Kleinere Deals, größere Dienste
International tätige Netzwerkbetreiber bieten verstärkt flexible Leistungsbausteine, die sich auch im Rahmen kleinerer Deals profitabel realisieren lassen. Einen klaren Schwerpunkt beim Ausbau des Serviceportfolios bilden netz-, applikations- und prozesstechnische Services im Rahmen einer Unified-Communications-Strategie.
Die Szene der großen, europaweit agierenden Netzwerk-Service-Provider (NSPs) präsentiert sich
laut dem Gartner-Report "Magic Quadrant for Pan-European Network Service Providers" recht
übersichtlich. Immerhin fünf haben es im Bericht für 2007 in das begehrte rechte obere Viertel der
Gartnerschen Vier-Sektor-Marktdarstellung geschafft, in dem die Analysten die am stärksten
agierenden Marktteilnehmer ("Leaders") aufführen. Neben den vier namhaften Netzbetreibern AT&T,
BT Global Services, Orange Business Services und Verizon Business siedeln die Marktforscher hier
auch Vanco als Betreiber eines rein virtuellen Netzes (Virtual Network Operator, VNO) ohne eigene
physische Netzinfrastuktur an. Im Team der "Herausforderer" spielen Cable & Wireless, KPN und
T-Systems, im Feld der "Visionäre" finden sich Easynet, Interroute und die SITA. Colt, Global
Crossing und NTT Communications schließlich spricht Gartner eine Nischenanbieterrolle zu.
Nahtlose Netzabdeckung gefragt
2007 haben die NSPs massiv an ihrer Infrastruktur gearbeitet, besonders an MPLS-Knoten
(Multi-Protocol Label Switching) und Carrier-Ethernet-Services. Lambdanet zum Beispiel hat sich auf
individuelle, modulare Lösungen für die private Unternehmensvernetzung (insbesondere IP/MPLS)
konzentriert. Zudem betreibt der Dienstleister Rechenzentren, die den Kunden als Backup-RZ oder
sicherer Standort für unternehmenskritische Anwendungen dienen. Für die Anbindung von
Unternehmensstandorten nutzt Lambdanet unabhängige Glasfasertrassen über unterschiedliche
Hauseinführungen und Netzknoten.
Als Schlüsselkriterien für die Entscheidungsfindung bei IP-VPNs auf MPLS-Basis gelten für
internationale Unternehmen die globale Ausrichtung und die nahtlose Netzabdeckung, aber auch der
Preis und die hohe Flexibilität in Bezug auf Vertragsbedingungen und Service Level Agreements
werden gerne sehr genau untersucht. Nach diesen Kriterien jedenfalls hat kürzlich Orange Business
Service seinen großen Mitbewerber BT ausgestochen, als der schweizer Pharmakonzern Merck 35 neue
Standorte in sein Netz integrieren wollte. "Besonders wichtig war uns auch das geringe
Migrationsrisiko, da bereits 115 Standorte an das Netzwerk angeschlossen waren", berichtet Nigel
Rixon, Senior Manager Networking and Telecommunication Services bei Merck.
Um ihre Reichweite schnell und ökonomisch angemessen zu vergrößern, scheuen die Provider
inzwischen auch vor ausgedehnten Inter-Carrier-Beziehungen nicht mehr zurück. Ein "Stückwerk" aus
via NNIs (Network-to-Network Interfaces) verbundenen Netzen verschiedener Carrier galt lange Zeit
als Lösung zweiter oder gar dritter Wahl, denn die fremden Teilstücke liegen außerhalb zentraler
Kontrolle. Zuverlässige Servicegarantien wären damit nur sehr bedingt möglich, so die verbreitete
Meinung. Offenbar hat hier inzwischen Vancos VNO-Konzept bei den Providern mit eigenen Netzen
Schule gemacht: Der VNO verfügt über keinen Meter eigene Infrastruktur und bietet trotzdem seit
vielen Jahren erfolgreich seine Dienste an. Neben Carrier-übergreifenden MPLS-/IP-VPNs wird laut
Gartner auch der Zusammenschluss von Ethernet-Netzen immer populärer, besonders im Bereich der
Ethernet-basierten Stadtnetze (Metropolitan-Ethernet-Services).
Näher an den Anwender heran
Die Netzwerkbetreiber streben nicht nur nach geografischer Erweiterung ihrer Präsenz. Auf der
Suche nach neuen Geschäftsfeldern wollen viele aus der "grauen WAN-Wolke" heraus, in der einst auf
jedem Netzwerkdiagramm ihre Dienste subsummiert waren. Fast alle haben ihre Reichweite inzwischen
bis ins Rechenzentrum auf der einen und bis zum Desktop auf der anderen Seite ausgedehnt.
Die enge Beziehung zum Rechenzentrum gilt als Basis für den neuen Typ der
Hosted-Communications-Anwendungen wie Hosted oder Managed IP-PBX, Hosted/ Managed Contact Center
und IP-Centrex, mit denen die Provider ihr langfristiges Wachstum sichern wollen. Die Anwendungen
sind Teil des von Unternehmen zunehmend angestrebten Unified-Communications-Szenarios, dessen
Volumen die Radicati Group allein auf der Seite der Service-Provider in den nächsten drei Jahren
auf 19,8 Milliarden Dollar beziffert.
Das Produktivitätspotenzial vereinheitlichter Kommunikationsstrukturen ist bereits seit Ende der
80er-Jahre identifiziert. Mit dem Einzug der IP-Telefonie in die Unternehmen ist jedoch erst jetzt
die technische Voraussetzung geschaffen, Unified-Communications-Lösungen umfassend zu realisieren:
Nach der Konvergenz der Netzwerke folgt nun die Konvergenz von netzgestützten Applikationen und
Prozessen.
Neue Chancen für alte Erkenntnis
Neben den Telefonieservices spielen Live-Conferencing, Messaging, Portalapplikationen und
Business-Applikationen wie ERP (Enterprise Resource Planning) und CRM (Customer Relationship
Management) mit hinein. Ebenso sind Verzeichnisdienste von zentraler Bedeutung. "Verzeichnisdienste
werden konsolidiert und Master-Directories aufgebaut, was aufgrund der dort gespeicherten Rechte
und Rollen einen direkten Einfluss auf die Geschäftsprozesse hat", so Mike Marcellin, Vice
President Global Product Marketing bei Verizon Business. "Durch die Integration der Telefonanlagen
und Terminkalender in Presence-Managementlösungen lässt sich die Verfügbarkeit von Mitarbeitern auf
einen Blick erkennen. Die Ad-hoc-Kommunikation in verteilten Teams wird erst durch den zeitnahen
Zugriff auf das zur Verfügung stehende Know-how möglich. Medieninhalte wie Texte, Grafiken, Audio-
oder Videodateien können flexibel standort- und geräteübergreifend ausgetauscht werden." So könnten
die entsprechenden Mitarbeiter zur geplanten Zeit virtuell aufeinandertreffen und Zugriff auf die
richtigen Informationen erhalten.
UC ist nur eines von mehreren Servicefeldern bei Verizon. Nicht zuletzt aufgrund der Übernahme
von Cybertrust im Sommer letzten Jahres hat das Unternehmen heute auch einen klaren Schwerpunkt auf
Managed-Security-Services. Die neu entwickelte Verizon-Business-Security-Solutions-Suite zum
Beispiel umfasst Professional-Services für Governance-, Risiko- und Compliance-Analysen,
Application Assessments sowie Forensics- und Incident-Response-Dienste. Zudem gehören Lösungen für
lokale oder netzwerkbasierte Managed-Security-Services wie DoS-Abwehr (Denial of Service) sowie
fernverwaltete E-Mail-Server, Endgeräte und Intrusion Protection dazu. Identity- und
Access-Management, Threat- und Vulnerability-Management sowie Sicherheitszertifizierungsprogramme
runden das Portfolio ab.
Neben den Netzwerkbeteibern gibt es auch Outsourcer ohne TK-Netz, die sich des Themas UC
verstärkt annehmen – in diesem Fall eben rein auf der Ebene der Managed-Services. Dimension Data
beispielsweise konzentriert sich als weltweiter Serviceanbieter mit seinem Portfolio heute sehr
stark auf die Lösungsbereiche konvergente und IP-Business-Kommunikation – neben IT-Sicherheit und
Microsoft-Lösungen als klassischen IT-Servicethemen.
Nationale Netzbetreiber wie Arcor bieten im Rahmen ihres UC-Angebots die Integration von Medien
(Telefonie, Conferencing und Web), Netzen (PSTN, IP, Mobilfunk) und Automationssystemen (für
interaktive Sprachdienste, automatische Anrufverteilung und Sprachdialoge). Nach den Erfahrungen
des mit über zwei Milliarden Euro Jahresumsatz größten Mitbewerbers der Deutschen Telekom achten
die Anwender bei diesen Lösungen besonders auf die einfache und flexible Verwaltbarkeit der
Plattformen und Dienste, das erzielbare Einsparungspotenzial und die Möglichkeit zur Optimierung
der Geschäftsprozesse oder der Entwicklung neuer Geschäftsfelder. "Wer heute die Vielfalt der
TK-Services effizient nutzen möchte, wird trotzdem sein Investitionsvolumen kritisch betrachten",
so Mark Klein, Chief Business Officer des Ressorts Geschäftskunden bei Arcor. "Managed-Services
entlasten die Investitionsbugdets, vor allem im Mittelstand und auch bei kleineren Unternehmen: Sie
bieten für Daten- und Sprachanwendungen bis hin zur virtuellen Telefonanlage kostengünstige und
maßgeschneiderte Lösungen." So ersetze Arcor mit IP-Centrex nicht nur die lokale Telefonanlage,
sondern biete auch netzbasierte Call-Center-Lösungen.
Mittelstand im Visier
Im Zuge der kleineren "Stückelung" von Services entdecken die Provider zunehmend auch den
Mittelstand als Klientel. Neben Arcor liefert hier auch die T-Systems ein aktuelles Beispiel. In
Kooperation mit TK-Zulieferer Alcatel-Lucent bietet sie seit Neuestem eine integrierte
Kommunikationslösung (Business Integrated Communications Solution, BICS) als Managed-Service an.
T-Systems zielt mit den Integrationsdiensten und mit der in die "Octopus-EP"-Produktfamilie
eingegliederte BICS-Plattform zunächst auf Unternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern, in der zweiten
Jahreshälfte will man auch Unternehmen mit bis zu 1000 Mitarbeitern ansprechen. Neben der
Managed-Service-Lösung will T-Systems jedoch auch die Möglichkeit bieten, das System als
eigenständig installierte und verwaltete Appliance zu kaufen. Im Gehäuse eines flachen
19-Zoll-Einschubs sind hier der Omnipcx Enterprise IP-Telefonie- und der 4645 Voicemail-Server, das
Omnivista 4760 Netzwerkmanagementsystem, das Omnitouch Contact Center (Standard Edition) und der "
My Instant Communicator" integriert.
Insgesamt zielen die neuen UC-Dienste der Service-Provider verstärkt darauf ab, die
Geschäftsprozesse des Unternehmens direkt zu unterstützen und deren Produktivität zu steigern.
Gleichgültig wo die Wurzeln der Provider ursprünglich liegen – an UC kommt keiner mehr vorbei.