Schon vor 100 Jahren haben Ingenieure versucht, mithilfe von Phantomkreisen die Telefonleitungen mehrfach zu nutzen. Jetzt wird diese Lösung wieder interessant – für einen kostengünstigen DSL-Ausbau in der Fläche.
Von Erik Oswald
Das Prinzip von Phantom-Kreisen beruht darauf, dass zwei vorhandene Sprachkanäle zusätzlich für einen dritten Sprachkanal eingesetzt wurden. Die beiden Kanäle werden dabei jeweils durch eine verdrillte Kupferdoppelader gebildet. Wird nun ein Kabelbündel mit beispielsweise N Kupferdoppeladern zugrunde gelegt, kann die Mehrfachausnutzung so eingesetzt werden, dass sich zusätzlich N-1 neue Sprachkanäle generieren lassen. Das entspricht fast einer Verdoppelung der Kapazität.
Der Aufbau einer modernen Infrastruktur sowie die Entwicklung neuer Übertragungstechniken haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass der Einsatz von Phantom-Kreisen für die Telefonie zunehmend an Bedeutung verloren hat. Bis in die frühen 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden verdrillte Kupferdoppeladern überwiegend für die Sprachkommunikation in einem Frequenzbereich bis 4 kHz eingesetzt. Die neuen DSL-Entwicklungen nutzen inzwischen Frequenzbereiche bis 30 MHz.
Mit der VDSL2-Technologie können über das ursprünglich ausschließlich für die Sprachübertragung konzipierte Teilnehmeranschlussnetz Daten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 MBit/s übertragen werden. Die Steigerung der Datenrate ist dabei natürlich eng an die Erhöhung der für Datenübertragung nutzbaren Frequenzbereiche gekoppelt. Bei dieser Vorgehensweise muss beachtet werden, dass die zu übertragenden Signale mit steigender Frequenz durch die Übertragungsleitung stärker gedämpft werden. Um trotzdem diese hohen Frequenzbereiche nutzen zu können, ist eine Verkürzung der nutzbaren Leitungslänge erforderlich.
Vor diesem Hintergrund werden heute Kabelverzweiger (KVz) an optische Übertragungsmedien angeschlossen, sodass eine DSL-Übertragung nur noch zwischen KVz und Teilnehmer stattfindet. Diese Verkürzung der kupferbasierten Übertragungsstrecke ist mit erheblichen Kosten verbunden. Ein flächendeckender Ausbau dieses Übertragungsszenarios oder die direkte Anbindung der Haushalte an optische Übertragungsnetze ist in Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen in naher Zukunft nicht in großem Maßstab zu erwarten.
Gleichzeitig zeichnet sich jedoch ab, dass der Bedarf an breitbandigem Internet weiter zunimmt. Neue Anwendungen erfordern darüber hinaus hohe Datenraten für jeden Teilnehmer. Kann ein Nutzer beispielsweise mit einer Rate von 1 bis 2 MBit/s bequem im Internet surfen, verlangt eine IPTV-Übertragung in HD-Qualität eine Bandbreite von 12 MBit/s.