Virtualisierungsgroßmeister VMware hat den auf der VMworld angekündigten und somit lange erwarteten Nachfolger seiner Plattform Virtual Infrastructure 3 (VI 3) vorgestellt: VMware Vsphere 4 soll die dynamische Bereitstellung und das Management sämtlicher Virtualisierungskomponenten (Rechenleistung, Storage, Netzwerk) ermöglichen und das branchenweit erste Cloud-Betriebssystem sein.
Wie auf der VMworld angekündigt (siehe dazu
www.lanline.de/kn31854074), erlaubt Vsphere 4 die Behandlung von Prozessoren, Storage und Networking als Ressourcen-Pools. Die neue Ausbaustufe der VMware-Plattform soll deren Bereitstellung und Betrieb als durchgängige, dynamische Betriebsumgebung ermöglichen.
Zahlreiche APIs sorgen für die Einbindung der erforderlichen Speicher- und Netzwerkressourcen, ermöglichen aber zugleich die Kopplung an externe Verwaltungs- und Security-Lösungen. Neben dem Entwicklungspartner Intel, dessen CPU-Funktionen VMware nutzt, verweist das Unternehmen deshalb insbesondere auf die Entwicklungspartnerschaft mit Cisco: Der Nexus 1000V nutzt die entsprechende VMware-API bereits und fungiert damit als Distributed Virtual Switch.
VMware bezeichnet Vsphere 4 deshalb als Cloud-OS , weil der Durchgriff auf die virtualisierten Ressourcen-Pools nicht zuletzt dank der zahlreichen APIs nun durchgängig und automatisiert möglich ist. So eigne sich Vsphere 4 für die Einrichtung interner Clouds, aber auch hybrider Clouds (also virtueller privater Clouds, die interne und externe Ressourcen verknüpfen). VMware sieht Vsphere damit als Plattform für eine Evolution in Richtung Cloud Computing, während die Nutzung von Salesforce.com, Google-Apps und Co. den sprunghaften Wechsel in die Cloud erfordere. Aber auch Service-Provider erhalten laut VMware mit Vsphere nun eine bessere und kostengünstigere Möglichkeit, sich zum Anbieter von Cloud-Services zu wandeln. Insbesondere dafür will VMware in der zweiten Jahreshälfte die Vcenter Suite als SLA-basiertes Management-Tool einführen, das dann ein Self-Service-Portal, einen Service-Katalog sowie Billing-/Chargeback-Funktionalität umfassen soll.
Vsphere erweitert die Möglichkeiten von VI 3 auf vielerlei Weise: in puncto Rechenleistung, Speicheranbindung und Networking. VMware nennt diese Bereiche Vcompute, Vstorage und Vnetworking.
Bei der Rechenleistung verspricht VMware erhebliche Kapazitäts- und Performance-Steigerungen: die Verdoppelung der Zahl virtueller Prozessoren pro virtueller Maschine (VM) von vier auf acht; viermal soviel RAM pro VM (von 64 GByte auf 255 GByte), eine Steigerung des Netzwerkdurchsatzes auf über 30 GBit/s und eine Erhöhung der I/O-Operationen pro Sekunde auf über 200.000. Zudem eigne sich eine VM nun für 8.900 Transaktionen pro Sekunde, was dem Fünffachen des gesamten Zahlungsverkehrs des Finanzdienstleisters VISA entspreche. Vsphere erlaube außerdem bis zu 32 Knoten pro Cluster.
Im Bereich Vcompute hat VMware das bisher als "experimental" geführte Power-Management nun zum offiziellen Feature erklärt. Dies soll den Stromverbrauch der virtuellen Umgebung um bis zu 20 Prozent senken. Directpath I/O erlaube nun die fixe Kopplung physischer Ressourcen an VMs (was der Idee der Cloud aber eigentlich widerspricht). Außerdem habe man die Migrationsfunktion Vmotion verbessert, die aber nach wie vor nur innerhalb jeweils einer Prozessorfamilie funktioniert, also keine Migrationen zum Beispiel von Intel nach AMD erlaubt.
Im Storage-Bereich bietet Vsphere 4 nun Vstorage Thin Provisioning und sorgt damit laut Hersteller für bis zu 50 Prozent Einsparungen an Speicherressourcen. Vsphere 4 unterstützt nun auch Storage Vmotion.
In puncto Networking ersetzt nun der Vnetwork Distributed Switch die bisherige Funktion von VI 3, bei der Netzwerk-Interfaces an jeweils eine VM gekoppelt waren. Die Anbindung mittels VN-Link erlaubt die Nutzung von Third-Party-Switches. Cisco ist mit dem Nexus 1000V der erste und bislang einzige Netzwerkpartner, der VN-Link unterstützt. Neuerungen gibt es auch bei den Application-Services, die VMware in die Segmente Verfügbarkeit, Security und Skalierbarkeit einteilt.
Die hier wohl wichtigste Neuerung ist die Einführung von VMware Fault Tolerance: Die Aktivierung dieses Features soll den Unternehmen die Einrichtung einer fehlertoleranten ("Zero Downtime") VM-Umgebung auch ohne spezielle Clustering-Software ermöglichen. Vsphere hält dabei immer zusätzliche Ressourcen parat und setzt bei Ausfall einer VM automatisch eine neue auf, um das N+1-Verhältnis aufrechtzuerhalten.
Im Bereich Security bietet die Plattform eine laut Hersteller "selbstlernende" Firewall und mit den Vshield Zones Trust-Zonen über einzelne Hosts hinweg. Dies bedeutet auch, dass bei Migrationen mit Vmotion die entsprechenden Berechtigungen und Security-Policies nachgeführt werden. Last, but not least eine wesentliche Neuheit für die Skalierbarkeit: Vsphere unterstützt neben dem Hot-Plug von Geräten auch das Hinzufügen von CPUs und RAM im laufenden Betrieb (Hot Adds). Dies soll künftig im Zusammenspiel mit Vcenter Szenarien ermöglichen, bei denen ein Cloud-Kunde Services mit bestimmten Service-Levels (SLAs) bezieht und Vsphere dann bei drohender Verletzung der SLAs automatisch und dynamisch CPU-Power und RAM zuschaltet - eine Struktur, die VMware-CEO Paul Maritz den "Software-Mainframe" nennt.
Neu sind die Lizenzpakete Essentials und Essentials Plus, mit denen VMware nun erstmals ernsthaft auf den KMU-Markt zielt: Die Essentials eignen sich für bis zu drei Server (mit maximal sechs CPUs) und kosten 995 Dollar. Die Plus-Variante bietet zusätzlich HA-Funktionalität sowie Backup/Recovery und schlägt mit 2.995 Dollar zu Buche. Dies ermöglicht einem KMU somit einen hochverfügbaren Server-Betrieb in einer bislang nicht gekannt günstigen Preisklasse.
VMware lizenziert nun pro Einzel-CPU, nicht mehr paarweise. Die Standard-Variante kostet laut US-Liste 795 Dollar pro mit ESX Server betriebener CPU, die Advanced-Version (mit HA, also Hochverfügbarkeit) 2.245 Dollar pro CPU, die Enterprise-Version (mit automatischem Ressourcen-Management) 2.875 und die Variante Enterprise Plus mit Distributed Network Switching, Disaster Recovery und weiteren Services 3.495 Dollar pro CPU.
VMware Vsphere 4 eignet sich ausschließlich für 64-Bit-Server. Laut VMware ist dies aber kein Vertriebsproblem, da Virtualisierung sowieso in der Regel mit einem Hardware-Upgrade einhergehe. Vsphere 4 soll noch im zweiten Quartal auf den Markt kommen. Im Augenblick ist aber noch die Virtual Infrastructure 3.5 aktuell. Dazu finden Sie einen
Testbericht auf Seite 18.
Info: VMware Tel.: 089/3706-17000 Web: www.vmware.com/de/products/vsphere/