Am Mittwoch nahm der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat den bereits von der großen Koalition gefundenen Kompromiss zum BKA-Gesetz an. Doch die Kritik an diesem Überwachungstool ebbt nicht ab. Verbände und die Wirtschaft machen Stimmung dagegen, und selbst der Bitkom findet die Einigung nur bedingt hinnehmbar.
In diesem BKA-Gesetz wird die geplante Online-Durchsuchung von Computern angeblich nur von „mutmaßlichen“ Terroristen und Straftäter, geregelt. Der Bitkom begrüßt diesen Kompromiss: „Die Änderungen beantworten nicht alle offenen Fragen, schaffen aber Klarheit in zwei wichtigen Punkten“, sagte Bitkom-Präsidiumsmitglied Prof. Dieter Kempf. Der Kompromiss zwischen Bundestag und Bundesrat sieht vor, dass das Bundeskriminalamt (BKA) nicht ohne Richter-Genehmigung auf Computer zugreifen darf. Zudem muss ein Richter entscheiden, welches Material aus dem Kernbereich der Privatsphäre stammt. Im ursprünglichen Regierungsentwurf sollte das BKA eigenmächtig und ohne richterliche Kontrolle entscheiden dürfen.
Kempf zufolge sind damit zwei zentrale Forderungen der Wirtschaft erfüllt worden. Die lange politische Auseinandersetzung um das Gesetz habe sich gelohnt. „Das Ziel war, dass die Privatsphäre unbescholtener PC-Nutzer nicht unnötig verletzt wird“, so Kempf. „Bürger und Unternehmen müssen sich auf die Vertraulichkeit von persönlichen und wirtschaftlich sensiblen Daten verlassen können.“
Jedoch sollte der Gesetzgeber klarstellen, dass nur Computer von Verdächtigen durchsucht werden dürfen, nicht auch Zentralrechner von E-Mail-Anbietern. „Eine Razzia auf Servern von deutschen Internet-Anbietern bringt so gut wie nichts und schadet viel“, so Kempf. Jeder Nutzer könne E-Mails problemlos über ausländische Provider versenden. Auch PCs von Vertrauenspersonen mit einem Zeugnisverweigerungsrecht müssten Kempf zufolge generell von einer Online-Razzia ausgenommen werden. Das betrifft etwa Anwälte, Ärzte, Steuerberater und Journalisten. In dem Gesetzentwurf sind eindeutige Ausnahmen nur für Abgeordnete, Geistliche und Strafverteidiger vorgesehen.
Aus diesem Grund appelliert auch das Bündnis der Medienverbände und -unternehmen an Bundesrat und Bundestag, das BKA-Gesetz am 19. Dezember endgültig abzulehnen. Der Kompromiss verbessert aus Sicht des Bündnisses weder den Informantenschutz noch die Situation der Journalistinnen und Journalisten.
Das Bündnis der Medienverbände und -unternehmen, dem neben ARD und ZDF unter anderem auch der Verband Privater Rundfunk und Telemedien, der Deutsche Presserat, der Deutsche Journalisten-Verband, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger oder der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger angehören sieht die Entscheidung kritisch: "Der Richtervorbehalt in seiner konkreten Ausgestaltung ist keine Garantie für den Informantenschutz." In der Praxis folgten die Richter in der Regel den Ermittlungsbehörden, insbesondere, wenn nach deren Meinung Gefahr in Verzug sei. Gegenüber der ersten Fassung des BKA-Gesetzes sind jetzt weder Verbesserungen des Zeugnisverweigerungsrechts für Journalisten noch die Gleichstellung aller Berufsgeheimnisträger berücksichtigt worden. Wenn Bundesrat und Bundestag dem BKA-Gesetz in dieser Form zustimmen, können Journalisten ihre Informanten nicht mehr wirksam schützen. Damit würde die Presse- und Rundfunkfreiheit in Deutschland weiter eingeschränkt.
Auch aus Sicht der Internetwirtschaft ist diese Einigung unbefriedigend. Beunruhigend ist auch, dass die Befürworter dieses gefährlichen Eingriffs in die Integrität informationstechnischer Systeme schon seit längerem nicht mehr versichern, dass nur eine geringe Anzahl von Online-Durchsuchungen geplant sei. Gefährlich ist die Online-Durchsuchung, weil sie auf ‚Spähangriffe' eines ‚Bundestrojaners' setzt, also im Prinzip auf die Verfahren, mit denen auch Kriminelle Angriffe auf Computer durchführen, um zum Beispiel Daten auszuspähen oder die Kontrolle über fremde Rechner zu erlangen.
Dazu Prof. Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender Verband der deutschen Internetwirtschaft eco e.V.: "Unsere Wirtschaft lebt von Vertrauen, und in immer stärkerem Maße auch vom Vertrauen in die Sicherheit informationstechnischer Systeme, Prozesse und den Datenschutz. Die Online-Durchsuchung trägt dazu bei, das Vertrauen der Nutzer in Online-Anwendungen allgemein zu beschädigen. Wenn ein Provider Ziel einer Online-Durchsuchung wird, um an die Daten eines Verdächtigen zu kommen, dann ist unsere Branche direkt wirtschaftlich betroffen. Denn der Provider hätte einen erheblichen Image-Schaden zu befürchten, mit gravierenden Folgen für ihn und seine Kunden." Nach Auffassung von eco stehen die Risiken wie auch der technische und finanzielle Aufwand von Online-Durchsuchungen in keinem angemessenen Verhältnis zu dem möglichen Nutzen.