Von der ITIL-Theorie zur Praxis, Teil 4

Service-Strategie

19. Mai 2009, 22:00 Uhr | Munna Srivastav/wg Munna Srivastav ist Senior Consultant IT-Service-Management und Manager International Business Development bei COC.

Die Menschen, der Prozess und die Technik (People, Process, Technology, siehe Kasten zu Teil

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3 dieser Serie) waren und sind die Stützpfeiler von ITIL (IT Infrastructure Library). Doch erst mit der geeigneten Strategie schafft man die Synergien, die ein erfolgreiches IT-Service-Management (ITSM) ermöglichen. Durch die Service-Strategie rückt das Business stärker in den Fokus der IT.

Im ITSM-Umfeld bezeichent man jegliche Fähigkeit oder Ressource als "Asset". Dabei decken die Ressourcen nicht nur Teile der IT-Infrastruktur ab, sondern auch andere wichtige Faktoren wie Geld oder Personen und insbesondere auch deren Wissens- und Leistungspotenzial. Mittels der richtigen Service-Strategie stellt man sicher, dass die IT-Organisation unter Einsatz der eigenen Assets oder anderer adäquater Mittel in die Lage versetzt wird, das eigene Service-Portfolio hinsichtlich der damit verbundenen Kosten und Risiken besser einzuschätzen und den Einsatz der Ressourcen sinnvoll zu steuern. Die Entwicklung einer Service-Strategie ist ein fortlaufender Prozess und die kontinuierliche Überprüfung der strategischen Zielsetzung ein Muss.

Gerade die immer häufiger zu beobachtenden Umstrukturierungen großer Unternehmen stellen deren IT-Organisationen vor große Herausforderungen, zumal im Zuge dieser Maßnahmen oft auch die weitgehende Monopolstellung der internen IT-Organisation abgeschafft wird. Diese sieht sich dann mit einer Situation konfrontiert, in der sie erstmalig in direkter Konkurrenz zu externen Dienstleistern stehen.

Die dadurch erforderliche Neuausrichtung der IT-Organisation erfordert eine entsprechend starke Positionierung gegenüber externen Mitbewerbern und somit die Ausarbeitung geeigneter Alleinstellungsmerkmale, die die IT-Organisation markant und positiv von Mitbewerbern differenziert. Denn nicht zuletzt entscheidet auch das unternehmensinterne Marketing der IT-Organisation darüber, ob und wie man sich in der neuen Konkurrenzsituation behaupten kann, vor allem in Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des eigenen IT-Service-Managements. Insbesondere Letzteres sollte ganzheitlich betrachtet als ein weiteres wichtiges, strategisches Asset wahrgenommen und entsprechend gewürdigt werden.

Das Entwickeln einer Service-Strategie ist keine einfache Aufgabe. Die Einnahme einer Business-Perspektive ist hier sehr vorteilhaft, fällt aber insbesondere technisch orientierten Führungskräften oft schwer.

Mit Fragen zur Business-Perspektive

In diesem Zusammenhang ist gerade die Methode des Hinterfragens ein geeigneter Weg, um der richtigen Zielsetzung der eigenen Service-Strategie näher zu kommen: Welche Services werden angeboten? Welche Zielgruppe soll damit angesprochen werden? Wie wird eine Differenzierung zu den Angeboten der Mitbewerber hergestellt, um ein Alleinstellungsmerkmal zu erreichen? Werden die angebotenen Leistungen und der dadurch erzielte Mehrwert auch realistisch dargestellt? Gerade bei den angebotenen Services ist für unternehmensinterne wie für externe Kunden oft eine Diskrepanz zwischen dem kommunizierten und dem letztendlich real erreichten Mehrwert zu beobachten. Eine weitere wichtige Frage: Wird der erreichte Mehrwert sinnvoll und aussagekräftig gemessen, oder ist eine Investition zur Einrichtung geeigneter Beurteilungsmechanismen und Assessments angebracht?

Die Bereitschaft zur kritischen Selbstreflektion ist gerade in Unternehmen eine schwierige Angelegenheit. Doch auch wenn es schwerfällt, die eigene Service-Kultur auf den Prüfstand zu stellen, stellt sich die Frage: Ist die Service-Qualität im Unternehmen jemals explizit definiert worden? Wenn ja - ist diese Definition noch zeitgemäß?

Auch wenn Lösungen unter technischen Aspekten glänzen, muss man fragen: Werden strategische Investitionen durch überzeugende Argumente und nachweisbaren Business-Mehrwert gestützt? Gerade für diesen Punkt sollte das Financial Management for IT eine ausreichende Transparenz einfordern, mit dem Ziel einer kontrollierten und vor allem nachvollziehbaren Werterzeugung der IT-Services für die jeweiligen Geschäftsprozesse.

Sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang, über die Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs) nachzudenken, um Klarheit über die Wirksamkeit der angewandten Service-Strategie zu erhalten. Gute Entscheidungskriterien für die Definition von KPIs erhält man durch eine detaillierte Betrachtung der profitabelsten eigenen Services, der zufriedensten Kunden (durch genaue Survey-Maßnahmen ermittelt) oder auch durch Analyse der bedeutendsten Vertriebskanäle (bezogen auf Ertrag und Umsatz).

Best Practice als Chance und Weg

Die Wege zur Verbesserung der Service-Qualität sind vielfältig, und oft werden verschiedene Best-Practice-Methoden herangezogen. Man kann jedoch nicht ohne Weiteres eine Best-Practice-Methode übernehmen, ohne vorher sorgfältig zu prüfen, ob die Ressourcen wirklich effizient eingesetzt werden.

Individuelle Entscheidungsfindung

Auch wenn Verantwortliche in der Phase der Entscheidungsfindung oft und gerne Referenzprojekte aus vergleichbaren Unternehmen heranziehen, kann man letztlich über jede ITSM-Lösung nur höchst individuell entscheiden.

Denn in der Regel wird dem Referenzunternehmen - trotz eines durchaus vergleichbaren Marktsegments und Service-Angebots - bei der Identifizierung seiner am besten zu ihm passenden Best-Practice-Lösung eine völlig andere Strategie zugrunde liegen. Gleiche Schuhgröße - anderer Fuß. Das Resultat: Der eine kneift, der andere passt wie angegossen.

Der Erfolg jedes Unternehmens - und dies gilt auch außerhalb des ITSM- Sektors - hängt entscheidend von seiner Fähigkeit ab, einen Mehrwert für das Business zu erzeugen. Denn erst wenn das Service-Potenzial der eingesetzten Assets einschließlich des IT-Service-Managements selbst eine umsetzbare Leistung beim Kunden hervorbringt, entsteht das gewünschte Business- oder Service-Ergebnis.

Geht man zur Umsetzung der geplanten Service-Strategie über, ist eine knappe Formulierung der erwarteten Resultate sinnvoll. Diese sollte sich letztlich in jedem Fall einstellen. Klare und verständliche Worte sind gefragt. Auch hier ist weniger wieder mehr, zumal bei einer gewissenhaften Umsetzung von ITSM mit ITIL fast immer eine Einbeziehung aller Mitarbeiter unvermeidlich, sogar gewollt ist. Ziele gilt es nicht nur zu definieren und zu kommunizieren, sie wollen vor allem auch verstanden und akzeptiert sein. Denn letztlich erwartet man die erfolgreiche Umsetzung der Strategie von allen Beteiligten.

Zusammenspiel von Menschen, Prozessen, Technik und Strategie

Im Zusammenspiel von Menschen, Prozessen, Technik und Strategie ist Letztere wie kein anderer Faktor ein Produkt des menschlichen Geistes. Wer hier im Alleingang denkt, wird schnell an seine Grenzen stoßen. Die beste Strategie hat, wer Commitment schafft.


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