Nach seinem Sieg vor Gericht über SCO bezüglich der Urheberrechte von Unix will Novell bei Linux-Nutzern keine Rechte geltend machen - anders als der Kontrahent, der etwa gegen IBM geklagt hat. Microsoft sieht dagegen weiterhin sein geistiges Eigentum durch das Open-Source-Betriebssystem verletzt.
"Viele haben wohl gedacht, jetzt, wo Novell das Copyright für Unix hat, werden sie das gleiche versuchen wie SCO", erläuterte Novell-Sprecher Bruce Lowry und stellte gleichzeitig klar: "Nein, genau das werden wir nicht tun." Man habe keinerlei Absichten, Linux mittels dieser Rechte juristisch anzugreifen. "Wir hatten diese Copyrights schon die vergangenen 14 oder 15 Jahre. Nur weil sie nun gerichtlich bestätigt wurden, werden wir unsere grundsätzliche Haltung nicht ändern", betonte er und stellt klar: "Linux-Anwender verstoßen nicht gegen irgendwelche Unix-Copyrights."
Und damit hat Lowry vollends Recht. Auch die von vielen Kommentatoren aufgeworfene theoretische Frage, was eigentlich passiert, falls Novell die Unix-Rechte beispielsweise an Microsoft verkauft, geht ins Leere: Novell hat Linux unter der GPL veröffentlicht und sich damit aller Ansprüche, die aus einer möglichen Verwendung von Unix-Teilen oder anderen eigenen Entwicklungen entstammen, entledigt.
Anders sieht es dagegen mit den weiterhin schwammigen Vorwürfen von Microsoft aus. Die Redmonder behaupten nach wie vor, dass Linux 235 Microsoft-Patente verletze. Zwar sind sie bislang jeden Beweis dafür schuldig geblieben, aber das heißt nicht automatisch, dass es keine Ansprüche gibt. "Es soll keiner vergessen, dass Microsoft gerade in jüngster Zeit seine Ansprüche und Anstrengungen gegenüber der Linux-Gemeinde verstärkt hat", so Gartner-Analyst George Weiss. Seiner Ansicht nach sollten ultra-risikosensible Anwender weiterhin auf eine Schadensbefreiung seitens ihrer Linux-Lieferanten bestehen und den Einsatz dieses Systems auf nicht unternehmenskritische Anwendungen beschränken.
Ein Bezirksgericht in Utah hatte kürzlich entschieden, dass Novell rechtmäßiger Besitzer der Unix-Urheberrechte ist, und dass Novell den Konkurrenten SCO zwingen könne, dessen Ansprüche darauf aufzugeben. SCO hat seit 2003 eine entsprechende Klage gegen IBM laufen: IBM soll an SCO Milliarden an Lizenzgebühren zahlen, weil die Linux-Nutzung durch Big Blue gegen die Unix-Urheberrechte verstoße, die SCO 1995 von Novell erworben hätte.
Das Gericht sah das jedoch in weiten Teilen anders. Richter Dale Kimball legte auch fest, dass SCO den entsprechenden Teil der Lizenzgebühren, die Microsoft und Sun für die Nutzung von Unix-Technik gezahlt haben, an Novell weiterleiten muss. Doch SCO will sich gegen die Entscheidung wehren und weiter den Rechtsweg beschreiten. SCO-Chef Darl McBride schrieb in einem Brief an seine Kunden, dass die Gerichtsentscheidung von Utah nichts an seiner Überzeugung ändere, dass SCO 1995 die vollständigen Unix-Urheberrechte von Novell rechtmäßig erworben habe. In dem Schreiben gesteht er zwar die Niederlage in dem Prozess ein, behält sich aber noch weitere Schritte vor: "Der Fall ist rechtlich noch nicht völlig abgeschlossen, und wir werden unsere weiteren Möglichkeiten prüfen und uns dann entscheiden."
Dies ist insofern korrekt, da das Urteil gegen SCO noch nicht rechtskräftig und eine Berufung noch möglich ist. Die entscheidende Frage ist jedoch keine Rechtsfrage, sondern ob SCOs Investoren weiterhin bereit sind, Millionen in diesen Prozess zu investieren. Schon in der Vergangenheit konnte sich SCO die Rechtsstreitereien nur deshalb leisten, weil es 20 Millionen Dollar von einer privaten Investmentfirma bezogen hat, von der vermutet wird, dass sie das Geld von Microsoft erhalten hatte. Weitere 17 Millionen hat Microsoft direkt an SCO gezahlt und dieses als Unix-Lizenzgebühr deklariert. Damit wollte Microsoft öffentlich dokumentieren, dass es der Meinung ist, dass SCO der rechtmäßige Eigentümer von Unix ist. Doch diese Einschätzung kommt SCO und damit indirekt auch Microsoft jetzt sehr teuer zu stehen, denn laut dem jüngsten Urteil muss SCO jetzt einen angemessen Teil an Novell abführen.
Auch bei Novell ist man noch dabei, die 102-seitige Urteilsbegründung gründlich zu analysieren, sagte der Senior Vice President John Dragoon. "Aber es ist klar, dass es eine großartige Entscheidung für Linux und die Open-Source-Community ist." Kunden und Entwickler könnten nun ohne Angst vor SCO die Nutzung und Weiterentwicklung von Linux vorantreiben.
Allerdings ist mit dem Urteil der Rechtsstreit zwischen SCO und Novell noch nicht beendet. Mehrere weitere Klagen sind anhängig, die nächsten Monat zur Verhandlung kommen sollen. "Es wäre aber ein Understatement zu sagen, dass SCO dabei in einer schlechten Ausgangslage ist", so der Open-Source-Guru Bruce Perens. Dem stimmt auch Pund-IT-Analyst Charles King zu: "Mit dem Urteil haben sich SCOs Zukunftspläne quasi in Rauch aufgelöst." Man müsse sich fragen, wie lange SCO als Unternehmen noch bestehen könne.
Barbara Gengler/Harald Weiss/wg