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Arbeitszeiterfassung

Zeiterfassung am Drucker?

Die klassische Stempeluhr hat in vielen Unternehmen und Betrieben heutzutage ausgedient. Laut einer Bitkom-Umfrage nutzen diese nur 19 Prozent der Befragten. Da jedoch 16 Prozent Excel-Tabellen und 13 Prozent einen handschriftlichen Stundenzettel für die Arbeitszeiterfassung nutzen, scheint noch Bedarf bei der Einführung elektronischer Systeme in diesem Feld zu sein. Im connect professional-Interview spricht Florian Ehlers von Utax zum Stand beim Thema Zeiterfassung, die Vorteile einer Cloud-Lösung sowie die Möglichkeit, per Multifunktionsdrucker-Gerät die Arbeitszeit zu erfassen.

Interview: Sabine Narloch • 19.11.2025 • ca. 3:55 Min

Utax
Florian Ehlers ist Produktmanager Solution Marketing bei der Fachhandelsmarke UTAX.
© Utax

connect professional: Bei vielen Unternehmen liegt das Thema Zeiterfassung mitunter auf Halde. Besteht denn laut Gesetzeslage aktuell Handlungsbedarf?

Florian Ehlers: Es besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitgeber in Deutschland. Diese Verpflichtung geht ursprünglich auf ein Urteil, Rechtssache C-55/18, des Europäischen Gerichtshofs aus dem Mai 2019 zurück. Bestätigt wurde dieses Urteil durch den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022, Aktenzeichen 1 ABR 22/21. Darin hat das BAG das EuGH-Urteil aufgegriffen und für Deutschland konkretisiert. Arbeitgeber sind nach § 3 Absatz 2 Nummer 1 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

connect professional: Gilt das für alle Unternehmensarten und -größen?

Ehlers: Die Verpflichtung gilt branchenunabhängig für Unternehmen jeder Größe – egal ob Kleinbetrieb, Mittelstand oder Großunternehmen. Erfasst werden müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit – inklusive Überstunden. Obwohl die gesetzliche Ausgestaltung noch in Arbeit ist, ist das Urteil des BAG bereits verbindlich. Unternehmen sind also gefragt zu handeln, da die Grundverpflichtung nach dem Arbeitsschutzgesetz bereits besteht.

connect professional: Welche Hürden gibt es in Unternehmen hier zeitnah zu handeln und eine Lösung umzusetzen?

Ehlers: Hürden kann es auf unterschiedlichen Ebenen geben: Mancherorts kann die Einführung einer Zeiterfassungslösung mit Elementen der bestehenden Arbeitskultur kollidieren – gerade bei Firmen mit Vertrauensarbeitszeit; dort kann es aufgrund der Veränderungen Widerstände und eine Angst vor Überwachung innerhalb der Belegschaft geben. Andere Hürden sind technischer Natur. Hier können sich viele Fragen stellen: Was ist das richtige Tool für unsere Organisation? Setze ich beispielsweise auf eine Cloud-Lösung oder muss es On-Prem sein? Wie kriege ich einen möglichst reibungslosen Rollout hin? Damit hängen dann auch prozessuale und organisatorische Fragen zusammen: Welche internen Abläufe muss ich anpassen? Wie gehe ich mit Sonderfällen bei der Zeiterfassung um – beispielsweise bei Reisen, Bereitschaftsdiensten oder dem Homeoffice? Wie und wann kommuniziere ich die Änderungen? Brauche ich spezielle Schulungen für die Kolleginnen und Kollegen? Nicht zuletzt können auch rechtliche Aspekte zu Verzögerungen führen – zum Beispiel notwendige Anpassungen von Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen.

connect professional: Wie hoch ist die Bereitschaft in Unternehmen, sich mit dem Thema Zeiterfassung auseinanderzusetzen?

Ehlers: Wir spüren eine hohe Bereitschaft. Viele Unternehmen warten nicht erst auf das Gesetz, sondern agieren bereits. Teilweise auch als Reaktion auf interne Audits oder Prüfungen. Meist sind Großunternehmen beim Thema Zeiterfassung noch etwas proaktiver als kleine oder mittelständische Unternehmen. Unsere Projekterfahrung zeigt, dass gerade Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor und aus streng regulierten Branchen die neuen Anforderungen aktuell besonders schnell umsetzen.

connect professional: Wie sollten Unternehmen vorgehen, um die richtige Zeiterfassungslösung zu finden?

Ehlers: Zum Start empfiehlt sich eine Definition der Ist-/Soll-Prozesse, bei der die Ziele und die Eigenschaften der neuen Lösung festgelegt werden. Im Rahmen dieser Analyse stellt sich schnell die Frage, wie komplex die gewählte Lösung sein soll und welcher Funktionsumfang benötigt wird. Eine Grundsatzentscheidung ist dann, ob die Lösung ausschließlich lokal eingesetzt wird oder ob sie cloudbasiert laufen soll. Gerade hybride Arbeitsweisen profitieren von der Cloud, da die ortsunabhängige Zeiterfassung damit noch einfacher möglich wird. Darüber hinaus gilt es, weitere technische Aspekte zu klären – zum Beispiel ob die Zeiterfassung auch mobil via Browser oder via App erfolgen soll und welche Authentifizierungsmethoden gewünscht sind. Selbstverständlich muss die Lösung auch im Hinblick auf den Datenschutz sowie die Daten- und IT-Sicherheit im Vorfeld geprüft werden. Die vielleicht wichtigste Fragestellung ist aber: Wie stelle ich sicher, dass die neuen Zeiterfassungsprozesse auch angenommen werden?

connect professional: Was sind bei diesem Aspekt Ihre Empfehlungen?

Ehlers: Aus unserer Erfahrung kann ich sagen: Für die Akzeptanz der gewählten Lösung innerhalb eines Unternehmens ist es von Vorteil, wenn sie nicht nur kosteneffizient ist, sondern auch über bekannte Technologien funktioniert – zum Beispiel über bereits bestehende Peripheriegeräte wie Multifunktionssysteme. Für einen möglichst reibungslosen Start sollten wichtige Stakeholder sowie die Belegschaft bei der Einführung der neuen Zeiterfassung zudem rechtzeitig informiert und eingebunden werden.

connect professional: Welche Vorteile hat Zeiterfassung über die reine Dokumentation hinaus – sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch für den Arbeitgeber?

Ehlers: Ein modernes Zeiterfassungssystem bietet zahlreiche Vorteile für beide Seiten. Es ermöglicht mehr Fairness sowie Transparenz im Arbeitsalltag und kann sich positiv auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden auswirken, indem es eine gesunde Work-Life-Balance fördert. Überstunden werden ausgewiesen, Überlastungen können vermieden und Pausenregelungen nachvollziehbar festgelegt werden. Es vereinfacht aber auch die Urlaubsplanung und reduziert insgesamt den administrativen Aufwand. Richtig eingeführt und kommuniziert, wird die Zeiterfassung bei den Kolleginnen und Kollegen als echte Unterstützung wahrgenommen. Arbeitgeber profitieren durch eine höhere Planungssicherheit – beispielsweise was die Kosten und den Zeitrahmen von Projekten betrifft. Darüber hinaus können Fehler reduziert werden, beispielsweise bei der Gehaltsabrechnung. Nicht zuletzt sind Firmen rechtlich abgesichert, indem sie nachweisen können, dass sie ihre Pflichten als Arbeitgeber erfüllen.

connect professional: Gibt es auch Nachteile?

Ehlers: Wird der Rollout nicht rechtzeitig und gut kommuniziert, kann eine Frustration auf beiden Seiten entstehen. Bei den Mitarbeitenden kann dann eine Sorge vor Überwachung und Leistungskontrolle aufkommen. Etwa bei Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit, bei denen eine neue systematische Arbeitszeiterfassung als einschränkend wahrgenommen werden kann. Für Arbeitgeber ergeben sich zusätzliche Kosten und ein erhöhter Aufwand bei der Einführung und Verwaltung der Lösung – etwa durch Schulungen oder die IT-Administration. Mögliche Widerstände oder Misstrauen der Kolleginnen und Kollegen gegenüber der Lösung können auch die Zufriedenheit im Unternehmen senken und die Vertrauenskultur schädigen.

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