Eigenregie versus RZ-Errichter

Schneller zum neuen Rechenzentrum

12. August 2009, 22:58 Uhr | Bernard Geoghegan/dp Bernard Geoghegan ist Senior Vice President International Operations beim amerikanischen RZ-Bauspezialisten Digital Realty Trust.

Trotz der Probleme, die das Wirtschaftsklima zurzeit beherrschen, steigt der Bedarf an Rechenzentrumsflächen weiter an. In der jüngsten Marktstudie des amerikanischen RZ-Herstellers Digital Realty Trust zu europäischen Marktpotenzialen gaben 86 Prozent der befragten IT-Entscheider an, für die kommenden ein bis zwei Jahre eine Erhöhung ihrer Kapazitäten zu planen. Dabei steige allerdings der Druck, diese Rechenzentrumsflächen in möglichst kurzer Zeit verfügbar zu haben.

Das amerikanische Marktforschungsinstitut Campos Research and Analysis befragte für die
Digital-Realty-Studie letzten Herbst per Online-Fragebogen 127 IT-Entscheider bei europäischen
Großunternehmen in UK und Irland (zusammen 51 Prozent), Frankreich (28 Prozent) sowie Deutschland
(21 Prozent) über ihre Rechenzentrumspläne.

Paradoxerweise habe die wirtschaftliche Flaute demnach enorm zu dieser starken Platznachfrage
beigetragen. Die Bemühung, durch eine Konsolidierung von Rechenzentren und vermehrte Übernahme- und
Fusionsaktivitäten Kosten zu senken, hat den Zeitrahmen, den IT-Leiter für die Bereitstellung neuer
Anlagen zur Verfügung haben, noch verkürzt. Der so erzeugte Druck, Rechenzentren in noch kürzerer
Zeit bereitzustellen, hat viele Unternehmen dazu veranlasst, ihre herkömmliche "Eigenbau"-Methode
mit speziellem Augenmerk auf eine schnelle Projektfertigstellung neu zu bewerten.

Die Phasen eines RZ-Neubaus

Die Entscheidung, ob neue Anlagen selbst aufgebaut werden sollen oder ein großer RZ-Errichter
dafür in Frage kommt, können Entscheidungsträger nur dann wohlbegründet treffen, wenn sie alle
Phasen für den Aufbau eines Rechenzentrums berücksichtigen. Entscheidend ist, dass alle Planungs-
und Bauphasen professionell geplant und von erfahrenem Personal ausgeführt werden. Ansonsten birgt
die Errichtung von Rechenzentren ein enormes Risikopotenzial. Die Zeitplanung setzt sich dabei aus
folgenden Phasen zusammen:

Auswahl und Erwerb des Standorts,

Planung,

Aufbau und

Inbetriebnahme.

Die benötigten Zeiträume können bei Firmen oder Behörden, die ihre neuen Rechenzentren selbst
erwerben und aufbauen, zwar geringfügig variieren, dennoch sind diese Abweichungen in der Regel
relativ klein. Jede Bauphase erfordert spezielle Fertigkeiten und Erfahrungen, die im Unternehmen
meist nicht vorhanden sind.

Auswahl und Erwerb

Für die erste Phase Auswahl und Erwerb des Standorts sollte ein Rechenzentrumsbetreiber, der das
Rechenzentrum selbst errichten möchte, etwa 36 bis 72 Wochen veranschlagen. Nimmt er die Hilfe
eines entsprechenden Großanbieters in Anspruch, könne er dafür zwölf bis 36 Wochen
einkalkulieren

Diese Phase beginnt mit der Ermittlung der geschäftlichen Anforderungen des Standorts und der
anschließenden Zuordnung des jeweiligen Leistungsvermögens. Bei der Auswahl des geeigneten
Grundstücks hat ein Großanbieter gegenüber einem Planer im Unternehmen den Vorteil, dass er ohnehin
kontinuierlich die Verfügbarkeit geeigneter Grundstücke auf den entscheidenden Märkten beobachtet.
Somit hat er einen guten und aktuellen Überblick über geeignete Standorte und findet schnell den
jeweils passenden. Für den Kauf der Immobilie ist eine entsprechende Fachkompetenz im Bereich
Immobilienwirtschaft unerlässlich. Ist diese im Unternehmen nicht vorhanden, sollte es einen
kompetenten Fachberater hinzuziehen.

Planung und Bau

Während der Planungsphase kann ein Rechenzentrumsbetreiber mit einem Großanbieter beträchtlich
Zeit einsparen: Denn beim Eigenbau rechnet die Branche mit einer Zeitspanne von 20 Wochen bis zu
einem Jahr, ein Großanbieter benötigt für die Planung dagegen nur zwei bis zehn Wochen.

In dieser Phase entsteht ein Konzept, das neben den Plänen an sich auch eine Risikoabschätzung
sowie eine Ablauf- und Kostenplanung enthält. Dabei geht es zum Beispiel darum, was ein Unternehmen
zu zahlen bereit ist, um Risiken zu senken. Dabei ist es unerheblich, ob dazu spezielle
Abhilfemaßnahmen in die Anlage integriert werden oder ob das Unternehmen diese Risiken im Betrieb
bewältigen möchte. Die Planung der Anlage muss diese geschäftlich orientierten Entscheidungen auf
jeden Fall berücksichtigen.

Da die meisten Unternehmen für solche Entscheidungsprozesse keine Standardverfahren eingerichtet
haben, müssen sie diese für das Projekt häufig neu aufsetzen. Für Großanbieter dagegen ist ein
Rechenzentrum eine einheitliche Infrastruktur, die mit einer Standardarchitektur und festgelegten
Werkstoffen und Standardverfahren errichtet und betrieben wird, die nur im Detail an die jeweiligen
Bedürfnisse angepasst werden muss. Damit verkürzt sich die Rechenzentrumsplanung drastisch.
Insbesondere die Bauphase eines Rechenzentrums birgt Fallen, die schnell die Kosten eines
Eigenbau-RZs in die Höhe treiben und die Fertigstellung verzögern können. Hier geht man deshalb von
36 Wochen bei Projekten in Eigenregie und 18 Wochen bei RZ-Errichtern aus. Zur Vermeidung der
unzähligen Probleme, die beim Bau auftreten können, ist eine übergreifende Kompetenz in den
Bereichen Planung, Baudurchführung/Bauaufsicht und späterem Betrieb sehr vorteilhaft.

Inbetriebnahme

Die letzte Phase der Inbetriebnahme dauert zwischen vier (RZ-Erichter) und sechs Wochen
(Eigenregie). Die vollständige Inbetriebnahme setzt sich aus fünf Schritten zusammen, in denen
sämtliche Komponenten des Rechenzentrums nacheinander getestet werden. Unabhängig davon, ob es sich
um ein Eigenbauprojekt handelt oder ob ein Großanbieter involviert ist, muss für die Inbetriebnahme
ein Drittanbieter beauftragt werden. Bei Projekten mit einem RZ-Erbauer geht es zum einen deshalb
schneller, weil diese meist einen guten "Draht" zu den Inbetriebnehmern haben und bei auftretenden
Problemen schnell reagieren können. Zum anderen ist es für einen Inbetriebnehmer einfacher, eine
Standardanlage zu prüfen als Speziallösungen.

Risikosenkung

Ein Spezialunternehmen für den Rechenzentrumsbau verfügt allein schon aufgrund der zahlreichen
durchgeführten Rechenzentrumsprojekte über große Erfahrung und Expertise auf diesem Gebiet.

Die Bereitstellung eines schlüsselfertigen Rechenzentrums ist die effizienteste Alternative zum
Eigenbaumodell: Die standardisierten Strukturen lassen sich in der Regel in einem Bruchteil der
Zeit fertigstellen. Zudem werden alle mit der Finanzierung, Vorlaufzeit und Fachkompetenz
verbundenen Risiken auf den Dienstleister verlagert.

Zusammenfassung

Eine kurze Vorlaufzeit für ein neues Rechenzentrum wird für IT-Fachleute immer wichtiger. Durch
bestehende Konsolidierungsstrategien angetriebene Forderungen nach Kostensenkung verstärken diesen
Trend.

Die begrenzte fachliche Kompetenz von Unternehmen in den Bereichen Immobilien, Planung,
Errichtung und Betrieb führt dazu, dass Eigenbauentwicklungen meist zwei Jahre oder länger dauern.
Dabei haftet das Unternehmen selbst für sämtliche Risiken. Schlüsselfertige Rechenzentren von
Großanbietern lassen sich dagegen in einem Viertel der Zeit errichten und stellen in allen Phasen
eine wesentlich risikoärmere Alternative dar.


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