Kommunikation zwischen IT und Fachabteilungen

Servicekultur gefordert

4. August 2008, 22:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Hausinterne IT-Abteilungen stehen unter dem Druck, die IT stärker am Kerngeschäft des Unternehmens auszurichten. Oft nehmen aber Alltagsbetrieb und "Feuerwehreinsätze" den Großteil der Zeit in Anspruch. Gefragt sind hier mehr Automation, selektives Outsourcing und Outtasking sowie ein Gesinnungswandel in der IT hin zu mehr Serviceorientierung.

Immer mehr Geschäftsprozesse hängen direkt von IT-Unterstützung ab. "Da die IT immer stärker in der Organisation verankert ist, kommt dem Bedarf, Business-Anforderungen kontrolliert zu erfüllen, eine wachsende Bedeutung zu", stellt dazu das Analystenhaus Butler Group fest. Hier zielen Best-Practice-Sammlungen wie ITIL (IT Infrastructure Library) darauf ab, die Abläufe einer IT-Organisation - einer internen IT-Abteilung oder eines Outsourcing- oder Managed-Services-Anbieters - am Prinzip der klassischen Dienstleistung auszurichten: Die IT-Abteilung ist Service-Provider, die Fachabteilung ist Kunde.

Bei Outsourcern gehört dies zum Alltag, ist hier doch der Service-Desk zugleich die Schaltstelle für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM). Auch IT-Organisationen großer Unternehmen haben sich längst als Service-Provider aufgestellt: Der frühere Helpdesk ist nun ein Service-Desk, Workflows sind gemäß ITIL implementiert, Change- und Service-Request-Management erfolgen automatisiert und oft auch schon via Servicekatalog und Self-Service-Portal, die Knowledge-Base enthält für Endanwender aufbereitete Inhalte.

Dennoch mahnen Branchenkenner, dass IT-Organisationen häufig von echter Servicekultur noch weit entfernt sind: "Die Kundenorientierung steht bei vielen IT-Abteilungen noch sehr am Anfang", so Harald Huber, Prokurist bei USU. "Oft herrscht noch die Einstellung: Unsere Anwendungen sind kompliziert genug, da können wir keine Anwender brauchen." Inwiefern ITIL hier Abhilfe schaffen kann, sieht Huber kritisch: ITIL sei gerade in der stark erweiterten Version 3 sehr umfangreich geworden, was eine praxisgerechte Umsetzung erschwere. Weniger skeptisch schätzt Robert Jaskolla, Consultant bei Materna, die Lage ein: "Die meisten Unternehmen mit interner IT sind in puncto Servicekultur noch nicht so weit wie die Service-Provider, aber sie sind bereits ‚auf dem Sprung‘."

Das Haupthindernis bei der Ausrichtung auf stärkere Serviceorientierung ist schlicht die Überlastung der IT-Organisationen, meist mit Routineanforderungen: "Die IT-Abteilung kommt oft nicht aus der Falle der Reaktivität heraus", so Stephan Glathe, Vice President of Infrastructure Management Engineering bei Frontrange. "Die IT steht vor der Herausforderung, mit weniger mehr machen zu müssen und dennoch den Wertbeitrag der IT zum Kerngeschäft transparent darzustellen."

Einhellig empfehlen Fachleute von Anbieterseite wie auch Analysten den hausinternen IT-Abteilungen drei Schritte: erstens Automation, wo immer es sinnvoll ist, zweitens Auslagern zeitraubender Routineaufgaben, wobei es laut Olav Strand, Regional Manager Central Europe bei BMC, "keine Tabuthemen" geben darf, um drittens Spielraum zu schaffen für eine engere Abstimmung auf das Kerngeschäft eines Unternehmens.

Automation gemäß ITIL

Neben dem Service-Desk als Anlaufpunkt bei Störfällen ist das Service-Request-Management (SRM) die Hauptschnittstelle zwischen IT und Fachabteilung. Hier schreitet die Automation von Prozessen voran. "Im Bereich Service-Planning gibt es noch großen Nachholbedarf", mahnt aber Dirk Feldmann, Solution Practice Principal Consulting and Integration bei HP. "Ein automatisiertes SRM ist noch nicht weit verbreitet, meist ist das Vorschlagswesen über den Service-Desk organisiert."

Kritisch bleibt vorerst die Ausrichtung des SRMs am Geschäft: "Die IT kann den Nutzungsgrad eines Services leicht ermitteln. Das Problem besteht nun darin, sicherzustellen, dass der Servicekatalog auch der Entwicklung des Business entspricht", so Georg Lauer, Vice President Technical Sales bei CA. Hier bestehe noch großer Bedarf an einem proaktiven Part. Zwar gebe es für Standardanfragen Tools zur Standardisierung und Priorisierung, die Business-Impact-Analyse komme aber immer aus den Fachabteilungen. Laut Materna-Consultant Jaskolla fehlt "ein Prozess, der klärt: Was braucht die Fachabteilung wirklich, was wäre zu verbessern?" So weit gehe das ITIL-gemäße Continual Service Improvement aber heute meist noch nicht.

Bedeutsam wäre eine effizientere Kommunikation zwischen IT und Fachabteilung, die sich oft genug schon bei SLAs (Service Level Agreements) als problematisch erweist: "Wichtig sind aussagekräftige SLAs, die auch für Nicht-IT-Leute verständliche Vorgaben und Zusagen umfassen", so CA-Mann Lauer. Mit ähnlichen Tücken ist kämpft das SRM. Dies gilt es durch abteilungsübergreifende Kommunikation abzufedern. "In vielen Fachabteilungen gibt es Mitarbeiter, die im Rahmen des Demand-Managements Business-Anforderungen in IT übersetzen", so Dirk Feldmann von HP. Zum Beispiel seien im Bereich SAP für den Brückenschlag zwischen IT und Fachabteilung oft Key-User- oder Servicemanagementkonzepte hinterlegt. "Solche Positionen sind aber jenseits der Großunternehmen dünn gesät. Dort werden diese Aufgaben dann auch mal einem Account-Manager oder sogar dem CIO zugeteilt", so Feldmann.

Die IT-Abteilung muss offener kommunizieren

Wie gut diese Kommunikation funktioniert, variiert stark: "Softwareentwickler tauschen sich mit den Fachabteilungen intensiv aus, dafür gibt es in der Regel auch klar definierte Rollen", so Beate Schiler, Lead Solution Consultant ITSM bei HP. "Im Infrastrukturbereich ist dieser Austausch hingegen oft noch holprig und zu wenig am Geschäftsprozess ausgerichtet." BMC-Manager Strand ergänzt: "Unternehmen mit einer vierstelligen Zahl von IT-Mitarbeitern haben heute oft schon einen IT-Vertrieb als Schnittstelle zu den Fachabteilungen." Unternehmen unterhalb der DAX-30-Größe müssen laut Strand hingegen oft noch lernen, dass die IT den gleichen Weg einschlagen wird wie die produzierende Industrie, nur eben als "Produzent" von Informationen.

"Die IT muss nach dem bekannten Motto handeln: ‚Tue Gutes und sprich darüber’", so Rudolf Caspary, CTO bei Realtech. Denn CRM schließt ein, dass eine IT-Abteilung ihre Leistungen vermarktet - also mit geeigneten Marketing-Maßnahmen darstellt. "Die Selbstdarstellung der IT ist in großen Unternehmen gang und gäbe", so Feldmann von HP. "Oft wird dabei aber der Wertbeitrag der IT zum Business nicht angemessen dargestellt, sondern lediglich über Arbeitsfortschritte berichtet." Zudem sei der Berichtsempfänger in der Regel nicht der Bezieher eines IT-Services: "Das Reporting findet gegenüber der Geschäftsführung statt, Dashboards für Fachabteilungen sind hingegen noch lange keine Selbstverständlichkeit", so Feldmann.

"Das Management muss strategische Entscheidungen frühzeitig mit der IT besprechen", betont Materna-Consultant Jaskolla. "Dazu muss die IT ein größeres Bewusstsein für den Wert ihrer Arbeit schaffen. Den Boden dafür bereitet ITILv3." Strand von BMC rät, die IT müsse die Anwender "beim Change-Management abholen". Die kommunikative Begleitung von IT-Projekten verbessere sich, man habe aus Projektfehlern der Vergangenheit gelernt.

"Die IT muss Vorschläge für künftige Lösungswege machen und dabei unternehmerische Risiken eingehen", fordert USU-Prokurist Huber. "Denn Verkaufen hat immer auch mit Risiko zu tun. IT-Leute sind traditionell aber sehr risikoscheu." Zudem fehle der IT oft Erfahrung im Umgang mit Geschäftsrisiken. Hubers Folgerung: "Die IT muss Prozesskompetenz entwickeln - auch für Prozesse außerhalb der IT." Denn Fachabteilungen erwarten heute, so Huber, dass die IT das Geschäft des Unternehmens versteht.

Der Brückenschlag zwischen IT und Fachabteilungen setzt eine effiziente unternehmensweite Wissensvermittlung (Knowledge-Management, KM) voraus, bietet doch der Zugriff auf relevante Informationen den Beteiligten erst eine verlässliche Entscheidungsbasis. "Ein wichtiger erster Schritt dazu ist mit der Einführung eines ITIL-konformen Service-Desks schon getan, da nun IT-Bestand und die Tätigkeiten der IT-Organisation einheitlich dokumentiert werden", so CA-Mann Lauer.

"Wissen ist Information plus Mensch", sagt Huber von USU. "Unternehmen konzentrieren sich heute zu sehr auf das reine Informationsmanagement, während vielmehr ein handlungsorientiertes Wissensmanagement gefordert ist." Deshalb müsse der anwendergerechten Aufbereitung der Informationen viel mehr Engagement zukommen. Ein großes Problem beim KM ist aber der hohe Pflegeaufwand: Es reicht nicht, die IT-gestützten Abläufe endanwendergerecht in einer Knowledge Base (KB) zu veröffentlichen. Die KB will auch stets zeitnah aktualisiert sein. Für die Informationsverwaltung hat Realtech laut CTO Caspary hausintern ein Wiki eingeführt. "Hier haben Anwender selbst die Möglichkeit, eigene Strukturen zu etablieren sowie Kommentare und Tipps abzulegen und zu verwalten. Das Wiki kommt vor allem bei den Beratern und Entwicklern gut an."

Solch ein Wiki weist den Weg in die richtige Richtung. Nicht umsonst nutzen es zahlreiche Online-Communities. Dies könnte auch den IT-Abteilungen als Vorbild dienen: Versteht die IT die Anwenderschaft als Community, mit der sie im regen gegenseitigen Austausch steht, dann wäre dies ein großer Schritt in Richtung echter Kommunikation mit Fokus auf das Business.


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