Knaller mit Mega-Echo
Mit der Ankündigung des "Unified Computing Systems" (UCS) verlässt Cisco die klassische Rolle als reiner Netzwerkhersteller und wird zugleich zum Server-Lieferanten. Damit wagt sich der Netzwerkprimus in ein Marktsegment, in dem bisher friedlich kooperierende Branchenriesen wie IBM, HP, Dell und Sun nun einen wahren Sturm lostreten könnten.
Für seinen Schritt auf die Bühne der Systemhersteller hat sich das Top-Management rund um CEO John Chambers von vornherein namhafte Partner mit ins Boot geholt. So sorgen etwa Intel mit den Xeon-Nachfolgern "Nehalem" für eine neuartige und starke Prozessorbasis, BMC für durchgängiges Management und VMware für die derzeit erfolgreichste Virtualisierungstechnik. Weitere große Namen im Team sind Microsoft, EMC, Emulex, Netapp, Novell, Oracle, Qlogic, Red Hat und SAP.
Mit der Bündelung der jeweiligen Stärken dieser Partner will Cisco nicht einfach nur ein weiteres Blade-System auf den Markt bringen. Vielmehr geht es um ein höheres Level an Integration bisher meist immer noch getrennt betrachteter RZ-Diziplinen oder "Silos" wie Netzwerk, Speicher und Server. Unified Computing soll den Zugang zu Rechenleistung, Netzwerkressourcen, Speicher und Virtualisierung in einem energiesparenden Blade-Gesamtsystem zusammenführen. Bis zu 50 Prozent der Energiekosten sollen sich nach Cisco-Berechnungen so sparen lassen (zur Dimension: laut IBM verbrauchen die hauseigenen Rechenzentren durchschnittlich so viel Energie wie eine US-Kleinstadt mit 25.000 Einwohnern) - abgesehen von immensen Einsparungen durch vereinfachte Administration. Letztere, untermauert durch entsprechende Prozessor-Power, soll es Unternehmen erlauben, Geschäftsaktivitäten deutlich beweglicher zu gestalten; denn mit Unified Computing sei es einfach, diese als passgenaue IT-Services abzubilden.
Die Nachricht von Ciscos Blade-Server-Einstieg fand bei Kunden oft positive Resonanz, wenn auch einige Analysten den Fall eher kritisch betrachten. Bei Mitbewerbern, die in einigen Bereichen auch enge Partner Ciscos sind, ist der Zorn indes hochgekocht. Insbesondere HP bemüht sich, den Cisco-Ansatz als alten Hut herunterzuspielen. Mit dem eigenen Blade-System habe HP bereits vor drei Jahren die Server- und Netzwerkinfrastruktur zusammengeführt. Und im vergangenen Jahr habe HP mit "Insight Dynamic VSE" bereits eine Lösung für das gemeinsame Management physischer und virtueller Ressourcen inklusive Server-Kapazitäten eingeführt. Cisco und HP, insbesondere deren Netzwerkabteilung HP Procurve, waren noch nie enge Freunde, bei größeren Projekten sind die beiden jedoch dennoch nicht selten gemeinsam aufgetreten. Damit soll es nun jedoch vorbei sein - so zumindest die erste Reaktion von HP.
Auch IBM hat sehr befremdet reagiert. Cisco war für Big Blue bislang der wichtigste Netzwerkpartner. Künftig will sich IBM verstärkt auf seinen zweiten Partner Juniper stützen. Das hatte IBM allerdings schon zwei Wochen vor der Cisco-Ankündigung mitgeteilt - zumindest beim Ausbau der Cloud-Aktivitäten sei Juniper demnach künftig IBMs primärer Netzwerkpartner. Ein direkter Effekt der Cisco-Ankündigung war, dass IBM nun mit Sun, der weltweiten Nummer Vier bei den Blade-Servern, in Übernahmeverhandlungen getreten ist. Bei Redaktionsschluss war der Deal noch nicht perfekt, alle Beteiligten äußerten sich jedoch bereits sehr zuversichtlich.
Bei Juniper wiederum versteht man nicht, "wie jemand, der mit den Betriebssystemen seiner Netzwerkkomponenten ein solches Chaos angerichtet hat, sich jetzt erdreistet, von einfachem Management zu sprechen", so Trevor Dearing, Head of Enterprise Marketing EMEA bei Juniper. Zudem funktioniere das neue Virtualisierungsszenario nur, wenn auf den Switches ein neues Virtualisierungsprotokoll von VMware zum Einsatz kommt - "und das verstehen noch nicht einmal die Catalyst-Switches", so Dearing. Die neuen Blade-Systeme sieht Cisco nicht als vorgefertigte Standardprodukte, sondern als individuelle Gesamtlösung. Als solche sollen die Lösungen ab dem zweiten Halbjahr 2009 sukzessive auf den Markt kommen.