Abschreibungsfristen für teure Software: Neue Steuerregelung bremst Investitionen

27. Januar 2005, 0:00 Uhr | Martin Fryba

Abschreibungsfristen für teure Software: Neue Steuerregelung bremst Investitionen. Das Bundesfinanzministerium wird die Dauer der Abschreibungen für aufwändige Unternehmens-Softwarelösungen, einschließlich damit verbundener Zusatzkosten, erheblich ausweiten. Das hat fatale Folgen vor allem für die betroffenen mittelständischen Software-Hersteller. Die Branche befürchtet, dass Kunden künftig weniger Geld für Software ausgeben, da sie steuerlich schlechter gestellt werden.

Abschreibungsfristen für teure Software: Neue Steuerregelung bremst Investitionen

Ein Beschluss der Länderfinanzverwaltungen sorgt derzeit für gehörige Unruhe in der Softwarebranche. Demnach soll erstmals eine bundeseinheitliche Regelung gelten, welche die Abschreibungsdauer von Investitionen in teuere Systemsoftware wie beispielsweise ERP-, BI- oder CRM-Lösungen einheitlich festlegt. Vorgesehen ist ein Zeitraum von zehn Jahren. Bislang konnten Unternehmen solche hohen Investitionen erheblich früher vollständig abschreiben und entsprechend jährlich höhere Aufwendungen steuermindernd geltend machen. Die Finanzämter orientierten sich dabei meist an der Abschreibungsdauer von Hardware. Je nach Einzelfall und wirtschaftlicher Nutzungsdauer der Systeme beträgt der Abschreibungszeitraum bislang vier bis sieben Jahre. Damit soll nun Schluss sein. Wie CRN erfuhr, bereitet das Bundesministerium der Finanzen ein Schreiben an die Länderfinanzverwaltungen vor, in dem eine Abschreibungsdauer für kostenintensive Unternehmenssoftware einschließlich damit verbundener Nebenkosten von zehn Jahren genannt wird. Es soll in Kürze veröffentlicht werden.

Damit aber noch nicht genug. Unternehmen, die solche Software anschaffen, müssen künftig mit einer weiter erheblichen steuerlichen Verschlechterung rechnen. Von der neuen Regelung sind nämlich auch die Anschaffungsnebenkosten für EDV-Beratung, Installation und Anwenderschulungen betroffen. Arbeiten betriebseigene Administratoren bis zur Anwendungsreife am System, müssen sogar für diesen Zeitraum anteilige Personalkosten separat erhoben und dem neuen Abschreibungszeitraum zugerechnet werden. Für solche Posten gilt demnach eine Abschreibungsdauer von zehn Jahren. Bislang konnten Unternehmen sie im Jahre der Softwareanschaffung sofort abschreiben.

Durchgesickert war die neue Regelung, als die Bremer Finanzverwaltung bereits im vergangenen Jahr einen entsprechenden Erlass vorab herausgab (Fin Sen. Bremen, Erlass S 2172 - 5968 - 110). Dabei handelt es sich nicht um einen Alleingang Bremens. Denn bereits im September vergangenen Jahres hatte ein Referatsleiter für Einkommenssteuer eines anderen Bundeslandes eine Vorlage erarbeitet und sie auf einem Treffen von Vertretern der Finanzverwaltungen von Bund und Ländern zur Abstimmung gestellt. Das Gremium gab daraufhin grünes Licht, obwohl in der Fachliteratur Wirtschaftsprüfer schon seit längerem die Meinung vertreten, dass eine Ausweitung der Abschreibungsfristen für Software nicht der tatsächlich wirtschaftlichen Nutzung entspräche.

Investitionsfeindliche Entscheidung

Offensichtlich sind sich die Finanzexperten in Bund und Ländern einig, dass eine zehnjährige Nutzungsdauer von teurer Systemsoftware den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten der Unternehmen entspricht. Dieser Auffassung widersprechen die ITK-Verbände heftig. »Das ist eine weltfremde und eigennützige Entscheidung«, zeigt sich Vorstand Oliver Grün vom Verband der EDV-Software- und -Beratungsunternehmen (VDEB) entrüstet. Er sieht eine Gefahr darin, dass sich Unternehmen mit Investitionen zurückhalten könnten. Negative Auswirkungen befürchtet auch Thomas Kriesel, der beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) das Referat Steuern leitet. »Diese Steuerregelung senkt nicht gerade die eh schon zögerliche Bereitschaft von Unternehmen, Ersatzinvestitionen zu tätigen.« Zudem schade sie dem Wirtschaftsstandort Deutschland, da Innovationen einmal mehr ausgebremst würden, meint Kriesel. Auch aus einem anderen Grund kann man den Steuerexperten in Bund und Ländern eine »weltfremde« Sicht unterstellen. Kriesel macht in diesem Zusammenhang auf eine steuersystematische Unlogik aufmerksam. Da die Kosten für die Anwenderschulung über zehn Jahre abgeschrieben werden müssen, unterstellt der Fiskus automatisch, dass das geschulte Personal auch zehn Jahre lang bei einem Unternehmen beschäftigt sein wird. Dies wird aber in vielen Fällen wohl nicht der Fall sein. Für Kriebel daher »ein Unding«.

Nicht nur die Verbände, auch manche Softwarehersteller zeigen sich besorgt über die jüngste Steuerdiskussion. »Sollte die Abschreibung wirklich auf zehn Jahre festgelegt werden, hätte dies erhebliche Auswirkungen vor allem auf das Software-Geschäft mit dem Mittelstand. Denn gerade der Mittelstand braucht für Investitionen jeden Euro«, stellt Ralf Gärtner klar, Vorstand Marketing und Vertrieb beim ERP-Hersteller Soft M. Eher gelassen gibt man sich beim Softwarehersteller IDS Scheer. Laut Vorstand Wolfram Jost spielten Abschreibungsfristen bei Investitionsentscheidungen der Kunden keine wesentliche Rolle.

Ganz ohne Widerspruch will der Bitkom die neuen Abschreibungsfristen nicht hinnehmen, obwohl der Erlass bei der Eichel-Behörde in Berlin beschlossene Sache ist. Kriebel kündigte an, dass der Bitkom derzeit erwäge, gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern eine entsprechende Eingabe an das Bundesfinanzministerium oder an die Landesfinanzbehörden einzureichen. Eine Klage am Bundesfinanzgerichtshof erscheint dagegen wenig hilfreich, da dieser Weg keine schnelle Änderung der Gesetzeslage verspricht.

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Kommentar

Eine zehnjährige Abschreibungsfrist für ERP-Software mag im Einzelfall dem genutzten Zeitraum tatsächlich entsprechen, die breite Masse der Unternehmen aber ersetzt solche Systeme wesentlich früher. Die neue, pauschale Regelung stellt solche Firmen steuerlich schlechter. Hersteller müssen damit rechnen, dass die Kunden Ersatzinvestitionen nun auf die lange Bank schieben werden. Eine flexible und den Einzelfall berücksichtigende Abschreibungsfrist wird durch eine starre, bürokratische und kaum der Wirklichkeit entsprechende Regelung ersetzt. Auch so lassen sich Innovationen hemmen und Impulse für die Wirtschaft schwächen.


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