Denn der nun öffentlich gewordene Entwurf bedient vor allem eines: Die Interessen der Netzbetreiberlobby. Zwar sollen bestimmte Kontingente von den Roaming-Kosten befreit werden, doch 50 Frei-SMS, 50 Minuten pro Jahr zu Inlandskonditionen oder 100 MByte Datenvolumen sind sicher nicht an reale Nutzungsgewohnheiten heutiger Verbraucher angelehnt. Vielmehr sind sie als Placebo-Pille zu verstehen, damit die Politik sich wenigstens mit einem Teilerfolg vor den Verbrauchern rechtfertigen kann. Gut, dass diese Taktik allzu leicht durchschaubar ist und auf vehemente Kritik vor allem seitens der Verbraucherverbände stößt. »Die Abschaffung der Roaming-Gebühren war von der EU versprochen«, mahnte deshalb Klaus Müller, Vorstand beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Eine Kehrtwende dürfe es nicht geben. »Europäische Politik muss verlässlich sein und innerhalb der EU darf es keine Diskriminierung der Verbraucher jenseits der Ländergrenzen geben.«
Damit sprach Müller das zentrale Problem an: Nur weil die Netzbetreiber um die wertvollen, weil hohen, Roaming-Einnahmen fürchten, darf man europäische Verbraucher nicht diskriminieren. Auch den Drohungen seitens der Provider, dass mit dem Wegfall der Zusatzkosten der Ausbau der Netze in Gefahr sei, darf nicht nachgegeben werden. Vielleicht ist es ein Vorteil, dass aktuell Lettland den EU-Vorsitz führt. Der baltische Staat ist wie seine beiden Nachbarn ein Vorreiter, wenn es um Netzneutra-lität und den Internet-Zugang als Grundrecht geht. Das Land hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Roaming-Gebühren doch noch abschaffen will, allerdings erst 2018. Das sind zwar vier Jahre nach dem von Kroes genannten Termin, doch hier muss gelten: lieber spät als nie. Denn die Wirtschaftslobby darf bei elementaren Rechten wie dem Zugang zum Internet kein Mitspracherecht haben. Vor allem nicht in Europa, wo wir über 20 Jahren die Vorteile der Freizügigkeit zu schätzen gelernt haben.