Analyse: Werden mit dem Google-Betriebssystem die Karten neu gemischt?

Welches Potenzial hat Google Chrome OS wirklich?

8. Juli 2009, 22:58 Uhr |

Die Google-Ankündigung eines eigenen Betriebssystems namens Google Chrome OS hat für großen Wirbel gesorgt, gleichzeitig aber mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Nachfolgend der Versuch einer Einordnung.

Chrome OS ist ohne Frage ein Frontalangriff auf die Microsoft-Domäne Betriebssystem. Aber wird
Chrome OS tatsächlich der Windows-Killer? Die Antwort wird wohl lauten: Jein. "Chrome OS hat das
Potenzial, das Wintel-Paradigma zu durchbrechen", glaubt der Finanzanalyst Yukihiko Shimada.
Allerdings darf man diese Aussage wohl etwa pauschal nennen. Denn Chrome OS direkt mit Windows, Mac
OS oder den klassischen Linux-Distributionen zu messen, hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Windows Vista ist mit mehr als 50 Millionen Lines of Code ein Dickschiff: Behäbig, aber in der
Lage, im Prinzip jede Aufgabe zu erfüllen, vom Web-Browing bis zum Computer Aided Design.

Chrome OS dagegen dürfte eher die Rolle eines Schnellboots einnehmen. Perfekt für eine bestimmte
Aufgabe, aber nichts für raue See. Auch wenn die Kombination aus HTML und Javascript in der
Vergangenheit große Fortschritte gemacht hat – siehe Ajax – und mit Entwicklungen wie HTML 5 auch
weiter schnell voranschreitet, dürfte die Performanz von Webanwendungen, im Vergleich zu
klassischen Applikationen immer hinterher hinken. Das ist für einen Großteil der Anwendungen kein
Problem, für bestimmte Sachen aber eben doch. Ist eine HD-Video-Schnittanwendung in absehbarer Zeit
wirklich als Web-App denkbar?

So kommt zum Beispiel der Analyst Ross Rubin zu dem wohl zutreffenden Schluss: "Chrome OS wird
nur dort gebraucht, wo Windows und Mac OS X nicht sind". Oder vielleicht präziser: wo Windows und
OS X nicht glänzen können. Nämlich bei der Aufgabe, ein besonders schnelles, reagibles Interface
für die Brot- und-Butter-Tasks der Generation Web 2.0 zu schaffen.

Doch allein das ist schon ein respektables Ziel und eines, das Google schon seit längerer Zeit
konsequent verfolgt. Denn mit Chrome OS bekommen auch vergangene Entwicklungen wie Google Gears (es
erlaubt eine Offline-Nutzung von Webapps) oder Native CLient (gibt dem Browser direkten Zugriff auf
die Hardware-Ressourcen) noch einmal mehr Sinn.

Besonders interessant ist eine andere Ankündigung von Google, nämlich mit Chrome OS ein
besonders sicheres Betriebssystem schaffen zu wollen. Große Worte im Angesicht der Tatsache, dass
Browser – und darauf basiert Chrome OS nun mal in weiten Teilen – mittlerweile eines der ganz
großen Einfalltore für Malware sind. Dass Google in dieser Hinsicht für Überraschungen gut ist, hat
jedoch der Chrome-Browser durchaus gezeigt. Das dort verwirklichte Konzept, jedes Browser-Tab in
einer eignen Sandbox laufen zu lassen zeigt, dass die Google-Entwickler in der Lage sind,
altbekannte Probleme aus einer neuen Richtung anzugehen.

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Chrome OS mag zumindest mittelfristig ein Nischenprodukt bleiben für schmalbrüstige mobile
Systeme wie Netbooks, wo geringer Ressourcenverbrauch mehr zählt als Vielseitigkeit. Aber allein
die Tatsache, dass es mit Chrome OS erstmals eine Wahlmöglichkeit geben wird zwischen den sich
letztlich gar nicht mehr so sehr unterscheidenden Supertankern Windows, OS X und LInux und einem
schlanken, webfokussierten System macht es auf lange Sicht zu eine Game Changer: Die Karten im
Betriebssystemsektor werden neu verteilt.

Peter Koller/CZ


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