Kommentar

Wird Nokia zu einem Patent-Troll ?

16. Oktober 2013, 12:16 Uhr | Lars Bube
Frank Riemenschneider (Bild: Elektroniknet)

Spätestens mit dem Verkauf der Handysparte an Microsoft ergibt sich die Frage, warum die Finnen ständig aggressive Rechtsstreitigkeiten gegen ihre dann ehemaligen Wettbewerber führen. In der Tat gibt es starke Anzeichen, dass sich Nokia zu einem Patent-Troll entwickelt.

--- canonical[http://www.elektroniknet.de/kommunikation/mobilfunk/artikel/101903/] ---Patente haben ursächlich die Aufgabe, Produkte eines Unternehmens gegen Kopien des Wettbewerbs zu schützen – so weit so gut. Bei Nokia gibt es nach dem Verkauf des Handy-Geschäftes kein physisches Hardware-Geschäft mehr zu schützen. Nichtsdestotrotz haben die Finnen ihre diesbezüglichen Patente nicht mit an Microsoft verkauft, sondern behalten die IP und lizensieren sie an Microsoft. Dies bedeutet, dass Nokia auf einem IP-Schatz sitzt, den das Unternehmen selbst vermutlich nie mehr selbst verwenden wird. Dies wirft für mich die Frage auf, ob ein Unternehmen wirklich das Recht haben sollte, andere Unternehmen in der Branche zu verklagen, wenn es selbst keine diesbezüglichen Produkte herstellt und keinerlei Hard-oder Software zu schützen hat.

Nokias langfristiger Plan ist, NSN weiterzuführen und seine Handy-IP an Microsoft (und möglicherweise andere Anbieter) zu lizensieren. Dies erinnert an Rambus, eine Firma, die regelmäßig Unternehmen in einer Branche verklagt, in der man selbst kaum (wenn überhaupt) agiert.

Es scheint tatsächlich so zu sein, als ob sich Nokia bereits auf dem Weg zum Patent-Troll befindet. In einer neu eingereichten Klage gegen den taiwanischen Smartphone-Hersteller HTC verklagt Nokia den (bald ehemaligen) Kokurrenten wegen Verletzung eines Patents, das Nokia selbst von einem anderen Unternehmen käuflich erworben hat. Das Patent selbst wurde für etwas ausgestellt, was nicht nur meiner Ansicht nach nie und nimmer patentwürdig ist, nämlich die Fähigkeit eines mobilen Computers, in unterschiedlichen Gegenden dieser Erde unterschiedliche Zeitzonen zu erkennen inklusive der Bewegung zwischen mehreren Zeitzonen.

HTC erklärt, dass dieses Patent im Wesentlichen etwas patentiert, das bereits seit 1883 existiert, als die nordamerikanische Eisenbahngesellschaft fünf standardisierte Zeitzonen eingeführt hat, um die Verwirrung im Umgang mit Tausenden von Ortszeiten zu beenden.

Die Wahrheit ist, dass diese Methode und Konzept so lange in so vielen verschiedenen Ausprägungen existiert, dass es fast schon lächerlich erscheint, ein solches Patent auszustellen. Nokia hat sich buchstäblich fast jede Methode, sich die Zeit auf ein Mobilgerät zu holen, patentieren lassen - das ist nicht etwas Einzigartiges und war schon gar nicht eine einzigartige Eigenschaft von Nokia-Handys. In diesem Kontext könnte Nokia sogar die Hersteller von Funkweckern verklagen, die ja ebenfalls ein mobiles Gerät darstellen.

Darüber hinaus ist die Tatsache, dass Nokia dieses Patent gekauft hat, um es dann gegen einen Ex-Konkurrenten einzusetzen, ein typisches Zeichen für die Entwicklung hin zu einem Patent-Troll. Ich glaube sogar, dass dies alles nur der Anfang ist und nach dem Abschluß des Verkaufes der Handy-Sparte an Microsoft noch viel mehr Prozesse gegen Smartphone-Hersteller begonnen werden – von einem Unternehmen, das selbst gar keine Geräte mehr produziert und verkauft.


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