Wie schon Goethe in Faust sagte: »Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!« Die Kopfnuss beleuchtet, warum die Technologie, die uns vermeintlich so viel abnimmt, vielleicht doch nicht so toll ist.
Morgens weckt mich frischer Kaffeeduft. Der Melitta-Vollautomat hat ihn pünktlich wie jeden Morgen selbstständig frisch aufgebrüht. Im Badezimmer geht die Dusche automatisch an, wenn ich sie betreten habe und das in meiner bevorzugten Temperatur. Über das Zähneputzen muss ich mir auch keine Gedanken mehr machen, denn die Zahnbürste informiert mich genauestens darüber, wann ich aufhören muss und wie ich am besten welchen Zahn putze oder welche Zähne ich gar vergessen habe. Weiter geht es zum Kleiderschrank. Auf meinem Smartphone öffnet sich schon automatisch eine App, die den Inhalt meines Kleiderschankes genauestens kennt. Sie schlägt mir vor, was ich heute am besten anziehen soll. Mit einkalkuliert wird, welche Klamotten ich schon lange nicht mehr anhatte, wie das Wetter wird und wie mein Essens- und Tagesplan aussieht. Draußen hupt mein Auto. Es will mich nicht zu spät bei der Arbeit abliefern und fährt autonom. Deshalb kann ich von unterwegs meine Hausüberwachung einschalten und sämtliche Geräte und Gegenstände in meinem Smart Home auf Automatik stellen. Selbst das Sofa ist intelligent und wirft eine Decke aus, bevor es sich die Katze dort zu einem Nickerchen gemütlich machen kann. Lästige Katzenhaare adé. Nichts kann mehr passieren oder schiefgehen. Essen und Getränke sind immer vorrätig, denn mein Kühlschrank kann direkt jene Dinge, die zur Neige gehen oder bereits aufgebraucht sind, beim nächsten Supermarkt bestellen. Solche Lieferungen nimmt mein Haushaltshilfe-Roboter an. Er sorgt für alles, nicht nur wenn ich nicht da bin. Auch auf der Arbeit sind sie überall anzutreffen: Fleißige Helferlein, die uns die Lasten des Alltags abnehmen, wuseln zwischen uns eifrig hin und her. Derweilen kann ich mich auf die Arbeit konzentrieren.
Eine Kollegin kommt vorbei und will mit mir sprechen. Der direkte Augenkontakt verwirrt mich so sehr, dass ich kaum antworten kann. Warum ruft sie dafür nicht an, schickt eine Nachricht oder einen Roboter? Später läuft auch mein Auto nicht rund. Normalerweise holt es mich immer pünktlich von der Arbeit ab, meistens muss es sogar noch auf mich warten, aber heute ist es umgekehrt. 15 Minuten zu spät und kaum bin ich unterwegs merke ich, dass es nicht auf meine Anweisungen reagiert. Auf einmal teilt es mir mit, dass die manuelle Steuerung aktiviert ist. Was, ich soll fahren? Ich übernehme das Steuer und versuche mich zu erinnern. Welches ist nur das Gaspedal? Nach ein paar Minuten habe ich mir die notwendigsten Funktionen wieder erarbeitet. Nur wohin jetzt? Ich sehe mich um, doch ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Nach vier Stunden umherirren schaffe ich es doch irgendwie nach Hause. Ich freue mich auf mein Sofa und einen Kaffee. Doch auch mein Haushalts-Roboter hilft mir nicht weiter. Ich stehe in der Küche und schau den Automaten hilflos an. Meine Versuche ihn zu bedienen sind kläglich gescheitert und meine Küche gleicht einem Schwimmbad. Plötzlich klopft es an der Tür. Es ist meine Nachbarin. Noch mehr Augenkontakt. Doch als sie mich auf eine Tasse Kaffee einlädt, kann ich nicht nein sagen. Als ich bei einem leckeren von ihr selbstgemachten Kaffee auf dem Sofa sitze, entspanne ich mich langsam. Ich schaffe es nach einer ganzen Weile sogar eine normale Konversation mit ihr zu führen, mit Augenkontakt. Es ist schön wieder Mensch zu sein.