Mit der Verfügbarkeit stabiler und sicherer Breitbandverbindungen für das Internet steigt in den Unternehmen auch die Bereitschaft, den Telefonverkehr über diese Verbindung abzuwickeln. In der Spielart IP-Centrex (Central Office Exchange) bleiben beim Nutzer nur noch die Endgeräte - sämtliche Funktionen der TK-Anlage übernimmt ein Provider. Von einer breiten Akzeptanz ist der Markt hier allerdings noch weit entfernt.
Ein Traum für jeden, der in seinem Unternehmen für den Aufbau und Betrieb der
Telekommunikationsanlage zuständig ist: kaum investieren – lediglich für die Endgeräte –, beliebig
skalieren, technisch immer auf dem neuesten Stand sein, Sicherheit umfangreich integrieren und
mobile Nutzer problemlos einbinden. Dies sind nur einige der Argumente, die für das Outsourcing der
TK-Anlage hin zu einem Provider meist ins Feld geführt werden.
Bei den potenziellen Anwendern scheint die Botschaft allerdings noch kaum angekommen zu sein.
Besonders in Westeuropa und speziell in Deutschland ist die Lage offenbar noch von Skepsis oder
sogar Unkenntnis bestimmt. Insbesondere Mittelständler haben online bereitgestellte TK-Lösungen
noch nicht auf ihrer Agenda. Dies bestätigt unter anderem auch eine kürzlich durchgeführte
Onlineumfrage von COMPUTER ZEITUNG und Brainworks. Für ein externes Hosting über einen
IP-Centrex-Anbieter würden sich demnach nur zwölf Prozent der Firmen entscheiden. Häufig sei diese
Option noch nicht einmal bekannt. Und selbst wenn, bremsen Befürchtungen wie die Abhängigkeit vom
Provider oder Angst vor zusätzlichen Kosten das Engagement. Hier bestehe seitens der Anbieter sehr
großer Aufklärungsbedarf.
In Sachen IP-Centrex sind die klassischen "Breitbandländer" USA und Japan die Vorreiter.
Schätzungen gehen davon aus, dass hier 2010 jeweils ein Anteil von fünfzig Prozent des
installierten Nebenstellenbestands über IP-Centrex-Lösungen kommuniziert. In Europa sind vor allem
die Wachstumsländer Osteuropas offen für ein Dienstleistungsmodell im TK-Sektor, da es dort nur ein
geringen Bestand an herkömmlichen Telefonanlagen existiert und neu hinzukommende Anwender
frühzeitig auf das flexible Modell von IP-Centrex setzen.
IP-Centrex-basierende Lösungen sind besonders für filialisierte, dezentrale Unternehmen mit
Zweigstellen, Außenbüros oder Teleworkern interessant. Generell wird IP-Centrex auch gern als
Lösung für kleinere Unternehmen gesehen – mit mindestens drei Standorten und mehr als hundert
Mitarbeitern. IP-Centrex eignet sich auch für Unternehmen mit alter Telefoniehardware, die den
Kostenaufwand für die Umstellung auf neue TK-Hardware scheuen. Potenzielle Anbieter von
IP-Centrex-Lösungen sind beispielsweise Citynetz- oder Stromnetzbetreiber,
Internet-Service-Provider, TK-Provider, unabhängige Dienstleister mit Anwendungskompetenz sowie
Gewerbeparks oder Messegesellschaften.
Bevor es an die Wahl eines geeigneten Providers geht, gilt es zunächst, das am besten zum
Unternehmen passende Outsourcing-Modell zu finden. Grundsätzlich existieren hier mehrere
Varianten:
IP-Centrex stellt die Funktionen einer Telefonanlage mithilfe einer
Internetverbindung beim Provider bereit. Dabei ist auf eine gesicherte Kommunikation –
beispielsweise über ein IP-VPN (Virtual Private Network) – zu achten. Große Provider wie T-Systems
realisieren dies meist auf MPLS-Basis (Multi-Protocol Label Switching). Der Provider bildet die
TK-Anlagenfunktionen als reine Softwarelösung in seinem Netz nach. Die Prozesse sind vollständig
virtualisiert – eine feste Zuordnung von Service und Servern existiert also nicht. Im Mittelpunkt
dieser Lösung steht das Rechenzentrum, das den gesamten Betrieb steuert. Die Endgeräte müssen vor
Ort entsprechend der Lösung vom Service oder Nutzer angepasst werden. Bei IP-Centrex kommen
mehrmandantenfähige Plattformen zum Einsatz, da sich mehrere Anwender hardwareseitig einen Server
teilen. Die Abrechung erfolgt beispielsweise auf der Basis eines Port-Modells.
Mobile IP-Centrex: Bei dieser IP-Centrex-Variante sind auch Handys und PDAs in
die Kommunikation integriert. Beispielsweise klingeln das Telefon am Arbeitsplatz und das Handy
gleichzeitig, und es gibt nur noch eine gemeinsame Rufnummer sowie gemeinsame Verzeichnisse und
Mailboxen.
Hosted PBX (Private Branch Exchange): Diese Alternative zum Eigenbetrieb einer
TK-Anlage zählt zu den netzbasierenden Diensten. Hier wird die TK-Anlage von einem Service-Provider
gehostet, betrieben und gewartet. Der Call-Control-Server (eventuell auch ein Applikationsserver)
befindet sich im Rechenzentrum des Dienstleisters. Die Anwender "mieten" lediglich eine Anzahl von
Ports mit einem vereinbarten Funktionsumfang an. Auch hier steht das Rechenzentrum im Mittelpunkt,
allerdings ausschließlich dedizierte Control-Server zum Einsatz: Jeder Nutzer erhält seine eigenen
Server.
Managed PBX: In dieser Form des Outsourcings werden Betrieb und Wartung der
TK-Anlage in die Hand eines Dienstleisters gegeben – die Hardware bleibt aber im Unternehmen.
IP-Centrex (gegebenenfalls in Verbindung mit Mobile IP-Centrex) birgt die größten Sparpotenziale
für den Anwender. Daher sehen Marktforscher diese Variante über kurz oder lang ganz vorn. Alle
Outsourcing-Varianten erlauben eine gleitende Migration von der klassischen TK-Welt nach Voice over
IP (VoIP). Sobald jedoch auch Sprachverkehr über das LAN des Anwenders zu transportieren ist, muss
dieses entsprechend fit gemacht werden. Genau hier beginnen nach der Beratung die ersten Aktionen
eines Dienstleisters. Denn ein ausreichender Performance- und Security-Check basiert in der Regel
auf aufwändigen Messungen und Simulationen. Für diese Aufgabe fehlen den Anwendern selbst in der
Regel Geräte und Know-how.
Die Netzwerkanalyse mit bedarfsgerechtem Tuning zählt bei allen VoIP-Dienstleistern zu den
zentralen Elementen des Portfolios. Weitere gängige Serviceleistungen sind Planung, Installation,
Konfiguration und Management der VoIP-TK-Anlage, Störungsbehebung beziehungsweise
Hardwareaustausch, Implementierung von Unified Messaging, Integration der Telefonie in individuelle
Applikationen, Schulungen, Support sowie die Durchführung von Änderungen, Erweiterungen und
Umzügen.
Zu Beginn der Implementierung ist möglichst detailliert festzulegen, wie der zukünftige
Kommunikationsprozess ausgestaltet sein soll. Zu überlegen ist, welche Applikationen und Funktionen
nach der Einführung von VoIP und IP-Centrex zur Anwendung kommen sollen und wie die
Kommunikationsprozesse ablaufen werden. Es empfiehlt sich, bei diesem Schritt etwas mehr Aufwand zu
betreiben und verschiedene Szenarien und Möglichkeiten durchzurechnen. Denn Firmen, die sich an
einen Dienstleister wenden, geht es heute nicht mehr rein um Aspekte zur Kostensenkung. Ganz im
Sinn der inzwischen auch von zahlreichen IT-Herstellern propagierten Philosophie, wonach die IT
wesentlich stärker als bisher die Kernprozesse und Kerngeschäfte eines Unternehmens unterstützen
soll, geht es auch bei der IT-gestützten Telekommunikation verstärkt um eine Optimierung des
Core-Business. Der Dienstleister wiederum muss über die Kompetenz verfügen, an dieser Stelle
kreativ mitzugestalten. Im Anschluss an solche Überlegungen ist im nächsten Schritt dasjenige
Betriebsmodell auszuwählen, das am besten zu den Anforderungen passt.
Das Management der Anlage ist keine punktuelle Aktion, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Für
diesen Service muss der Dienstleister ein automatisches Vollzeit-Monitoring aller involvierten
Server, Dienste und aktiven Netzwerkkomponenten wie Router und Switches durchführen, die sich im
Netzwerk des Anwenders befinden. Zum guten Kundenservice zählt in diesem Zusammenhang
beispielsweise auch das Testen und Einspielen wichtiger Patches und Security-Updates für die
Systeme. Einige Dienstleister bieten präventive Instandhaltungsmaßnahmen in ihrem Servicepaket. Oft
werden dazu die Log-Dateien analysiert und archiviert – ein Job, der gute Tools und viel Know-how
erfordert. Genaue Service Level Agreements (SLAs) und ein detailliertes Reporting schützen hier vor
eventuellem Missbrauch. Weitere Services, die oft optional angeboten werden, sind beispielsweise
Remote Backup aller wichtigen Daten inklusive der Konfigurationsdateien sowie grafische
Auswertungen von Performance-Daten wie Speicherverbrauch und CPU-Last.
Die Administration der virtuellen Telefonanlage sollte über ein gesichertes Webinterface
erfolgen. So lassen sich per Mausklick diverse Funktionen aktivieren oder zum Beispiel einzelne
Nutzer einrichten. Rufnummern können dabei flexibel vergeben oder geändert werden. Die Abrechnung
aller Mitarbeiter und Standorte erfolgt am besten zentral.
Mit IP-Centrex stehen die gewohnten Leistungsmerkmale herkömmlicher Telefonanlagen wie zum
Beispiel Makeln, Rückruf, Anrufweiterleitung, Konferenzschaltungen oder Rufnummern- und
Namensanzeigen ebenfalls zur Verfügung. Zusätzlich lassen sich flexible Rufumleitungen oder
Mailbox-Systeme im Netz abbilden. Voice-Mail, Fax und Unified Messaging erweitern das
Leistungsspektrum des Anbieters. Da der Faxversand über das Internet problematisch ist, sollte hier
eine spezielle Lösung im Angebot sein.
Das Serviceportfolio bietet idealerweise einen modularen Aufbau. Wichtig ist auch, dass der
Dienstleister herstellerunabhängig aufgestellt ist und über herstellerübergreifende Kompetenz
verfügt. Denn trotz Standardprotokollen wie SIP sind bei der Umsetzung von "gehobeneren"
Telefonieleistungsmerkmalen oft proprietäre Erweiterungen dieser Standards in den Produkten
implementiert. Dennoch ist es unverzichtbar, dass der Anwender beispielsweise SIP-Telefone
unterschiedlicher Hersteller einsetzen kann. Wie bei jedem Dienstleister gilt auch bei Voice over
IP, dass dieser ein möglichst breites Know-how sowie entsprechende Referenzen nachweisen kann. Die
örtliche Präsenz sollte zudem der des eigenen Unternehmens angemessen sein.