseits als
flexibler Zugriffsweg beispielsweise für mobile Benutzer, andererseits auch durch die zunehmende "
Portalisierung" von IT-Infrastrukturen.

Wie hoch das Unternehmen Fähigkeiten wie die Zeitplanung oder kollaborative Anwendungen
bewertet, ist im Einzelfall zu analysieren. Oft reicht es auch aus, mit E-Mail sowie lokalen
Kalendern zu arbeiten und die Terminabstimmung beispielsweise über Outlook-Einladungen
durchzuführen, in denen ohne zentrales Backend allerdings die "Frei-/Besetzt"-Zeiten fehlen. Der
Vorteil ist eine deutlich schlankere Infrastruktur. Auf jeden Fall existieren mehr Optionen als nur
die drei "großen" Messaging-Plattformen.


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