KI-basierte digitale Zwillinge

Den gesamten Netz-Lebenszyklus im Blick

14. August 2024, 14:06 Uhr | Autor: Volker Held / Redaktion: Diana Künstler
So manche Probleme und Störungen im Netzbetrieb sind knifflig. Welche Lösungsoptionen gibt es? Und wie behält man alle Hardware­komponenten im Blick?
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Angesichts immer komplexerer Mobilfunknetze sind digitale Zwillinge in der Lage, alle Aspekte vom Netzdesign über die Implementierung bis zur Wartung in Echtzeit zu berücksichtigen. Künstliche Intelligenz spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle.

Der Artikel beantwortet unter anderem folgende Fragen:

  • Was ist ein digitaler Zwilling?
  • Wie tragen digitale Zwillinge zur Netzoptimierung bei?
  • Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) bei digitalen Zwillingen?
  • Wie helfen digitale Zwillinge bei der Wartung von Netzwerken?
  • Welche Ebenen werden durch KI-basierte digitale Zwillinge abgebildet?
  • Welche Herausforderungen bestehen bei der Nutzung digitaler Zwillinge?
  • Welche Vorteile bieten digitale Zwillinge bei der Standortplanung?
  • Was sind die langfristigen Vorteile von KI-gestützten digitalen Zwillingen?

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Digital Twin globale Marktgröße 2023-2028
Der digitale Zwilling gewinnt auch branchenübergreifend immer weiter an Bedeutung. Für die Jahre 2023 bis 2028  prognostiziert MarketsAndMarkets.com eine jährliche Wachstumsrate von rund 60 Prozent. Eine entscheidende Rolle spielt der digitale Zwilling dabei in der Produktions-, Automobil- und Luftfahrtbranche. Bis 2028 soll sich das globale Marktvolumen mehr als verzehnfachen.
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Digitale Zwillinge sind virtuelle Nachbildungen physischer Systeme, die so programmiert sind, dass sie sich exakt wie ihre realen Gegenstücke verhalten. Durch einen digitalen Zwilling lassen sich komplexe Probleme, die in der realen Welt bestehen, einfach abbilden und lösen. Netzausrüster bauen die passenden digitalen Zwillinge, die auch immer mehr mit Künstlicher Intelligenz (KI) und hochpräzisen Algorithmen arbeiten. Diese ermöglichen eine noch umfassendere und unverzerrte Darstellung des gesamten Netzes und seiner Leistung. Gewünschte Ergebnisse können so wesentlich schneller und mit geringerem Risiko erreicht werden als mit traditionellen Ansätzen.

Aber wie funktionieren KI-basierte digitale Zwillinge? Wie tragen sie zur Optimierung der Netzleistung bei und was sind die Hürden dabei? Um diese Fragen zu beantworten, ist daran zu erinnern, dass der Wert und die Performance eines Mobilfunknetzes für Netzbetreiber nicht nur durch den Aufbau des Netzes und die Installation der Netzkomponenten bestimmt wird. Maßgeblich ist der gesamte Lebenszyklus des Netzes – von der Konzeption über die Bereitstellung bis hin zu Betrieb, Wartung und Leistungsoptimierung. Die Nutzung eines digitalen Zwillings ermöglicht es den Netzbetreibern, ein umfassendes Verständnis der Netzleistung zu erlangen. Das wiederum ermöglicht eine bedarfsgerechte Kapazitätsbereitstellung, um die Anforderungen der Nutzer bestmöglich zu erfüllen und das Netz gleichzeitig profitabel betreiben zu können. Mit dem digitalen Zwilling behalten Netzbetreiber selbst in den komplexesten und dynamischsten Umgebungen die volle Kontrolle über die zahllosen physischen Einheiten und Geräte im Netz.

Digital Twins ermöglichen Maßnahmen zur Leistungssteigerung

Künstliche Intelligenz spielt für die Funktionsweise von digitalen Zwillingen schon heute eine Schlüsselrolle. KI-basierte digitale Zwillinge spiegeln die physische Infrastruktur auf drei Ebenen wider, konkret das Netz als solches, die physischen Standorte der Geräte und die Hardware beziehungsweise die Geräte selbst:

  • Netz-Ebene: Der KI-basierte digitale Zwilling eines Netzes ermöglicht eine reale Darstellung des Netzes und seiner Leistung. Er stellt damit die wichtigste Quelle für das Design und die Verbesserung des Netzes dar.
  • Standort-Ebene: KI-basierte digitale Zwillinge von Standorten bieten einen realen Einblick in die Leistung des jeweiligen Standorts. Sie sind damit die Hauptinformationsquelle für Standort-Upgrades, Simulationen oder Sicherheitsanalysen.
  • Hardware-Ebene: Mithilfe von KI-gestützten Hardware-Analysen können Netzbetreiber die Leistung jeder Basisbandkarte und jedes Antennenelements genau nachvollziehen. Dadurch lassen sich zum Beispiel Anomalien erkennen, präzise Vorhersagen zum Zustand der Hardware treffen und geeignete Maßnahmen vorschlagen.

Neben der Leistungsauswertung und -analyse dienen digitale Zwillinge auch zur effektiven Koordination der Wartungsarbeiten vor Ort, wo die Hardware ist. Dadurch lassen sich zwei von drei Standortbesuchen vermeiden. Eine vollständige digitale 3D-Visualisierung eines Standorts vereinfacht die Kommunikation und Interaktion mit den Standortbesitzern. Dies führt zu verkürzten Prüfungs-, Berichts- und Planungszeiten und trägt dazu bei, die allgemeinen Integritäts- und Sicherheitsstandards zu verbessern.

Zusätzlich erlauben hochpräzise KI-Algorithmen exakte Vorhersagen, mit denen Probleme bereits im Voraus erkannt werden können. So lassen sich Ausfallzeiten minimieren und die Sicherheit insgesamt verbessern. Techniker können auch direkt vor Ort Simulationen von Zustands- und Sicherheitsproblemen durchführen. Dadurch sind Netzbetreiber in der Lage, potenzielle Störungen mit einer Genauigkeit von 90 Prozent bereits 14 Tage vor ihrem Eintritt zu identifizieren. Der digitale Zwilling ist dabei mehr als nur ein Visualisierungstool. Er ist eine umfassende Plattform für Netz- und Standortdesign-Services und bildet die Hauptquelle für alle Bereitstellungsprozesse. Die ganzheitliche Integration von KI, digitalen Zwillingen, automatisierter Servicebereitstellung und umfassendem menschlichem Fachwissen beschleunigt das Erreichen von Netzleistungszielen und sorgt für höhere Geschwindigkeit und Qualität der Netzbereitstellung sowie schnellere Problemlösungen.

Mit dem digitalen Zwilling können Netzbetreiber selbst in den komplexesten und dynamischsten Umgebungen die volle Kontrolle über die zahllosen physischen Einheiten und Geräte im Netz behalten.

Genauigkeit und Präzision sind beim digitalen Zwilling entscheidend. Bei Netzdesign und -optimierung ermöglichen die digitalen Zwillinge eine klare Trennung zwischen Netzverkehr und -leistung im Innen- und Außenbereich, wodurch die bestmöglichen Optimierungsmaßnahmen getroffen werden können. Die Netzzwillinge sollen alles erkennen und beheben, was dem Netz schaden könnte – von Problemen mit Endnutzergeräten bis hin zu bevorstehenden Hardware-Ausfällen.

Worauf es insbesondere ankommt

Volker Held, Nokia
Volker Held ist Head of Marketing for Managed Services bei Nokia.
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Was digitale Zwillinge von einzelnen Sites beziehungsweise Funkstandorten für Site Engineering und Roll-out-Planung angeht, ist in der Praxis die Frage bedeutend, wie ein schneller, standardisierter Roll-out gelingt. Bei guter Planung und automatisiertem Vorgehen können mehrere hundert Sites in relativ kurzer Zeit realisiert werden, indem eine Drohne in einem standardisierten Verfahren und einer festgelegten Flugroute tausende von Bildern aufnimmt und diese automatisiert in eine cloudbasierte Applikation überträgt, die auf Basis der Bilder den digitalen Zwilling generiert. Da jedoch auch Bereiche erfasst werden müssen, die mit Drohnen nicht erreichbar sind, muss die Lösung so flexibel sein, dass man beispielsweise auch eine Smartphone-Kamera nutzen kann.

Auch bei digitalen Zwillingen von ganzen Netzen gibt es entscheidende Hürden, die mit Blick auf das Netzdesign und die -optimierung bewältigt werden müssen:

  • Genauigkeit der zugrunde liegenden Karten: Bei Frequency Range 1 (bis 6 GHz) muss die Kartengenauigkeit für urbane Umgebungen 10 x 10 Meter betragen, bei höheren Frequenzen 2 x 2 Meter. Bei Nokias Netz-design- und -optimierungsservices sind solch detaillierte Karten beispielsweise enthalten.
  • Unterscheidung zwischen Outdoor- und Indoor-Daten: Es ist wichtig, klar zu unterscheiden, ob der Datenverkehr und die Netzperformance im Außen- oder Innenbereich betrachtet werden. Andernfalls arbeitet man mit falschen Daten.
  • Horizontale und vertikale Geolocation: Gerade bei 5G-Netzoptimierungen muss der digitale Zwilling nicht nur horizontale Geolocation ermöglichen, sondern auch in der Lage sein, die Performance in der Vertikalen, also zum Beispiel über verschiedene Etagen eines Gebäudes, abzubilden. Andernfalls werden die Beams nicht richtig konfiguriert.
  • Netzweites, zuverlässiges Abbild von Verkehr und Performance: Dies wird durch die automatisierte Sammlung von Traffic- und Performancedaten über das Interface, das heißt eine Schnittstelle zur Datenerfassung und -analyse, erreicht.

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