Gemeinsam mit der Betreibergesellschaft GNA (Glasvezelnet Amsterdam) ist der niederländische Anbieter von Glasfaserkabel- und Netzlösungen Draka Communications maßgeblich am Aufbau des Citynet in Amsterdam beteiligt. Beim Citynet handelt es sich um eine Initiative zur Vernetzung einer kompletten Großstadt per Glasfaser.
Die funkschau führte mit Karel Helsen, Director Broadband bei Draka, ein Interview zum aktuellen Stand beim Ausbau des Citynet.
funkschau: Was waren die Beweggründe für Amsterdam, dieses Citynet-Projekt zu starten?
Karel Helsen:Wie in Deutschland, schaffen auch in den Niederlanden KMUs (kleine und mittelständische Unternehmen) die meisten Arbeitsplätze. Um diesen Wirtschaftssektor weiter zu stärken und Unternehmen in forschungsintensiven Wachstumsbranchen zu fördern, entschied sich Amsterdam für den Aufbau einer besonders leistungsfähigen Breitband-Infrastruktur. Davon versprach man sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen europäischen Metropolen. Eine fortschrittliche Kommunikations-Infrastruktur lockt aber nicht nur Unternehmen an, sondern bietet auch den Bürgern die Chance, sich quasi mit Höchstgeschwindigkeit multimedial zu vernetzen. Und letztlich ist auch die Stadtverwaltung selbst motiviert, seinen Bürgern via FTTH Dienstleistungen aus dem kommunalen Sektor anzubieten.
funkschau: Wie ist der Status quo?
Helsen: Die erste Phase des Citynet-Projektes, bei der etwa 40.000 Haushalte und KMUs vernetzt werden sollen, ist zu mehr als zwei Dritteln abgeschlossen. Wir haben also im Moment rund 75.000 Menschen angeschlossen. Und mit Fabchannel und Cultureplayer gibt es schon erste, speziell für hohe Bandbreiten ausgelegte Anbieter.
funkschau: Welches finanzielle Volumen hat das Projekt?
Helsen: Die Investitionssumme betrug bislang etwa 30 Millionen Euro, wovon zwölf Millionen über Darlehen finanziert wurden. Die verbliebenen 18 Millionen Euro brachten die drei Hauptinvestoren der Betriebsgesellschaft GNA zu gleichen Teilen auf – also die Stadt Amsterdam, verschiedene Wohnbaugesellschaften sowie die Unternehmen ING Real Estate und Reggefiber. Diese Mittel flossen komplett in die erste Ausbaustufe des Citynet.
funkschau: Welche FTTX-Architektur wurde gewählt?
Helsen: Auf den ersten Blick betrachtet wurde ein enorm hoher technischer Aufwand betrieben, denn die Stadt entschied sich für eine FTTH-Architektur. Bei diesem Point-to-Point-Netz ist jeder Teilnehmer – Privathaushalt oder Firma – direkt mit dem lokalen Verteilerknoten verbunden. Das hat einige große Vorteile: Erstens, die Bandbreite bleibt konstant, weil sich die einzelnen Teilnehmer keine Leitungen teilen müssen. Zweitens, die offene Netzarchitektur ermöglicht Drittanbietern, die „letzte Meile“ von der Betriebsgesellschaft GNA anzumieten. Der Endkunde kann somit aus einer großen Zahl an Anbietern seinen idealen Provider auswählen. Als Nachteil gegenüber passiven optischen Netzen (PON) ist lediglich der höhere Aufwand zu nennen. Es müssen viel mehr Kabel verlegt werden. Der Aufwand amortisiert sich aber mit der Zeit, weil das Point-to-Point-Netz länger betrieben werden kann als PONs und die Leistung per Softwareupgrade skalierbar ist. Für höhere Geschwindigkeiten müssen keine neuen Kabel verlegt werden.
funkschau: Welchen Anteil hat Draka an diesem Projekt?
Helsen: Draka ist gemeinsam mit dem niederländischen Bauunternehmen BAM maßgeblich am Citynet-Projekt beteiligt. Das Netz baut hardwareseitig auf unserem Glasfaserkabel und den dazu gehörigen Hilfskomponenten auf. Außerdem begleiten wir die komplette Projektplanung mit unserem integrierten Programmpaket Draka XS-Net. Es nutzt Kartenmaterial aus Geoinformationssystemen und erlaubt den Planern, die Netzstruktur auf dem Stadtplan zu zeichnen. Hilfskomponenten, dafür benötigte finanzielle und personelle Ressourcen sowie den zeitlichen Horizont, berechnet das Programm gleich mit. Draka war auch verantwortlich für die zentrale Auftragsabwicklung und Projektkoordination.
funkschau: Welche Lehren ziehen Sie aus dem bisherigen Projektverlauf?
Helsen: Die einzelnen Projektpartner haben gut miteinander zusammengearbeitet. Komplizierter wird es dagegen, wenn wir in die Haushalte rein müssen. Die Terminkoordination ist sehr komplex. Mit jedem Bewohner muss ein Termin vereinbart werden, wann der Anschluss in die Wohnung gelegt werden soll. Und dann ist da noch die Aufklärung und Überzeugungsarbeit, die wir leisten. Viele Menschen können sich unter moderner Glasfasertechnik nichts vorstellen. Außerdem denken viele Mieter, sie seien verpflichtet, den neuen Anschluss auch zu nutzen. Doch das ist nicht der Fall. Und auch seitens etablierter ADSL- und Kabel-TV-Anbieter hatten wir mit erheblichem Gegenwind zu kämpfen.
funkschau: Kann Amsterdam ein Vorbild für deutsche Städte sein?
Helsen: Ja. Amsterdam hat bewiesen, dass sich mit einer gut organisierten Public-Private-Partnership-Initiative alte Netzmonopole aufbrechen lassen und modernste Internetanschlüsse für jedermann möglich werden. Das Amsterdamer Projektmodell ließe sich deshalb problemlos auf deutsche Städte und Metropolregionen übertragen.