Standardkonformes WLAN mit 54 MBit/s lockt kaum noch einen Käufer in den Technikmarkt. Folglich werben die Hersteller mit deutlich höheren Übertragungsraten: Es stehen mindestens 108 MBit/s auf dem Karton, gelegentlich gehen die Versprechungen noch weiter. Doch die Werte sind teilweise schöngerechnet oder entstehen mit Tricks, die nicht jede Hardware mitmacht.
Wie in vielen anderen Technikbereichen ist auch bei WLAN-Funknetzen die Maximalgeschwindigkeit
das Maß der Dinge. 54-MBit/s-WLAN (nach IEEE 802.11a oder 802.11g) ist schon seit drei Jahren auf
dem Markt, und demnächst steht mit 802.11n der nächst höhere Geschwindigkeitsstandard ins Haus.
Zwischenzeitlich sind verschiedene Hersteller mit ihren eigenen Erweiterungen vorgeprescht, die
schon jetzt mehr Durchsatz liefern. Während sich Unternehmen bei größeren Installationen auf solche
Sonderlösungen äußerst selten einlassen (Stichwort "Investitionsschutz"), erscheinen sie dem
Heimanwender, der sich ein WLAN-Kit kauft, als attraktive Variante.
Augenfällig bei WLANs ist die große Differenz zwischen der Bruttodatenrate (früher 11, heute
üblicherweise 54 MBit/s) auf dem Funkkanal und der Nettorate, die der Anwender sieht. Während
Kabel-LANs Nettoraten von über 90 Prozent der Bruttorate erreichen, kommen WLANs selten auf mehr
als die Hälfte. Ursache ist die bei WLANs nötige Zugriffsverhandlung für das "Shared Medium"
Funk.
Die Luft – respektive der Funkkanal – existiert als Medium nur einmal und verhält sich wie
(früher) ein Hub bei Ethernet: Wenn mehrere Partner gleichzeitig senden, stören sich deren Signale
gegenseitig. Die WLAN-Standards sehen deshalb vor, dass eine Station vor dem Senden prüfen muss, ob
das Medium frei ist. Dies schließt allerdings nicht sicher aus, dass zwei Stationen das Medium fast
gleichzeitig als frei erkennen und mit dem Senden beginnen. Der entsprechende Effekt ist auch bei "
Shared"-Ethernet als Kollision bekannt.
Im verkabelten LAN können die Sender schon während des Verschickens die Kollision erkennen, die
Übertragung abbrechen und bis zum nächsten Versuch eine zufällige Zeit warten. Bei Funk reichen
solche Maßnahmen jedoch nicht aus. IEEE 802.11 führt deshalb ein Bestätigungspaket ("ACK") ein, das
der Empfänger an den Sender zurückschickt und das durch zusätzliche Karenzzeiten abgesichert ist.
Summiert man die vom Protokoll vorgesehenen Wartezeiten SIFS und DIFS (Short Inter Frame Space,
Distributed Coordination Function IFS ) für ein 802.11a-WLAN, so ergibt dies einen Overhead von 50
Mikrosekunden pro Paket.
Hinzu kommt zusätzlicher Aufwand im Datenpaket, das nicht nur Nutzdaten, sondern auch die von
den verschiedenen Protokollschichten benötigten Header transportiert. Bei einem 1500 Byte langen
Datenpaket, das mit 54 MBit/s via 802.11a übertragen wird, summiert sich dies auf weitere 64 Bytes
sowie einen konstanten Overhead von 20 Mikrosekunden. Das ACK-Paket behandelt der Physical Layer in
gleicher Weise wie das Datenpaket, es entfallen lediglich die Teile vom Sequenzzähler bis zur
Verschlüsselungsprüfsumme. Außerdem ist der Header verkürzt, sodass ein ACK lediglich 24
Mikrosekunden benötigt.
Insgesamt dauert die Übertragung von 1500 Bytes Nutzlast mit 54 MBit/s 325 Mikrosekunden, was
eine Nettorate von knapp 37 MBit/s ergibt. Rechnet man den TCP/IP-Overhead (weitere 40 Bytes pro
Paket, TCP-ACKs) und Wiederholungen wegen Funkstörungen noch ein, so resultieren letztlich
Nettoraten von zirka 25 MBit/s, die 802.11a in der Praxis erreicht. Dies ist in etwa das gleiche
Brutto/Netto-Verhältnis wie bei 11b-WLANs (5 bis 6 von 11 MBit/s).
Für den 11b-Nachfolger 802.11g, der zwar prinzipiell wie 11a funkt, kann es allerdings durch die
geforderte Abwärtskompatibilität zu IEEE 802.11b zu deutlich geringeren Datenübertragungsraten
kommen. Das Problem entsteht, wenn zwei 11g-Stationen miteinander kommunizieren und gleichzeitig
eine 11b-Karte senden möchte: Da 802.11g ein anderes Modulationsverfahren als 11b verwendet, kann
die 11b-Karte nicht ohne weiteres erkennen, dass das Medium gerade belegt ist.
Um Kollisionen zu vermeiden, stellen 11g-Stationen ihrem 11g-Paket bei Anwesenheit von
11b-Hardware ein 11b-kompatibles Steuerpaket voran (CTS – Clear To Send), mit dem sie das Medium
für eine bestimmte Zeit reservieren. Das zusätzliche CTS-Paket ist aber fast so lang wie das
Datenpaket selbst und drückt die Nettorate in Bereiche um 15 MBit/s. Dieser Overhead tritt
grundsätzlich auf, wenn 11b- und 11g-Hardware auf dem gleichen Funkkanal arbeiten. Aus diesem Grund
kann die alte 11b-Basisstation des Nachbarn das eigene 11g-Netz bremsen, obwohl der Anwender selbst
ausschließlich 11g-Hardware nutzt. Viele 11g-Karten kennen zwar einen so genannten "G-only"-Modus,
mit dem sich der Versand der CTS-Pakete unterbinden lässt, dieses Verfahren ist aber nur selten
ratsam, da die bei Kollisionen auftretenden Paketverluste mehr Durchsatz kosten als das
standardmäßige Prozedere.
Die einfachste Tuning-"Schraube" für Hersteller steckt offensichtlich in den Wartezeiten. Auch
wenn daraus nur Gewinne im Prozentbereich resultieren, ergibt dies bereits eine kleine
Verbesserung.
Schon kurz nach der Einführung von 802.11g fingen einzelne Chiphersteller an, "Bursting"
anzubieten. Dabei wartet der Sender nach dem letzten ACK nur die kurze SIFS-Zeit ab, bevor er das
nächste Paket verschickt. So gewinnt der Sender den Wettbewerb um das Medium, und die bei belegtem
Funkkanal fälligen Backoff-Zeiten entfallen. Bei 802.11a bringt Bursting nur etwa zehn bis 15
Prozent, aber bei 802.11g kann der Gewinn im beschriebenen 11b-Kompatibilitätsmodus erheblich höher
ausfallen, da sich ein ganzes Bündel von 11g-Paketen mit einem einzigen CTS schützen lässt. Der
Nachteil von Bursting liegt auf der Hand: Es ist in hohem Maß "asozial", da sich die Station auf
Kosten anderer Teilnehmer ein größeres Stück der begrenzten Bandbreite abschneidet.
Die für 802.11 zuständigen IEEE-Gremien haben sowohl den Nutzen als auch die Problematik von
Bursting erkannt und es im Standard 802.11e (Quality of Service) berücksichtigt, was hoffen lässt,
dass sich die derzeitige Situation mittelfristig entspannt. 802.11e sieht auch eine Möglichkeit
vor, das bandbreitenfressende ACK-Paket erst nach einem Burst von Paketen zu übermitteln oder ganz
fortzulassen. Bei Multimediadaten ist das sinnvoll, da dort einzelne verlorene Pakete eher
tolerierbar sind als die durch Wiederholungen verursachte Verzögerung.
Ohne Eingriff in den MAC-Layer kommen Verfahren aus, die schon vor dem Senden in die Datenpakete
eingreifen. Im Unterschied zu "Kabel-Ethernet" erlaubt WLAN deutlich längere Frames (2304 statt
1518 Bytes). Mit längeren Frames lässt sich der Overhead auf dem Medium reduzieren, indem man
schlicht mehrere Ethernet-Pakete zu einem WLAN-Paket zusammenfasst (Frame Aggregation oder
Concatenation).
Manche Chipsatzhersteller haben die WLAN-Frames so weit verlängert, dass zwei Ethernet-Pakete
voller Größe hineinpassen, was einen Gewinn im Bereich von 30 Prozent bringt. Der Ansatz hat zwei
Nachteile: Zum einen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass solche Frames Opfer von Funkstörungen
werden. Zum anderen steigert Aggregation die Latenz, da der Sender erst Pakete sammeln muss oder
doch ein einzelnes Paket verschickt, wenn innerhalb einer gewissen Wartezeit kein weiteres
hinzukommt.
Parallel zur Frame Aggregation hat sich Datenkompression im WLAN-Chipsatz etabliert. Sie
funktioniert ähnlich wie bei den bekannten Zip-Programmen, bringt aber wie dort nur bei
komprimierbaren Daten einen Vorteil, nicht etwa bei Audio- oder Videoströmen. Doch selbst bei gut
komprimierbaren Daten bleibt der Gewinn im kleinen zweistelligen Prozentbereich. Da bei WLAN
jederzeit mit dem Verlust von Frames zu rechnen ist, kann der Chipsatz höchstens ein einzelnes
WLAN-Paket komprimieren. Gängige Algorithmen wie Lempel-Ziv erreichen bei so kurzen Blöcken ihr
theoretisches Kompressionsmaximum bei weitem nicht.
Seitens des IEEE existieren derzeit keine Bestrebungen, diese Verfahren der
802.11-Standardfamilie hinzuzufügen. Sowohl Packet Aggregation als auch Kompression werden deshalb
auf absehbare Zeit nur zwischen Karten mit dem gleichen Chipsatz funktionieren.
Neben den genannten Möglichkeiten der Feinjustierung des WLAN-Protokolls lässt sich – als
weiterer Schritt – auch über höherstufige Modulationen nachdenken, um die Nettodatenrate zu
erhöhen. Bei Datenübertragungen ist zwischen der Bitrate und der Symbolrate zu unterscheiden:
Letztere gibt an, wie häufig sich der Zustand des Signals auf dem Medium ändert und sich damit neue
Informationen übermitteln lassen. Die hohen Bitraten entstehen zum einen dadurch, dass viele
Symbole gleichzeitig auf verschiedenen Unterträgern im Kanal übertragen werden (OFDM – Orthogonal
Frequency Devision Multiplexing), zum anderen durch den Einsatz komplexerer Modulationen, die pro
Symbol mehr als ein Bit transportieren.
Bei der niedrigsten OFDM-Rate (6 MBit/s) trägt jedes Symbol lediglich ein Bit pro Schritt und
hat 24 OFDM-Unterträger. Die dabei verwendete Kodierung ist jedoch sehr robust und kann auch noch
bei schwachen Funkverbindungen Daten transportieren. Am oberen Ende mit 54 MBit/s nutzt man eine
QAM64-Modulation (QAM: Quadrature Amplitude Modulation), die pro Symbol sechs Bit überträgt (36
Unterträger). Bei sehr guten Verbindungen – etwa im selben Zimmer – lässt der vorhandene
Signal/Rauschabstand durchaus noch Raum für höherstufige Modulationen: beispielsweise QAM256, das
acht Bit pro Symbol benutzt, was eine Bruttorate von 72 MBit/s ergäbe.
Viel weiter lässt sich die Modulation nicht erhöhen, denn der erforderliche Signal/Rauschabstand
wird so hoch, dass WLAN zum "Zimmerfunk" verkäme. Außerdem geht bei höheren Bruttoraten die Schere
zwischen Brutto und Netto immer weiter auf, da das MAC-Protokoll und die stets benötigte langsame
Präambel konstant bleiben.
Eine weitere Beschleunigungsmethode stellt das vom Chipsatzhersteller Atheros angebotene Channel
Bonding dar. Dabei belegt das Signal einfach die doppelte Bandbreite (40 statt 20 MHz) auf dem
Funkkanal und damit die doppelte Menge von OFDM-Unterträgern. Auch bei der Nutzdatenrate fällt der
Faktor 2 ab. Atheros kombiniert Channel Bonding mit Kompression, Paketbündelung ("Fast Frames") und
Bursting zur "Super-A/G"-Lösung, mit der die beworbenen Nutzdatenraten von über 60 MBit/s durchaus
erreichbar sind.
Channel Bonding hat allerdings nicht nur Vorteile, sondern auch gewichtige Nachteile: Der im
2,4-GHz-Bereich zur Verfügung stehende Frequenzblock lässt lediglich Platz für ein einziges "Turbo"
-Netz. Neben diesem kann kein einziges normales WLAN ohne gegenseitige Störungen funken. Ferner ist
der gleichzeitige Betrieb von Clients mit und ohne Channel Bonding in einer Funkzelle schwierig:
Die Modulation ist zu der regulären, von 802.11a/g verwendeten nicht kompatibel. Ein Access Point
muss daher im Mischbetrieb den Baseband-Prozessor seines WLAN-Moduls ständig umschalten oder die
komplette Funkzelle auf Normalbetrieb zurückfallen lassen, sobald ein Client ohne Channel Bonding
Einlass begehrt.
Im 5-GHz-Band, das frequenzmäßig deutlich mehr Platz bietet, ist Channel Bonding besser nutzbar
und lässt sich mit Erfolg beispielsweise bei Richtfunkstrecken einsetzen. Hier kommt es nicht auf
Allgemeinkompatibilität an, da nur zwei fest konfigurierte Partner kommunizieren müssen. Bereits
der unteren 5-GHz-Block (5,15 bis 5,35 GHz) kann drei unabhängige 40-MHz-Kanäle beherbergen. In dem
auch für den Outdoor-Betrieb freigegebenen Band (5,47 bis 5,725 GHz) finden vier weitere Platz.
In den vergangenen Jahren hat sich eine grundsätzlich andere Technik als "Turbolader" für WLANs
herauskristallisiert, die in den nächst schnelleren Standard 802.11n einfließen wird. Die zugrunde
liegende Technik MIMO (Multiple Input, Multiple Output) erreicht höhere Datenraten durch "Spatial
Multiplexing". Dabei nutzt eine Station mehrere Sender über jeweils eigene Antennen auf derselben
Frequenz gleichzeitig.
Was auf den ersten Blick wie eine Anleitung zum Bau eines Störsenders anmutet, funktioniert in
der Praxis, da die Funkwellenausbreitung innerhalb von Gebäuden besonderen Regeln folgt. Außer der
direkten Verbindung existieren immer mehrere indirekte, auf denen Teile des Signals zum Empfänger
gelangen: beispielsweise über Reflexionen an Wänden oder Metallteilen. Normalerweise ist die
Mehrwegeausbreitung unerwünscht, da das gleiche Signal zeitversetzt mehrfach am Empfänger eintrifft
und sich bei ungünstigen Laufzeiten und Stärken auslöschen kann.
Sind jedoch mehrere Empfänger mit eigenen Antennen installiert, kann die Station bei geschickter
Kodierung das Gemisch aus unterschiedlichen Datenströmen und deren Reflexionen entwirren. Dabei
steigt die Datenrate linear mit der Anzahl der Sender-/Empfängerzüge – allerdings nur um zirka 70
Prozent, da dieses Verfahren in der Praxis nie ganz perfekt arbeitet. Bei drei
Sender-/Empfängerzügen, die einzeln mit 54 MBit/s funken, würden sich folglich 0,7 x 3 x 54 MBit/s,
also ungefähr 113 MBit/s ergeben. Als zusätzlichen Bonus ermöglicht die Verrechnung der
Einzelsignale eine moderate Reichweitensteigerung.
Mit einer MIMO-Implementierung ist schon 2003 der Chipsatzhersteller Airgo Networks
vorgeprescht. Als erster Geräteproduzent sprang im Herbst 2004 Belkin auf den MIMO-Zug auf. Zwar
besitzen die Geräte drei Antennen, nutzen senderseitig aber immer nur zwei. Die maximale Bruttorate
ist mit 108 MBit/s doppelt so hoch wie bei 802.11g, was auch das von Atheros angebotene Channel
Bonding erreicht. Vor kurzem hat Airgo angekündigt, zusätzlich zur MIMO-Technik auch Channel
Bonding zu implementieren und damit den Durchsatz erneut zu verdoppeln.
Ein weiterer MIMO-Gewinn liegt darin, dass die hohen Datenraten über weitere Gebäudestrecken als
bei traditioneller WLAN-Technik erhalten bleiben, gerade weil die unvermeidbaren Reflexionen hier
nicht stören, sondern bewusst ausgenutzt werden. Umgekehrt verspricht MIMO auf Richtfunkstrecken im
Freien keinen nennenswerten Vorteil, da dort kaum Reflexionen auftreten.
Es hat reichlich Verwirrung darüber gegeben, ob die Airgo-Lösung mit zukünftig erscheinender
Hardware nach 802.11n kompatibel sein wird, was Belkin durch das Label "Pre-n" suggeriert. Die
Situation erinnert zwar an "Pre-g" vor der Verabschiedung von 802.11g im Sommer 2003, ist aber mit
der jetzigen nicht vergleichbar: Während damals 802.11g schon fast fertig gestellt war und vorab
erschienene Hardware durch Treiber- respektive Firmware-Updates standardkonform wurde, ist bei
802.11n erst seit kurzem endgültig sicher, wie der Physical Layer im Detail aussehen wird. Da der "
PHY" in der Regel fest in die Hardware einer WLAN-Karte gegossen ist, lässt er sich nicht durch
Firmware-Up- grades ändern.