Hitzeprobleme im Data Center eskalieren

RZs brauchen den Klimawandel

5. März 2007, 23:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Die klassische Skalierungsmethode ist im Rechenzentrum es, bei gestiegenem Ressourcenbedarf zusätzliche und/oder stärkere Server ins Rack zu schrauben. Der Haken daran: Aktuelle Server erzeugen deutlich mehr Abwärme als ihre älteren Kollegen. Damit steigt der Klimatisierungsbedarf dramatisch - bis hin zur potenziell eingeschränkten RZ-Skalierbarkeit. So sind die Unternehmen heute gefordert, den Klimawandel im Data Center einzuleiten. Dies wäre ein wichtiger erster Schritt hin zum nachhaltigen IT-Management.

"Gestiegene Mengen sehr heißer Luft haben im Rechenzentrum eine Mikroversion der globalen
Klimaerwärmung geschaffen", warnte Forrester-Analyst Richard Fichera schon letztes Jahr. Laut Jed
Scaramella von IDC verschlingt ein Durchschnittsserver heute 400 Watt – viermal soviel wie noch vor
zehn Jahren. Zugleich habe sich in diesem Zeitraum die Serverdichte verdoppelt: von sieben auf 14
Server pro Rack. Der Grund: Serversysteme wurden vom Tower über die Pizzabox zum Blade-System immer
kompakter und zugleich billiger. Dies erlaubte den großzügigen Servereinsatz auch für
Multi-Tier-Anwendungen. Manche Unternehmen rechnen laut Scaramella künftig mit bis zu 60 Servern
pro Rack. IDC erwartet deshalb, dass die Kühlkosten bis 2010 von 21 auf 70 Prozent des
Serverbetriebsbudgets steigen werden.

Rechenzentren laufen heiß

Brisant ist dieser Trend, weil die Abwärme heutiger CPUs – der Ressourcenfresser Nummer eins –
die Kühlungskapazitäten manch eines Rechenzentrums beträchtlich übersteigen kann, wie auch Rakesh
Kumar und John Enck von der Gartner Group betonen. Der Einsatz dicht CPU-bepackter Server werde
weiter stark zunehmen, was zwei grundlegende Probleme verursache: Erstens könne der
Energieverbrauch eines solchen Racks 30 kW erreichen – während herkömmliche Racks für zwei bis drei
kW ausgelegt seien. Zweitens treibe die Abwärme durch dicht bestückte Blade-Racks die
konventionelle Luftkühlung an die Grenze ihrer Leistungskraft und erfordere zusätzliche
Investitionen bis hin zum Einsatz von Wasserkühlung, wie er bisher nur bei Highend-Mainframes
üblich ist.

Wie zentral die Frage des Energiemanagements im RZ ist, brachten die Gartner-Analysten Cappelli
und Kumar im Dezember 2006 in einem Thesenpapier (Kasten) auf die Formel: "Umweltbewusstes
Energieverbrauchsmanagement wird eine fundamentale Aufgabe für die Infrastruktur- und
Betriebsorganisationen der Unternehmen werden." Die Marktforscher identifizierten vier treibende
Faktoren: neben den erwähnten Chip-Architekturen, deren Hitzeentwicklung an die Grenzen der
Miniaturisierung geht, und den energieaufwändigen Multi-Tier-Architekturen auch die stark
gestiegenen Energiepreise sowie soziopolitische und ökologische Probleme. Wegen diesen sei mit
zunehmender staatlicher Regulierung zu rechnen.

Zu ineffizientes Chip-Design

Forrester-Analyst Fichera kritisiert, dass die CPU-Produzenten bisher zu oft nur auf
Leistungssteigerung und zu selten auf Energieeffizienz achteten. So habe Intel beim Prozessordesign
zugunsten schnellerer CPUs wiederholt Abstriche bei der Streuverlustvermeidung akzeptiert. "
Streuverluste sind völlig verschwendete Energie und haben zugenommen", moniert Fichera. So strahle
ein Intel Xeon MP maximal 130 Watt Hitze ab, also 260 Watt pro Quadratzoll – das entspreche selbst
in der normalen Endausbaustufe der Heizleistung einer Kochplatte. Opteron-CPUs haben laut Gartner
zirka 20 Prozent geringeren Strombedarf als die Intel-Produkte. IBM behauptet gar, das
Opteron-basierte Bladecenter L21 verbrauche im Idle-Modus bis zu 30 Prozent weniger Strom als
vergleichbare Systeme. Sun wiederum betont, mit dem Sparc-System T1000 Niagara die Konkurrenz in
Sachen Energieeffizienz bis um den Faktor 2,5 hinter sich zu lassen.

Intel hat darauf längst reagiert. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Robson-Technik, die ab der
zweiten Jahreshälfte 2007 bei der Notebook-Plattform Santa Rosa zum Einsatz kommen soll: Der
Robson-Treiber soll zusammen mit einem speziellen Flash-Speicher die Festplatte – den klassischen
Bottleneck lokaler Schreib-/Lesevorgänge – von Zugriffen entlasten. Dies beschleunige nicht nur die
Arbeit am Notebook, sondern senke auch den Stromverbrauch: Der Flash erspare der Harddisk Energie
raubende mechanische Arbeit, zudem könne die Platte so schneller in den sparsamen Tiefschlafmodus
wechseln. Dies zielt freilich vorrangig auf die Batterielaufzeit geplagter Notebook-Anwender.
Solange Stromknauserei à la Robson noch nicht in die Server-Racks Einzug gehalten hat, müssen sich
die Anbieter anderweitig behelfen.

Es reicht nicht aus, sich nur auf aufwändigere Kühlung und CPU-Fortschritte zu verlassen: "Das
Management der Hitze im Data Center ist eine Kette", betont Fichera. "Diese beginnt mit den Chips,
reicht weiter über die Boards, das Gehäuse und das Rack und endet mit dem RZ als Ganzem." (Bild)
Die Hitzeerzeugung und -abfuhr bezeichnet er deshalb als "domänenübergreifendes Problem", die
Lösung erfordere eine konzertierte Anstrengung der Marktteilnehmer, darunter "Anbieter von
Kühllösungen und Halbleitern, Systemdesigner, Softwareingenieure sowie Rechenzentrumsarchitekten
und -betreiber". Denn die Aufgabenstellung reiche vom intelligenten Design der Luftzirkulation in
den Serversystemen über die Kontrolle der Hitzeerzeugung auf Systemebene bis zur hitzeoptimierten
RZ-Planung. Fichera rät den Unternehmen: "Geben Sie Hitze- und Kühlungsfragen bei der Auswahl neuer
Systeme und Systemmanagement-Tools höhere Priorität."

Auf Systemebene bietet der Markt interessante Lösungen für bessere Energienutzung. So beziffert
IBM den Wirkungsgrad der Netzteile seines Bladecenters auf über 90 Prozent. Zusammen mit
effizienten Lüftern verbrauche das System bis zu 60 Prozent weniger Strom als die Konkurrenz. IBMs
Calibrated-Vector-Cooling-Ansatz sieht zwei Belüftungswege vor, um heiße Luft rasch abzuführen.
Dies vermeide überflüssige Luftumwälzung durch Lüfter und verlängere die Lebenszeit der
Komponenten.

Konkurrent Hewlett-Packard (HP) setzt für sein Bladesystem C-Class auf das Konzept Thermal
Logic. Es umfasst Maßnahmen zum Monitoring und Management des Strom- und Kühlungsaufwands. Das Tool
Dynamic Power Saver zum Beispiel schaltet Stromversorgungseinheiten (Power Supplies, PS) nach
Bedarf zu oder ab. Da eine PS-Einheit unter hoher Last effektiver arbeite, lasse sich der
Wirkungsgrad von zirka 50 auf bis zu 90 Prozent steigern. Ein konfigurierbares Kühlsystem soll zum
Beispiel leere Blade-Slots von der Kühlung ausnehmen und wenig aktive Storage-Platten mit
geringerer Kühlung versorgen.

Um Heißluft abzuführen, bieten die Anbieter von RZ-Klimatisierungen wie APC ausgefeilte Systeme
von der Luft- bis zur Wasserkühlung und Raum-im-Raum-Systemen. RZ-Planer raten zudem bei dicht
gepackten Hochleistungsrechnern zur Einrichtung von "Hot Zones", also separater, speziell gekühlter
Racks, um die Gesamtklimatisierung nicht zu überlasten. Dies alles zielt aber lediglich darauf ab,
eine Überhitzung des Data Centers zu vermeiden. Zum Strom Sparen eignen sich solche reaktiven
Maßnahmen allein kaum, da sie das Übel nicht an der Wurzel packen.

"Traditionelle Klimaanlagen arbeiten auf einem konstanten Niveau und reagieren nicht dynamisch
auf Änderungen bei Workloads und dem Strombedarf", so Rakesh Kumar und Michael Bell von Gartner.
Deshalb verschlinge das Kühlen mitunter 1,5 bis zweimal soviel Strom wie der Serverbetrieb. Vor
diesem Hintergrund hat HP Ende November das softwaregesteuerte Klimaanlagenmanagement Dynamic Smart
Cooling (DSC) vorgestellt. Laut HP erkennt DSC Termperaturveränderungen und lenkt Kaltluft
automatisch um. Dies soll die Kosten um bis zu 45 Prozent senken. Die Lösung soll im dritten
Quartal 2007 verfügbar sein. Gartner rät zur Evaluierung, sobald die Kühl- die Serverbetriebskosten
übersteigen.

"Der Energieverbrauch wurde bisher, sofern er überhaupt aufs Tapet kam, primär aus der
Kostenperspektive und im Kontext des physischen Facility-Managements behandelt", kritisieren die
Gartner-Analysten Cappelli und Kumar. Zwar seien Managementsuiten von IBM/Tivoli, HP oder CA in der
Lage, Daten von Hitzesensoren zu verarbeiten, doch sei noch unklar, ob dies aussagekräftige Filter
für die Event-Korrelation und -Analyse ermögliche. Die Analysten kritisieren das Fehlen
übergreifender Managementlösungen, die den CIOs und IT-Managern Aufschluss über die
Energieeffizienz ihrer Infrastrukturen geben könnten: Heute verfügbare Lösungen, die auf der
physikalischen Ebene arbeiten, bieten laut Cappelli und Kumar "wenig Hilfestellung, wie ein
Unternehmen IT so einsetzen könnte, dass sie in puncto Energieverbrauch effektiver nutzbar wäre".
Sie sehen jedoch einen Silberstreif am Horizont: Es existierten bereits Modelle, um die Energie
raubendsten Schritte von Applikationen – bei Java-Anwendungen zum Beispiel die "Garbage Collection"
– zu berechnen; dies erlaube den Einbezug des Energiebedarfs in das IT-Management. Einen
akzeptierten Industriestandard für Effizienz vermisst Gartner jedoch bisher.

Nachhaltiger RZ-Betrieb

Nachhaltiges IT-Management ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern zudem ökologisch zwingend
notwendig. Das "grüne Data Center" steht zwar auf der Agenda diverser Anbieter, aber ein
umfassendes Ressourcenmanagement für Infrastrukturen, Anwendungen oder gar Geschäftsprozesse ist
offenbar noch weit entfernt.

Richard Fichera, Forrester: "Power and Cooling Heat Up the Data Center", März 2006

Jed Scaramella, IDC: "Enabling Technologies for Power and Cooling", September 2006

Rakesh Kumar und John Enck, Gartner: "Guidelines for Dealing with Data Center Power and Cooling Issues", Oktober 2006

Michael Bell und Rakesh Kumar, Gartner: "HP Offers a Cool Solution for Data Centers Feeling the Heat", Dezember 2006

Will Cappelli und Rakesh Kumar, Gartner: "Energy Consumption Is the Fourth Dimension of Application and Infrastructure Monitoring", Dezember 2006


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