Im Herbst beginnt die Produktion der Mirasol-Displays

Stromsparende Displays nehmen Gestalt an

12. Juli 2009, 22:58 Uhr |

Qualcomms ultra-stromsparende Mirasol-Displays gehen im Herbst in die Massenfertigung - wenn auch vorerst nur als kleine bichrome Bildschirme für GPS-Geräte und MP3-Player. Doch die ersten vollfarbigen Labormuster in einer Größe von 4,1 Zoll liegen bereits vor.

Seit fünf Jahren arbeiten die Qualcomm-Ingenieure an der Entwicklung einer neuartigen
Display-Technologie für Handys, die wesentlich stromsparender sein wird als die heute
gebräuchlichen LCDs.

Vorbild für Qualcomms Mirasol-Displaytechnik sind zum einen die Flügel eines Schmetterlings, zum
anderen das so genannte elektronische Papier (E-Papier).

Beide sind nicht selbstleuchtend, sondern nutzen die Reflexion des einfallenden
Umgebungslichtes. Reflektierende Displays sind deshalb umso lichtstärker, je mehr Licht auf sie
einfällt – also genau das Gegenteil von LCDs. Damit aber sind sie nicht im Dunklen lesbar, was erst
durch eine bedarfsweise zugeschaltete Vordergrund-Beleuchtung möglich wird.

Unter normalen Lichtverhältnissen sind die Mirasol-Displays um ein Vielfaches stromsparender als
die weit verbreiteten LCD-Systeme. Laut Qualcomm benötigt ein Handy typischerweise 240 Milliwatt
für das Display, wogegen ein Mirasol-Farbdisplay mit nur einem einzigen Milliwatt auskommt. Und
auch bei Zuschaltung des Vordergrund-Lichtes steigt der Stromverbrauch der Mirasol-Displays nur auf
55 Milliwatt an.

"Mit der zunehmenden Nutzung von Rich-Content auf dem Handy wird das Problem der stromfressenden
Displays immer kritischer", sagt Cheryl Goodman, Qualcomms Marketing-Chefin für die
Mirasol-Displays, und hofft, über dieses Feature die LCD-Konkurrenz von den Handys zu
vertreiben.

Doch bis ihre Produkte auf breiter Front für mobile Multimedia-Anwendungen zum Einsatz kommen,
ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Drei Probleme stehen an oberster Stelle: Die
Farbwidergabe, die Bildschirmgröße und der Preis.

Das erste Handy, das jetzt mit Mirasol-Displays ausgestattet ist, ist das "Inventec V112". Doch
selbst hier ist das Hauptdisplay weiterhin ein LCD – der nur 1,1-Zoll kleine Mirasol-Bildschirm
zeigt nur die Uhrzeit und andere Statusinformationen an, um damit den Haupt-Bildschirm zu
entlasten. Hierfür reicht dann auch eine bichrome Darstellung völlig aus.

Mit diesen bichromen Displays soll im September die Produktion anlaufen. Hierfür hat sich
Qualcomm den auf Displays spezialisierten taiwanesischen Vertrags-Lieferanten Cheng Uei (Foxlink)
ausgesucht, der derzeit eine entsprechende Fabrik aufbaut.

Hier sollen zunächst nur bichrome Displays im Größenbereich von 0,9 bis 1,4 Zoll gefertigt
werden, die überwiegend in GPS-Geräte, Musicplayer und neuen Handys zum Einsatz kommen werden.
Anlässlich der Vertragsunterzeichnung im vergangenen Mai bezifferte ein Qualcomm-Sprecher das
Marktvolumen für diese Art Displays auf rund elf Milliarden Dollar.

Was die brillante Farbwiedergabe bei mobilen Multimedia-Geräten und Smartphones angeht, so ist
die Mirasol-Technik noch lange nicht serienreif. Zwar kann Goodman auf eine Reihe an Konzeptstudien
verweisen und hat auch selbst eine Vielzahl an Labormuster zur Hand – doch wann es entsprechend
marktreife Produkte gibt – darüber schweigt sie sich aus. Vermutlich werden diese Handys von LG auf
den Markt kommen, nach dem man darüber im Februar eine entsprechende Kooperation unterzeichnet
hat.

Technisch scheint es bei den Farbdisplays noch Probleme mit der korrekten Farbwiedergabe zu
geben. So erscheint die Wiedergabe von Mischfarben auf einem 4,1-Zoll-Display unter
Leuchtstoffröhren inkonsistent zur Wiedergabe unter direktem Sonnenlicht.

Letztlich dürfte noch ein weiterer großer Stolperstein im Weg liegen: Der Preis. Zwar schweigt
sich Qualcomm über die genauen Preise für die Mirasol-Displays aus, doch dass diese Bildschirme um
einiges teurer sind, als die etablierten LCDs wird auch von Qualcomm bestätigt.

Mit drei Maßnahmen will Qualcomm diesem Problem begegnen: Schnelle Marktentwicklung bei den
bichromen Displays, zusätzliches Nutzenpotenzial bei den Providern aufzeigen sowie kompensierende
Herstellungskosten durch Einsparungen an anderen Komponenten.

Zum ersten Bereich gehört die Fabrik in Taiwan und der Versuch bei allen mobilen Kleingeräten
einen "Fuß in die Tür" zu bekommen. Jeder Dollar, der hier verdient wird und jeder Bildschirm der
hier produziert wird, senkt die weiteren Kosten und macht diese Techniken immer stärker
konkurrenzfähig.

Als zweites, versuchen die Qualcomm Marketing-Experten, die Provider zu höheren Subventionen zu
bewegen. Ihr Argument: Displays, die wesentlich weniger Strom fressen führen zu deutlich längeren
On-Zeiten des Handys, und dieses wiederum bedeutet mehr Gespräche, mehr Web-Browsing, mehr
Multimedia und mehr Handy-Shopping. Kurz gesagt; Handys, die keinen Saft mehr haben generieren
keinen Umsatz.

Hierzu haben die Qualcomm-Manager eine Untersuchung zur Hand, wonach die durchschnittliche
Nutzungszeit einer Handybatterie-Ladung von 3,83 Stunden in 2008 auf 2,71 Stunden in 2012 sinken
wird, wenn es bis dahin keine neuen Display-Technik gibt.

Als drittes will Qualcomm die Handy-Hersteller davon überzeugen, dass der Einsatz von
Mirasol-Displays nicht einfach nur ein Bildschirmtausch ist, sondern dass der wesentlich geringere
Stromverbrauch auch zu einem Redesign des ganzen Gerätes führen muss. Beispielsweise lassen sich
damit wesentlich kleinere (also billigere) Batterien verbauen, was in Verbindung mit der von Apple
erfolgreich eingeführten festen Integration des Akkus erhebliche Einsparungen bedeuten kann.

Qualcomms Mirasol-Technik ist einer von vielen Versuchen, sich auf die "Post-CDMA-Ära"
vorzubereiten. Bislang verdient Qualcomm sein Geld vor allem durch die Lizenzvergabe der in den USA
und in Asien weit verbreiteten CDMA-Mobilfunktechnologie. Bei CDMA handelt es sich um einen zu GSM
konkurrierenden Mobilfunk-Standard.

Noch stammen zwei Drittel des Qualcomm-Gewinns von 1,7 Milliarden Dollar von CDMA-bezogenen
Lizenzerlösen, doch deren Tage sind gezählt. So geht der CDMA-Anteil weltweit kontinuierlich
zurück, da vor allem AT&T mit seinem GSM-basierten iPhone beachtliche Marktanteile
hinzugewinnen konnte. Eine weitere Bedrohung dieser Erlösquelle sind die neuen mobilen
Breitbandtechniken Wimax und LTE.

Zwar ist Qualcomm auch sehr stark in der Entwicklung von LTE engagiert, doch dieser Anteil ist
im Vergleich zur marktbeherrschenden Rolle bei CDMA sehr gering.

Analysten zweifeln deshalb, ob Qualcomms derzeit gute Geschäftslage noch von Dauer sein kann. "
Sie experimentieren zwar an vielen Fronten, aber ich glaube nicht, dass das reicht, um die
gegenwärtigen Goldesel zu ersetzen", lauten die Bedenken von Philip Cusick, Analyst bei Macquarie
Securities.

Harald Weiss/CZ


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