EU-Alternative zu Microsoft 365: IceWarp im Test

Wie viel Datensouveränität steckt in einer Collaborationlösung? Können Messages versendet und empfangen werden, auch wenn sie mehrere Hundert Megabyte große Anhänge beinhalten? Wie individuell lassen sich Zugriffsrechte auf Kanäle, Ordner und Dateien vergeben? Und wie viel KI hilft beim Organisieren und Abarbeiten von Projekten?

Diese Anforderungen, die im Business-Alltag tagtäglich eine Rolle spielen, haben wir in Testkriterien übersetzt und die tschechische Collaborationlösung IceWarp getestet. Unternehmen können sich zwischen Browser- und Desktop-Version entscheiden. Zudem gibt es eine mobile App. Wir haben die Browser-Version getestet.

Digitale Souveränität

NIS2 verlangt seit November 2025 deutlich strengere Anforderungen an die elektronische Kommunikation – angefangen bei geschäftlichen E-Mails und Chats über die gemeinsame Dokumentenbearbeitung bis hin zu Videokonferenzen. Mit IceWarp erfüllen Sie die NIS2-Vorgaben.

Das tschechische Unternehmen ist nach ISO/IEC 27001 zertifiziert und verfügt über SOC-2-Typ-II-Auditberichte. Sie können diese Nachweise direkt in Ihre eigene Compliance-Dokumentation und ihre Sorgfaltspflichten innerhalb der Lieferkette gemäß NIS2 integrieren. Zudem ist IceWarp HIPAA-zertifiziert und kann damit auch in Unternehmen aus dem Bereich Gesundheitsdienstleistungen / Gesundheitswesen genutzt werden.

In Deutschland setzt IceWarp auf das Rechenzentrum von Hetzner Online in Nürnberg. Ein MS Exchange-Server von Microsoft wird für die Speicherung der E-Mails nach Unternehmensangaben nicht genutzt. Damit positioniert sich IceWarp als sichere europäische Alternative zu US-Kommunikationsdiensten.

Das gibt in unserem Test viele Punkte. Denn wenn Daten innerhalb der EU gespeichert werden, verbleiben sie dauerhaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – ein entscheidender Faktor für die vollständige Einhaltung von DSGVO, NIS2 und DORA.

Governance

Für die Verwaltung von Mitarbeitenden können Admins eine Zwei-Faktor-Authentifizierung erzwingen und die Passwort-Policy festlegen. Dabei bestimmten sie, wie viele und welche Art von Sonderzeichen ein Passwort enthalten muss, wann es verfällt etc. Die Verteilung von Rollen und Berechtigungen erfolgt via Active Directory.

E-Mails in IceWarp werden mit dem MS Exchange Sync Protokoll verarbeitet, um die Daten zwischen Server und mobile App zu synchronisieren. Möglich wäre auch ein IMAP-Support als Open-Source-Lösung.

Was die Transparenz angeht, so wird der Quellcode von IceWarp nur in Notfällen an die Kunden übergeben. IceWarp ist also keine Open-Source-Lösung. Bei der On-Premise-Variante lässt sich der JavaScript-Code jedoch über das Access-to-File-System auslesen. Ansonsten gibt es offene APIs, die es erlauben, Erweiterungen einzubinden.

Gute Nachrichten: Falls ein Unternehmen den Umzug plant, besteht kein Vendor-Lock-in. IceWarp hat natürlich eine eigene Datenstruktur, aber in der Regel ist der Datenumzug je nach Unternehmensgröße und Datenvolumen spätestens nach zwei Wochen abgeschlossen.

Usability

Gleich beim ersten Öffnen der Browserversion fällt auf, wie fröhlich, modern und farbenfroh die Suite gestaltet ist. „Willkommen bei IceWarp. Lassen Sie uns Ihr Konto einrichten. Wir machen es kurz und bündig.“ Das sind nicht nur leere Worte, sondern die Lösung führt Schritt für Schritt leichtfüßig durchs Menü und hilft beim Einrichten des Webclients ebenso wie beim Einrichten auf dem Mobiltelefon. Man fühlt sich sofort abgeholt.

Das Dashboard (s. auch Aufmacherbild) zeigt automatisch den Aktivitätsfeed an – so sind Sie beim Öffnen des Browsers sofort auf dem Laufenden. Außerdem finden Sie Ihren Posteingang, Chats und Ihren Kalender auf einen Klick. Ferner können Sie für schnellen Zugriff Dokumente oder ganze Ordner auf das Dashboard kopieren. Desktop und Server beziehungsweise Daten-Repository synchronisieren sich.

Und für die wichtigen To-dos können Sie auch eine kurze Notiz wie ein Post-it auf das Dashboard „kleben“ – wenn Sie erst einmal den roten „Ans-Dashboard-heften-Button gefunden haben. Insgesamt macht das Dashboard einen guten Eindruck – zumal es sich mit einem Klick auf die rechte Maustaste konfigurieren lässt.

Und schließlich wartet IceWarp noch mit einer besonderen Funktion auf, die Microsoft beispielsweise nicht anbietet: In der Browserversion können Sie mit schwebenden Fenstern arbeiten. Sie haben also die Möglichkeit, den Kalender, eine E-Mail und die Aufgaben parallel zu öffnen und sie wie eigene Browserfenster in dem Ur-Browser hin- und herzuschieben. Wer einen großen Bildschirm hat, bekommt damit mehr Übersicht, weil mehrere Funktionen gleichzeitig sichtbar sind.

Doch nicht nur das Design ist ansprechend. Auch die Usability überzeugt. Insgesamt werden 20 Sprachen unterstützt. Moderne Icons links am Rand führen zu den verschiedenen Funktionen der Collaboration Suite. Oben quer verlaufen Schnellzugriffe für Chat, Kalender oder neue Datei erstellen. Insgesamt bleibt die Navigation mit zwei Ebenen damit sehr aufgeräumt und der User findet sich gut zurecht.

E-Mail

Das Mail-Programm ist eine gute Alternative zu MS 365 von Microsoft. Für die von NIS2 geforderte erweiterte E-Mail-Authentifizierung unterstützt IceWarp alle zentralen Standards wie SPF, DKIM und DMARC – auch für komplexe Multi-Domain-Umgebungen.

Funktionell ist bei IceWarp noch etwas Luft nach oben: Sie können E-Mails taggen und flaggen und Postfächer mit einzelnen Kollegen oder dem ganzen Team teilen bzw. öffentliche Ordner erstellen. Aufgaben können Sie für sich oder für ein Team anlegen. Aber: Eine Verknüpfung mit dem Kalender ist leider nicht gegeben und damit fehlt eine hilfreiche Ansicht, um Projektfortschritte zu verfolgen. Das sorgt für kleinere Punktabzüge in unserer Bewertung.

Auch hinsichtlich der Organisation von Kontakten hat MS 365 die übersichtlichere Lösung, insbesondere wenn es darum geht, neue Gruppen anzulegen oder Kontakte freizugeben. Und auch das Festlegen von Regeln muss der Nutzer erst suchen: Statt wie bei MS 365 direkt bei einer Mail Regeln festzulegen, findet man die Regelungsmöglichkeiten unter dem eigenen Userprofil und dort unter „Options“.

Weiteres Manko: Während Microsoft viele Hilfestellungen für typische Regelungen zum Ankreuzen gibt, muss man bei IceWarp mehr probieren und selbst formulieren. Dafür hat man aber auch mehr Möglichkeiten, individuelle Regeln zu bestimmen. KI hat hier noch keinen Einzug gehalten.

Für jeden User stehen 200 GB Speicher für Mails bereit sowie ein Terrabyte für Daten. Der Speicher steht als Pool Storage zur Verfügung, so dass für 1000 User 1000x200 GB plus 1000x1TB Speicher zur Verfügung stehen. Abgerechnet wird übrigens per User.

Tipp: Verschlüsselung

Aktivieren Sie die Verschlüsselung von Mails, indem Sie in den Einstellungen unter „Mail“ die Option „Mail komponieren“ auswählen und die Verschlüsselung aktivieren. Sie können auch die Verschlüsselung auf Anfrage aktivieren, um sicherzustellen, dass nur empfangene E-Mails verschlüsselt sind. Voraussetzung dafür ist Ihr beantragtes Zertifikat.

Große Mail-Anhänge

Wirklich praktisch und vom Microsoft noch nicht umgesetzt: Via IceWarp lassen sich auch große Attachments direkt verschicken – sie werden dazu in einen Link gepackt. Die Daten selbst werden in den Ordner „Eigene Dateien/Upload“ kopiert. Sie können ein Verfallsdatum für den Zugriff festlegen und das File mit Passwort schützen.

Allerdings besteht bislang nur die Möglichkeit, die Datei zu schützen. Personenbezogene Zugriffsrechte sind aktuell noch nicht möglich. Das ist schade, denn scheidet ein Mitarbeitender aus dem Unternehmen aus, kann man den Zugriff nicht verhindern, solange der Nicht-mehr-Mitarbeitende noch über den Link verfügt.