Tipps für den Umgang mit DSL-Qualitätsgarantien

SLA ist nicht gleich SLA

31. August 2005, 23:06 Uhr | Christian Baur/wg Christian Baur ist Product Marketing Manager bei Telefónica Deutschland.

Der Umstieg vieler kleiner und mittlerer Unternehmen von einer Standleitung auf DSL gewinnt aufgrund zahlreicher günstiger Angebote an Beliebtheit. Zugleich wächst die Ungewissheit, welchem DSL-Provider ein Unternehmen sein Vertrauen schenken soll und welche Leistung es für sein Geld erhält. Ein wichtiger Kontrollmechanismus ist hier das Service Level Agreement. Viele SLA-Inhalte sind bei allen Providern ähnlich aufgebaut. Wichtige Eckpunkte müssen aber verständlich und in der Praxis nachvollziehbar sein.

Oft werben Provider vor Vertragsabschluss mit schönen, aber leider belanglosen Leistungswerten ("
Backbone-Verfügbarkeit von 99,9xx Prozent"). Wenn sie dem Endkunden dies überhaupt durch Reports
belegen, sind die Ergebnisse leicht an das Wunschergebnis anzupassen: Diese Werte sind derart
messbar, dass die Rahmenbedingungen zum Erreichen der Zielzahlen führen. Dies erfolgt
beispielsweise durch die Auswahl hoch performanter oder hoch redundanter Hauptstrecken im Backbone,
durch große Messintervalle sowie durch zeitlich (tagsüber/nachts) ungleich verteilte Messungen.
Häufig bedeuten solche Messmethoden aber keinen Verstoß gegen ein Service Level Agreement (SLA). Im
Übrigen ist es generell durch die unterschiedliche Größe und Gestaltung der Carrier-Backbones
nahezu unmöglich, hier eindeutige Kennzahlen – geschweige denn vergleichbare Werte – zu ermitteln.
Ein Unternehmen sollte also auf andere Parameter Wert legen.

Auswahl der SLA-Parameter

Die Anbieter verwenden kaum die eigentlich relevanten Leistungswerte, die von Standort zu
Standort gemessen werden und daher für die Qualität einer Verbindung maßgeblich sind. Häufig geben
sie nur Verfügbarkeitswerte oder Performance-Höchstwerte der Kundenanbindungen an (Bild unten).

Im Detail sollte ein Provider Performance-Parameter wie die Paketzustellrate, Laufzeiten und
Laufzeitabweichungen (Jitter) nicht nur für einzelne Kundenleitungen, sondern als
Ende-zu-Ende-Werte angeben, also von Standort zu Standort mit zwei Kundenleitungen. Dadurch werden
Werte für Strecken angegeben und gemessen, die unmittelbar repräsentativ für die "gefühlte"
Leitungsqualität sind. Beispielsweise kann die sehr gute Anbindung einer Zentrale, die sich meist
in Ballungszentren befindet, über die in der Niederlassung erfahrene
Standort-zu-Standort-Performance hinwegtäuschen. Diese wird nämlich von kleinen und damit leicht
überlastbaren DSL-Zubringerleitungen in den Regionen maßgeblich bestimmt. Üblicherweise sind mehr
als 70 Prozent des Datenaufkommens einer Filiale für die Zentrale bestimmt, bei einem zentralem
Internetzugang über den Unternehmenssitz (zentrale Firewall) sogar 100 Prozent.

Eine technische Lösung für diese Situation ist zum Beispiel die CoS-Priorisierung (Class of
Service) im MPLS-VPN (Multi-Protocol Label Switching VPN). Sie erlaubt eine Differenzierung der
benötigten Qualität einzelner Datenströme. Der Provider kann die CoS durchgängig auf dem Backbone,
Leased Lines, LAN-Links und DSL-Zuleitungen umsetzen und somit durchgängig von Standort zu Standort
anbieten.

Brauchbare Messwerte

Performance und Verfügbarkeit sind immer Durchschnittswerte. Man sollte sie deshalb über einen
kurzen, erfassbaren Zeitraum ermitteln. Es empfiehlt sich, einen monatlichen Nachweis zu wählen.
Sind die Verfügbarkeitswerte je Standort einzeln ausgewiesen und nicht je VPN oder Standortgruppe,
gehen vermehrte Ausfälle eines Standorts nicht im Durchschnitt unter. Der Ausfall eines Standorts
mit 100 Mitarbeitern über eineinhalb Wochen kann zum Beispiel bei Aufrechnung mit nur 20 anderen
Standorten so untergehen, dass er kein SLA verletzt (eine monatliche Verfügbarkeit von 98,5 Prozent
vorausgesetzt). Für das Unternehmen kann dies aber dramatisch sein, zum Beispiel wenn der Ausfall
die Zentrale betrifft.

Ein Unternehmen sollte mittels Verkehrsklassen für wichtige Applikationen mehr Performance
(Paketzustellraten, Laufzeiten und Laufzeitabweichungen) und damit bessere Qualität zukaufen
können. Ein SLA sollte diese Werte einzeln ausweisen, damit sich ein Nachweis für die höhere
Qualität erbringen lässt.

Hinsichtlich der Verfügbarkeitsklassen sollten zwei Kriterien maßgeblich sein: Wie verfügbar
muss eine Gesamtlösung sein, und welche Performance ist während einer eventuell auftretenden
Ausfallzeit erforderlich? Die Höhe der Verfügbarkeit sollte ein Unternehmen dann abgestuft wählen
können, da der Preis durch technisch aufwändigere Lösungen merklich steigt, je weiter man sich der
100-Prozent-Marke nähert. Auch die Performance während eines Ausfalls sollte abgestuft wählbar
sein, abhängig davon, ob ein Unternehmen die volle Performance (Redundanz) oder eine eingeschränkte
Leistung (Backup) benötigt. Aus Kostengründen sollte man modernen Zugangsleitungen wie ADSL
(Asymmetrisches DSL), SDSL (Symmetrisches DSL) oder Satellit den Vorzug geben, um die
Hauptleitungen performant abzusichern.

Reporting und Entstörung

Das effektive Reporting der Verfügbarkeit lässt sich anhand der Auswertung von VPN-Netzen
darstellen. Endanwender erkennen hier zum Beispiel die Auslastung der Leitung durch ein- und
ausgehenden Traffic an ausgewählten Standorten. Der Anwender aktiviert den Standort in einem
Browser-Fenster, um die aktuelle Auslastung der Bandbreite in Prozent einzusehen (Bild oben). Die
Daten des ein- und ausgehenden Datenverkehrs (Load in, Load out) erscheinen getrennt in Echtzeit-,
Tages-, Monats und Jahreswerten. Auf das Angebot derartiger Browser-basierter Standortberichte
sollte jedes Unternehmen großen Wert legen.

Im Problemfall greift ein Unternehmen auf die per SLA festgelegten Eckpfeiler zur
Störungsbeseitigung zurück. Deshalb sollten diese Verfahren dort beschrieben sein und optimal zum
Unternehmen passen. Das erspart gegebenenfalls sogar die Kosten für Backup- oder
Redundanzmechanismen. Zum Beispiel ist es für eine Filiale mit Kundenverkehr wichtig, dass sie zu
den regulären Bürozeiten auf den Dienst zählen kann; an Sonn- und Feiertagen ist dies nicht
unbedingt nötig. Bei einer Annahmestelle für Lotto ist hingegen entscheidend, dass der Provider
Störungen von Montag bis Samstag schnellstmöglich behebt (Expressentstörung). Unternehmen sollten
bei der Auswahl des Providers also darauf achten, dass dieser einen 24×7-Service und/oder
Expressentstörungen anbietet.

Eine Eskalation bei Verbindungsausfall ist üblicherweise nur durch den Kunden und nur bei
Überschreitung eines definierten Levels vorgesehen. Wichtig ist allerdings, dass das Eskalieren von
Störungsmeldungen (Trouble Tickets) beim Carrier automatisch erfolgt und daher keinen Kundenanruf
erfordert. Das optimiert die (hoffentlich bestehenden) proaktiven Mechanismen eines Carriers. Die
automatische Eskalation bereits vor dem Erreichen oder Überschreiten der Entstörfrist beugt einer
drohenden SLA-Verletzung wesentlich vor, da Eskalationen teilweise bereits bei 50 Prozent der
Entstörfrist erfolgen.

Beispielsweise ist manchmal aufgrund unterschiedlicher Ansprechpartner im Schichtbetrieb auf
Anwenderseite folgender Sachverhalt nicht klar: Wann und durch wen wurden Trouble Tickets beim
Carrier eröffnet, wann muss das Unternehmen eventuell nachhaken, wann sind vorgegebene Fristen
überschritten worden? Denn kaum jemand hat im Störfall gleich die SLAs zur Hand. Die
Carrier-interne Eskalation bereits vor dem Erreichen der 100-Prozent-Marke sorgt für einen
kundenunabhängigen Kontrollmechanismus und steigert die Zuverlässigkeit von Entstörungen. Technisch
gesehen eskaliert das Trouble-Ticket-System einen Kunden-, aber auch ein Carrier-Task gemäß dem
jeweiligen SLA.

Häufig verantwortet ein Provider auch Vorleistungen Dritter. Wichtig für Endanwender ist hier,
dass der Provider die gelieferte Vorleistung kontrollieren kann. Um dies technisch umzusetzen,
lässt sich die Überwachung der Lieferanten-SLAs eines Carriers durch eigene Sub-Tickets im
Ticket-System abbilden, und zwar mit eigener Eskalation und Auswertungen pro Carrier. Einem Vorfall
sind dann Tasks für verschiedene Bereiche zugeordnet: für Customer (Kundenstörungsmeldungen und
-verfolgung), Technical (interne Bearbeitung einer Störung) und Supplier (Verfolgung der
Störungsbearbeitung bei anderen Carriern). Für jeden Bereich ist somit ein Report über die
SLA-Einhaltung erstellbar.

Fazit

Unternehmen sollten bei der Auswahl eines Netzbetreibers ihre Aufmerksamkeit auf SLAs lenken,
dabei aber nicht nur die Werte vergleichen, sondern auf Aufbau, Vollständigkeit, Professionalität
und Verständlichkeit der SLAs achten. SLAs lassen sich nicht direkt vergleichen wie technische
Datenblätter: Sie müssen genau definiert, für den Anwender verständlich und nicht zuletzt auch
messbar sein. Gerade am Inhalt dieser Vereinbarungen zwischen Provider und Unternehmen zeigt sich
die Professionalität und die langfristige Qualität einer Geschäftsbeziehung. Schließlich darf die
Unternehmenskommunikation nicht aufgrund mangelhafter Leistungsnachweise zu einem geschäftlichen
Schaden führen.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+