Bis Ende des Jahres 2007 sollen in Deutschland etwa 19 Millionen Breitbandanschlüsse verkauft worden sein - ungefähr sechs Millionen mehr als der Stand von 2006. 95 Prozent davon sind DSL-Anschlüsse - nur fünf Prozent basieren demnach auf alternativen Zugangstechnologien wie Breitband-TV-Kabel, terrestrischem und Satellitenfunk oder Powerline (Access via Stromkabel). Dennoch ist das Spiel noch keineswegs gelaufen, denn bei rund 40 Millionen Haushalten in Deutschland bleibt zur Verteilung immer noch ein Potenzial von über 50 Prozent. Und auch bei vorhandenem Breitbandanschluss locken neue Entwicklungen immer wieder zur Revision.
Die hohe Dynamik des Breitbandmarkts resultiert aus mehreren Faktoren. Zum einen drücken
alternative Anbieter immer vehementer in den nach wie vor von der Deutschen Telekom beherrschten
DSL-Markt, dem "Sahnestückchen" der deutschen Breitbandszene. Der zweite Faktor sind die inzwischen
gereiften "alternativen" Zugangstechnologien, die nicht auf der Nutzung des Telefonkabels basieren.
Breitbandkabel, Satellit und Powerline kommen inzwischen in der "Reloaded-Version", wie es kürzlich
Ingo Schönberg, CEO der Power Plus Communications im Rahmen seines Powerline-Plädoyers anlässlich
eines Pressegesprächs des Branchenverbands VATM formulierte. Die "Alternativen" kämpfen im
Wesentlichen um nicht via DSL erschlossene Regionen und bislang unversorgte Kunden. Allein die
Kabelanbieter sind technisch und organisatorisch in der Lage, DSL darüber hinaus auch in bereits
erschlossenen Gebieten ernsthaft Konkurrenz zu bieten.
Als dritter Dynamiktreiber gelten Funktechnologien, die in ihrem aktuellen Entwicklungsstadium
durchaus in der Lage sind, einen auf welchem Draht auch immer basierenden Breitbandanschluss
kabellos zu ersetzen. Primäre Zielgruppe von WLAN (als Hotspot oder als Flächendienst) und UMTS mit
HSxPA (High Speed Down-/Uplink Packet Access) sind zunächst mobile Anwender. Stimmen jedoch
Funkabdeckung, Service und Preis, kann eine Abschaffung der Festnetzanschlüsse durchaus eine
sinnvolle Option sein. Darauf zielt auch Wimax, das je nach technischer Basis des entsprechenden
Providers entweder ausschließlich stationäre Anwender in DSL-unterversorgten Gebieten adressiert
oder zusätzlich auch mobile Wimax-Empfänger. Steht erst einmal die Funkinfrastruktur, und haben
sich Services etabliert, ist der Schritt zur direkten Konkurrenz mit DSL nicht mehr weit (zu
Drahtlostechnologien siehe separater
Beitrag ab Seite 32).
Der vierte Treiber ist der deutschen Öffentlichkeit noch kaum bekannt, sorgt aber hinter den
Kulissen bereits für ordentlich Dampf: FTTH (Fibre to the Home), der auf Glasfaserverkabelung
basierende designierte Nachfolger von DSL. TK-Provider müssen damit rechnen, dass DSL und alles,
was an vergleichbar leistungsstarken Alternativtechnologien existiert, zwar nicht gleich aufs
Abstell- aber doch nach und nach aufs Nebengleis geschoben wird. Datenraten von mehr als 200 MBit/s
räumen Experten den DSL-Technologien auch mit den ausgefeiltesten digitalen Signalprozessoren nicht
ein – den Bausteinen, die die Nutzung des Telefonkabels seinerzeit revolutioniert haben. Der Sprung
von DSL nach FTTH ist vergleichbar gravierend wie einst der von analogen Modems und ISDN nach
DSL.
Mit FTTH geht es locker in den Gigabit-Bereich – und entsprechend bandbreitenhungrige
Anwendungen sollen schon in wenigen Jahren das Bild bestimmen. Die Metropolen Japans und Südkoreas
beispielsweise sind darauf schon sehr gut vorbereitet: Hier war es aufgrund der extrem hohen
Bebauungsdichte (Hochhaus an Hochhaus) bereits seit 2001 möglich, Glasfaseranschlüsse
wirtschaftlich bis in die Etagen von Wohnungen und Büros zu verlegen. In Tokio, Osaka und Seoul
wurde dies auch extensiv praktiziert. In Deutschland sieht es dagegen mit Glasfaser noch sehr mager
aus: Nur etwa eine Handvoll (City-)Carrier wie Netcologne, M-Net, Hansenet, Arcor, Versatel,
Helinet und HL beschäftigen sich derzeit mit FTTH beziehungsweise FTTB (Fibre to the Building –
Glasfaser-Gebäudeanschluss). Dennoch ist auch hier der Generationswechsel im großen Stil über die
Jahre hinweg bereits absehbar (siehe
Beitrag auf Seite 34).
Entsprechend den strukturellen Gegebenheiten erfolgt der Flächenausbau auch bei DSL allmählich
und in vielen Schritten. Einer dieser Schritte ist der aktuell laufende Ausbau der
DSL-Infrastruktur zu VDSL (Very High Data Rate Digital Subscriber Line). Mit dieser derzeit
schnellsten DSL-Variante (50 MBit/s – theoretisch bis zu 70 MBit/s) wandert das Glasfasernetz ein
gutes Stück näher zum Anwender: vom Hauptverteiler in die "Verzweiger" (die grauen Kästen am
Straßenrand). Allerdings offenbart sich mit dem allein von der Telekom durchgeführten Ausbau
gleichzeitig ein Dilemma, das den Wettbewerb im deutschen Breitbandmarkt nachhaltig zurückwerfen
könnte: Alle alternativen Carrier bleiben außen vor – und zwar sowohl formal-juristisch als auch
technisch. "Formal", weil die aktuelle Bundesregierung vor etwa einem Jahr ein Gesetz "
durchgewunken" hat, wonach die Telekom in Sachen VDSL weitgehend von der Regulierung freigestellt
ist. "Technisch", weil in den Verzweigern (und den darin befindlichen DSLAMs – DSL Access
Multiplexer) physisch einfach kein Platz ist, Wettbewerber mit dem T-Com-Netz
zusammenzuschalten.
Ein von der EU-Kommission direkt eingeleitetes Missbrauchsverfahren gegen die T-Com zeigt bis
heute keinerlei Wirkung – inzwischen sind die nicht für den Wettbewerb geeigneten Verzweiger in
vielen Städten Faktum. Mehr noch: Der Ausbau der Glasfaser bis in die Verzweiger macht zahlreiche
Hauptverteiler überflüssig. Die Wettbewerber fürchten nun eine Ausdünnung der zentralen Verteiler
seitens der Telekom, womit sie auch dort ihre Anlaufstelle für die Netzkopplung verlieren würden.
Remonopolisierung scheint hier also vorprogrammiert – nicht unbedingt das, was für die Nutzer und
die Entwicklung des Markts gedeihlich ist.
Dabei war der Breitbandmarkt mit DSL gerade erst etwas in Fahrt gekommen: In den ersten Jahren
der DSL-Ära hielt die Telekom einen Marktanteil (nach Zahl verkaufter Anschlüsse) von mehr als 90
Prozent. Inzwischen haben die Konkurrenten wie Arcor, Telefonica/O2, Orange und viele weitere ganz
gut aufgeholt – Ende 2007 summierte sich ihr Anteil auf insgesamt rund 40 Prozent. Allerdings sind
darunter auch einige T-Com-Wiederverkäufer ohne eigenes Netz wie Freenet und 1&1. Mit deren
Anschlüssen kommt die Telekom aktuell auf einen immer noch sehr hohen Anteil am DSL-Markt von etwa
70 Prozent. Die "echten" Wettbewerber liefern damit rund 30 Prozent der Anschlüsse. Soll dieser
mühsam errungene Anteil nicht wieder zurückgehen, sieht der Breko-Verband (Verband für
Breitbandkommunikation) als größte Gemeinschaftsorganisation der alternativen Carrier raschen
Handlungsbedarf, vor allem seitens des Regulierers.
Bei VDSL steht inzwischen bereits der Nachfolger vor der Tür: das 2005 von der ITU als Standard
definierte VDSL2. Dieses basiert auf dem Übertragungsverfahren Discrete Multitone (DMT) und bietet
bei einer Grenzfrequenz von 30 MHz theoretisch erreichbare Datenübertragungsraten von bis zu 200
MBit/s im Up- und Downstream bei einer im Vergleich zu VDSL1 wesentlich größeren Reichweite.
Zusätzlich wurden Möglichkeiten implementiert, gleichzeitig mehrere virtuelle Verbindungen über
eine physische Verbindung zu realisieren, um so etwa IPTV-Daten priorisieren zu können.
Insbesondere das Breitband-TV-Kabel hat in den letzten drei Jahren in Deutschland
vergleichsweise stark zugelegt. Allein Kabel Deutschland (KDG) verzeichnete in ihrem
Geschäftsbericht von Ende September 2007 insgesamt 460.000 "artfremde" Anschlüsse. Darin sind alle
Dienste zusammengefasst, die nicht aus dem Kerngeschäft mit der Lieferung von TV-Programmen
generiert werden – also Internet und Telefonie. Diesen Sektor konnte die KDG im Vergleich zum
Vorjahr (212.000) um mehr als 100 Prozent steigern. Die KDG ist der größte von insgesamt drei
Kabelnetzbetreibern, die mit ihrem Netz das Erbe der Deutschen Bundespost beziehungsweise der
Deutschen Telekom übernahmen.
Die meist mehrheitlich im Staatsbesitz befindlichen etablierten Betreiber in Europa wurden im
Zug der Bestrebungen, den Wettbewerb im Breitbandmarkt anzukurbeln, 1998 seitens der EU
aufgefordert, ihre Kabelnetze zu privatisieren. Während diese Umsetzung in Großbritannien,
Österreich, der Schweiz, den Benelux- und weiteren Ländern durchaus zügig gelang, verfielen
hierzulande Bundesregierung und Telekom in eine Art künstliches Koma, aus dem sie erst 2003 wieder
aufzuwachen beliebten. Nach der um fünf Jahre verspäteten Veräußerung konnte endlich die für
Kabelinternet und Kabeltelefonie nötige Netzmodernisierung im großen Stil beginnen. Die KDG wollte
ursprünglich das gesamte Telekom-Kabelnetz aufkaufen, musste sich aber schließlich in Hessen und
Nordrhein-Westfalen sowie in Baden-Württemberg dem Urteil der Wettbewerbshüter beugen. So agieren
heute in diesen Regionen Unitymedia (ehemals Ish und Iesy) beziehungsweise Kabel BW.
Ungebrochene Kauflust demonstrierte die KDG kürzlich dennoch: Ende September übernahm sie von
der Orion-Gruppe Kabelnetze in acht Bundesländern, über die etwa 1,2 Millionen Kunden versorgt
sind. Ziel war hier allerdings nicht eine Erweiterung des Verteilnetzes (Netzebene 3), sondern eine
Konsolidierung des Anschlussnetzes (Netzebene 4 – Verbindung vom Verteilnetz bis zur
Hausanschlussdose). Die bislang in Deutschland typische Entkoppelung dieser Netzebenen – verbunden
mit einer stark zerklüfteten Struktur des Ebene-4-Parts – war ein weiterer Stolperstein, der einen
schnellen und konsistenten Rollout von Kabelservices in Deutschland bislang verhinderte. Weniger
spektakulär liefen und laufen seitens der Kabelnetzbetreiber viele weitere kleinere Übernahmen
solcher Ebene-4-Splitter, um die Situation zu verbessern und nicht auf Dauer andere Gesellschaften
für den direkten Zugang zum Kunden einschalten zu müssen.
Neben den drei großen Kabelnetzbetreibern existieren in diesem Marktbereich zahlreiche kleinere
Unternehmen mit unterschiedlichen und regional variierenden Schwerpunkten auf den Netzebenen 2 bis
4. Als Kabelnetzbetreiber im eigentlichen Sinn sind sie nur in den Gebieten zu sehen, wo sie auch
eigene Kabelkopfstationen (Netzebene 2) unabhängig von den großen Kabelnetzbetreibern unterhalten.
Anderenorts treten sie nur als Dienstleister für Netzebene 3 und Netzebene 4 auf. Zu diesen
Unternehmen zählen beispielsweise AKF-Telekabel TV, Ewe Tel, Ewt Multimedia (ehemals EWT/TSS und
Bosch Breitbandnetze), Kabelcom Rheinhessen, Kabel & Medien Service (München), Magdeburg
Citycom, Netcologne (Köln), Primacom, Tele Columbus und Wilhelm Tel (Teile von Hamburg und Umland),
um nur einige zu nennen.
Die Internetanbindung via Satellitenschüssel gilt bislang als sehr exotische
Breitband-Access-Methode. Schuld daran ist vor allem die nach wie vor oft übliche Realisierung des
Rückkanals via Telefon-/ISDN-Leitung à la Teles oder T-Com. Rückkanalfähige Lösungen wie
beispielsweise von Satlynx erfordern beim Anwender vergleichsweise teures Equipment (etwa eine
sendefähige Satellitenschüssel sowie ein Zwei-Wege-Satellitenmodem für den "Digital Video Broadcast"
) und liegen auch beim Servicepreis weit jenseits der üblichen DSL-Tarife.
Um dem Anwender bidirektionales Internet in einer mit DSL vergleichbaren Geschwindigkeit und
Preisstruktur zu bieten, lassen sich Anbieter jedoch mittlerweile einiges einfallen. Das Prinzip:
Die Satellitenschüssel wandert vom Anwender in die Obhut des Providers, der sie strategisch günstig
für eine Gruppe von mehreren Nutzern (Gemeinden, Unternehmen) montiert und betreibt. Die einzelnen
Anwender werden über eine terrestrische Funktechnik (meist WLAN) an die Satellitenschüssel
angekoppelt. Als WLAN-Antennen kommen allerdings nicht die üblichen Rundstrahler zum Einsatz, deren
Reichweite auf einen engen Radius von maximal 100 Metern (bei freier Sichtlinie) begrenzt ist,
sondern gerichtete WLAN-Antennen. Diese überbrücken je nach Ausführung drei und mehr Kilometer.
Über Repeater lässt sich die Distanz weiter vergrößern. Auf diese Weise nutzen mehrere Kunden eine
schnelle, bidirektionale Satellitenverbindung – die Kosten teilen sich durch die Zahl der
Nutzer.
Die holsteinische Probstei Telekom beispielsweise bietet so mit dem Partner Hughes Network
Systems auf mehreren Kontinenten bidirektionale Zugangsservices mit Flat-rate-Tarifen. Bei
entsprechender Nutzerzahl (ideal hier: 35 pro Satellitenantenne) ist "Sat-DSL" ab rund 30 Euro im
Monat erhältlich. Wie solch eine Lösung praktisch aussieht, stellte Probstei-Chef Wolfgang Bauer
auf dem VATM-Pressetag in München anhand des Beispiels Jengen vor. Die in drei geografisch
getrennte Ortsteile gegliederte Gemeinde östlich von München liegt in einem "weißen Fleck" auf der
DSL-Landkarte. Mit nur einer zentral angeordneten Satellitenantenne seien nun alle drei Ortsteile
auf einmal mit einer schnellen Internetanbindung versorgt – und das innerhalb weniger Wochen. Bei
steigender Nutzerzahl ließen sich die Antennen sehr schnell an die Erfordernisse anpassen.
Interessant bei Probstei: Für Unternehmen gibt es via Satellit auch symmetrische
Übertragungsraten von bis zu 2 MBit/s (mehr sollen auf Anfrage ebenfalls realisierbar sein),
VPN-Absicherung, Flat-Telefonie-Services und Centrex-Dienste (virtuelle TK-Anlage) – dies alles auf
Wunsch auch für mobile Einsatzbereiche. Auch Orange bietet für Unternehmen Satellitenservices an:
Schwerpunkt sind hier komplett betreute End-to-End-Satelliten-VPN-Lösungen. Entlegene Standorte an
buchstäblich "jedem Ort der Welt" sollen über diese in Partnerschaft von Orange Business Services,
Intelsat und Idirect angebotenen Dienste garantierten Zugriff auf das Unternehmensnetzwerk
erlangen.
Auch mit zunehmender DSL-Sättigung wird es im Breitbandmarkt keineswegs langweilig. Mit einer
breiteren Auffächerung der Zugänge zum "Daten-Highway" scheint sich endlich eine Access-Vielfalt zu
entwickeln, die für das große Ziel "Breitband für alle" nur gut sein kann.