»Die Hälfte der IT-Fachhändler wird vom Markt verschwinden«. Der IT-Fachhandel wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Etwa die Hälfte der derzeit rund 25.000 Fachhandelsbetriebe wird schließen. Freiwillig oder unter dem Druck des Marktes. Mit dieser These will Frank Roebers, Vorstandssprecher PC-Spezialist AG, im Gespräch mit CRN-Mitarbeiter Wolfgang Kühn kein Horrorszenarium erstellen, sondern mahnen, den Anschluss nicht zu verlieren.
CRN: Herr Roebers, übertreiben Sie nicht etwas, wenn Sie behaupten, etwa die Hälfte aller IT-Fachhändler werde in den kommenden Jahren vom Markt verschwinden?
Roebers: Ich male keineswegs ein Horrorszenarium an die Wand, wenn ich sage, dass es in den nächsten vier bis fünf Jahren nur noch rund 12.000 statt der aktuell 25.000 IT-Fachhändler in Deutschland geben wird.
CRN: Auf welche Basis stützen Sie sich bei Ihren Insolvenzzahlen?
Roebers: Die 25.000 IT-Fachhändler sind eine realistische Zahl, wenn man die Angaben der Distributoren zugrunde legt. Die Insolvenzquote resultiert aus einer zwar etwas älteren, aber immer noch aktuellen Studie. Dieser Studie zufolge schließen jährlich etwa 20 Prozent der IT-Fachhandelsbetriebe, davon etwa 15 Prozent wegen Insolvenz.
CRN: Demgegenüber stehen aber viele Neugründungen?
Roebers: Nur bedingt. Wir haben seit etwa zwei Jahren ein Negativsaldo von jährlich etwa 2.000 Handelsbetrieben. Es kommen also weniger Fachhändler nach, als vom Markt verschwinden.
CRN: Sie sehen in den neuen CE-Produkten Chancen für den IT-Fachhandel. Ist es aber nicht so, dass der UE-Fachhandel viel endkundenfreudiger als der IT-Fachhandel ist? Sind es nicht die UE-beziehungsweise CE-Händler, die als Servicedienstleister den Weg ins Wohnzimmer der Kunden kennen?
Roebers: Das nützt dem UE-Fachhandel aber auf die Dauer nichts. Denn der UE-Fachhandel hat überall da Schwierigkeiten, wo etwas mit einem PC verbunden werden muss. Denn UE-/CE-Fachhändler mit PC-Kenntnissen gibt es verschwindend wenige. Wir wissen aus eigenen Befragungen, dass digitale Consumer Electronic eher in einem PC-Shop nachgefragt wird als bei einem UE-Händler, also dort, wo die analoge Technik zu Hause ist.
CRN: Trotzdem: Wie wollen Sie Ihre IT-Händler in die Wohnzimmer der Endkunden bringen?
Roebers: Das Wohnzimmer wird auch in Zukunft ein Ort der passiven Berieselung sein. Der Home Entertainment Server ? wenn er mal kommt ? wird wahrscheinlich genau so im Büro stehen wie der Server von heute. Aber er wird die Daten ins Wohnzimmer schicken. DVD-Rekorder oder Mediacenter als Stand-alone-Geräte werden nicht so stark verkauft werden, wie ein HomeEntertainment Server, der die Signale, Daten und Bilder ins Heim distribuieren kann. Da tut sich ein Markt auf, für den UE-Händlern schlicht die Kompetenz fehlt.
CRN: Heißt das, aus der Digitalisierung der Unterhaltungselektronik geht der IT-Fachhandel als Gewinner hervor?
Roebers: Selbstverständlich, das ist ein IT-Thema. Aber viele Händler müssen sich schneller auf die neuen Themen einstellen. Sonst bleiben sie auf der Strecke.
CRN: Kann der Fachhandel auf Dauer so gegen die Discounter punkten?
Roebers: Wir müssen dabei zwei Dinge unterscheiden: Wie entwickelt sich der Markt und wie der Fachhandel? Der Markt bietet für die Zukunft Riesenchancen. Deshalb braucht der Fachhandel keinen Marktdefekt zu befürchten. Aber der Handel wird sich stark konsolidieren, weil wir es mit einer großen Zahl von nicht gerade wettbewerbsfähigen Betrieben zu tun haben. Die etwa 12.000 Händler, die sich vom Markt verabschieden müssen, unterliegen einem natürlichen Selektionsprozess. Denn wer heute einen PC-Shop betreibt der nicht den Mindestanforderungen, an Standort, Aussehen und Qualifikation erfüllt, der hat keine Daseinsberechtigung.
Im Business-to-Business wiederum entscheidet die Professionalität. Die ist aber nicht allen Marktteilnehmern gegeben. Deshalb wird es auch da einen beschleunigten Bereinigungsprozess geben.
CRN: Wenn sich dieser Bereinigungsprozess, wie Sie es formulieren, vier bis fünf Jahre hinzieht, was ist in der Zwischenzeit?
Roebers: Vielen Händlern wird es nicht gut gehen. Sie haben eine Menge Probleme: Schwache Eigenkapitalausstattung, ungeeigneter Standort, ungeeignete Positionierung gegenüber dem Wettbewerb. Das ist ein Riesenbündel an Problemen. Zum Glück gibt es aber sehr viele Händler, die es richtig machen und deswegen überleben können. Doch jene mit zu vielen Strickfehlern in ihrem Firmenkonzept werden aufgeben müssen.
CRN: Erwarten Sie nach der Konsolidierung im IT-Fachhandel eine aufgeräumte Branche?
Roebers: Wenn Sie es so formulieren wollen, ja. Der Prozess gleicht dem des Unterhaltungselektronikhandels vor etwa 20 Jahren. Das ist eine völlig normale Entwicklung, die jeden Handelskanal einmal erwischt. Diese Entwicklung wird den Fachhandelskooperationen viele neue Mitglieder bringen.
CRN: Wie das? Der IT-Fachhandel ist doch gerade mal zu 15 Prozent kooperiert. Warum soll er auf einmal die Lust an den Verbundgruppen entdecken?
Roebers: Ganz einfach, die Kooperationen tun was für ihre Mitglieder, unterstützen sie in ihrer täglichen Arbeit. Und kooperierte Fachhändler, das zeigen umfangreiche Untersuchungen, sind viel weniger insolvenzgefährdet als Händler, die keiner Kooperation angehören.
CRN: Wie will beispielsweise Ihre Kooperation Microtrend das Händlersterben aufhalten?
Roebers: Das Konzept ist ganz simpel: Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Partner zu den gleichen Konditionen einkaufen können wie die Discounter. Das ist unsere wichtigste Mission. Hier unterscheiden wir uns vom Mitbewerb wie Electronic Partner oder Akcent. Die sagen: Kein Preiskampf, sondern Service. Wir hingegen sagen zwar auch ja zum Service, aber wer sich nicht auf Preiskämpfe einlässt, wird untergehen. Unsere Händler müssen mit den Discountern gleichziehen können.<